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Des Teufels Reise durch einen Teil des Protestantismus 04

Des Teufels Reise durch einen Teil des Protestantismus
Aufzeichnungen einer hochgestellten Person
Verlag von Wilhelm Jurany. Leipzig. 1847

Musterung einiger Schriften

Indem Satanas wieder allein war, trat er an seinen Teetisch, um die Sachen anzublicken, welche man ihm auf denselben hingelegt hatte. Die Schriften waren alle mit einer gewissen Sorgfalt gewählt und nach einem verabredeten Gesetz hingelegt. Einige lagen ganz rechts und waren ihrer düsteren Einfassung nach auch ziemlich ähnlich. Die anderen lagen wieder ganz links auf dem Tisch und glichen sich auch im Äußeren auf ein Haar. Die zur Rechten lagen, waren in den feinsten Corduan gebunden und mit den reichsten Goldschnitten versehen. Die zur Linken lagen, waren so hingelegt, wie sie aus dem Buchladen kommen, ohne Rock und Überzug, wie nackte Kinder. Nur ein rotes Kreuz war über ihre ganze Titelseite gemacht.

Satanas blickte zuerst auf die Sachen, welche sich zur Rechten befan­den. Sie schienen zu seiner Lieblingslektüre zu gehören. Obenan lag die evangelische Kirchenzeitung von dem ordentlichen Professor Dr. Hengstenberg in Berlin. Es war auf einem besonderen Zettel, zierlich und nett geschrie­ben, bemerkt, dass alle übrigen Jahrgänge zur sofortigen Disposition stehen. Darunter lag die Zeitschrift von Rudelbach und Guericke und einige Bro­schüren von dem letzteren Gelehrten gegen die Union in dem preußischen Staat. München war repräsentiert durch die in hohen Phrasen einhergehende Zeitschrift von Görres und seinem Freund. Zwischen die Blätter war auch – offenbar nur durch ein Versehen, weil zu alt – eingeschoben, was Görres vor einiger Zeit gegen das preußische Ministerium geschrieben hatte. Außerdem befand sich zur rechten Seite ein politisches Wochenblatt. Kämpfe kontra Uhlig, Pistorius kontra Bernhard König, Weiß kontra Rupp und etwas kontra Eylert und Dräseke lag daneben. An der Seite und in Gefahr, vom Tisch zu fallen, lag ein noch nicht der Presse übergebenes Manuskript von L. in Halle, wie auch eine zierliche Abschrift von einer Klage gegen Wislicenus. Letzteres gewiss zur nötigen Approbation.

Satanas blickte die Sachen an und bemerkte, dass man auf den Ti­teln – es schien überall dieselbe Hand zu sein und so war es auch; denn es waren Worte des Oberons – einige Worte geschrieben hatte. Er nahm die evangelische Kirchenzeitung in die Hand und sprach: »Noch immer die­selbe, noch immer die getreue und treffliche! Unser Schutz und unsere Zier! Wie stände es mit unserer Macht und dem Wohl des Staates, wenn dieses Blatt seit Jahren nicht so getreu gearbeitet hätte? Die Throne wären längst gesunken! Ein Jahrtausend wäre die Menschheit auf ihrem wilden Weg vorwärts geeilt! Möge der Verfasser noch lange leben!« Er griff nach Ru­delbach und Guericke und man hörte ihn rufen: »Das edelste Brüderpaar, welches sich jemals zusammenfinden konnte. Das ruchlose und gefährliche Ding der Union werden sie bald gesprengt haben. Die Minen sind von ihnen gut, geschickt und tief gegraben. Sie verdienen eine höhere Stellung. Dass man dem Guericke Brot wieder gibt, ist nicht genug. Wozu würde er doch am besten wohl passen! Man muss es noch reiflich nach den Umständen über­legen! Halle ist nicht der rechte Platz für ihn! Er muss in den Mittelpunkt alles Lebens und aller Entwicklungen. Er kämpft und konnte bisher auch nur kämpfen mit dem Wort. Er ist mit dem Wort bisweilen etwas un­geschickt. Ihm muss Macht gegeben werden. Damit wird er gewiss herrli­chere Siege erkämpfen. Auf Görres Schriften war notiert: »Ginge es nicht, ihn zu einem Bischof zu machen?« Auf dem Titel des politischen Wochen­blattes war bemerkt: »Verdient eine außerordentliche Remuneration!« Bei Leos Manuskript war beigefügt: »Verfasser hat alle Qualifikation zu einem Minister des Kultus in einem großen Staat oder zum Geschichtsschreiber Sr. Heiligkeit in Rom.« Bei Kämpfe war notiert an den Rand: »Ein neues Genie, welches für die Zukunft nicht aus dem Auge gelassen werden darf. Nota bene, er ist in Magdeburg!« Auf Pistorius las man die Worte geschrieben: »Ist von uns überall mit gebührendem Lob bestens em­pfohlen worden. Der Beifall war ungeteilt.« Auf Weiß kontra Rupp stand bemerkt: »Kurz, aber sehr schlagend! Ein Mensch von feinem Verstand! Er hat ein savoir vivre, welches der Kirche viele Vorteile bringen kann.« Bei den Broschüren kontra Eylert und Dräseke war angemerkt: »Wir wer­den noch mehr Schützen gegen diese alten Helden ins Feld schicken. Dieser Wurf kommt gerate zur gelegenen Zeit.« Auf die Abschriften einer Klage gegen Wislicenus war bemerkt: »Lassen nichts zu wünschen übrig! Ganz vortrefflich!«

Flüchtig blickte nun Satanas auch auf die linke Seite. Er fasste zu­erst nach dem Propheten von Suckow. Das vergreifende Urteil, mit großen Lettern geschrieben, hieß: »Die Tendenz dieser Zeitschrift ist zu misslich, schmeichelt zu sehr einigen beliebten Zeitideen und findet zu viel Beifall. Diese Schrift sollte verboten werden.« Satanas murmelte: »Suckow, Suckow, habe ich von ihm nicht schon früher gehört? Ha! Ich besinne mich schon! Das ist ja derselbe, welcher in Berlin und Göttingen in der Sache des Schwedenkönigs war! Die bestehenden Symbole will er auch nicht! Ja, ja, das ist der Freund von dem Wassersleben! Ich kenne ihn!« Auf dieser Seite lag auch Bernhard Königs rechter Standpunkt in fünf Heften. Das Ding war mit Stecknadeln durchstochen. Er war ganz kurz bezeichnet: »Verfasser dieser Schriften wird höchst gefährlich. Man nennt ihn schon den kleinen Dorfluther. Seine Angriffe sind oft ganz schonungslos und seine Sprache fast frech.« Unter den Sachen von König lagen Detroits Ausgaben zur Provinzialsynode mit dem Königsberger Volksblatt. Es war notiert: »Nicht ostpreußisch! Nach oben wird es nur nützen, nach unten zu viel verderben. Es ist traurig, dass solche Dinge gedruckt werden dürfen.« Satanas seufzte nun: »Detroit, ach seit dem Verduner Jubelfest schon berüchtigt! Und die­ser Rupp ist auch dabei?« Etwas weiter davon waren niedergelegt die Bekenntnisse von Uhlig. Sie waren bezeichnet mit den Worten: »Und der ist nun nach Magdeburg an St. Katharinen gekommen! Ein Volksdemagoge sondergleichen! Von ihm ist noch viel zu fürchten. In seine Bekenntnisse stimmen schon Tausende ein.« Hier lag auch Wislicenus Schrift: »Ob Schrift oder Geist?« Sie war charakterisiert mit der Glosse: »Hier ist mehr als Sintenis!«

Kaum hatte Satanas diese Dinge eines flüchtigen Blickes gewürdigt und den Anbruch eines neuen Unfuges in seinem Reich gemerkt, als er vom Tisch wieder wegtrat, gedankenschwer das Zimmer mit raschen Schritten durchmaß und von eigener Unruhe gefasst wurde. Nach langem Schweigen brach er in einige abgerissene Worte aus: »Verdammte Geschichte! Kaum hat man einen glücklichen Fang gemacht und ein Loch zugemauert und das Ding reißt wieder an dem anderen Ende entzwei. Alle meine Freude ist nur kurz! Woher dieses neue Ungeziefer immer hervorkriecht, kann ich noch immer nicht so recht ermitteln. Ich habe doch schon so viele Diener, befördere sie so schnell, überhäufe sie mit Auszeichnungen aller Art, lasse ihnen noch immer mehr für die Zukunft hoffen, habe sie auch auf gute und vortreffliche Wachpo­sten hingestellt, und doch werden sie noch immer nicht Herr der jungen Brut, welche sich immer aus den Winkeln zutage hervordrängt. Meine Leute sind doch sonst so klug und schlau, sie beobachten auch pünktlich meine Befehle und – doch will es nicht so recht vorwärtsgehen, alle Augenblicke gibt es unerwartete Verdrießlichkeit und gescheiterte Pläne. Ich weiß es, meine Feinde halten zusammen wie Pech und Höllenschwefel, sie stehen ein Mann für alle und alle für einen, sie decken auch so fleißig einer des anderen Blößen – und doch geht es nun so langsam und unter so bedeutenden und schmerzlichen Verlusten weiter. Woran liegt das? Woher sollte das kom­men? Wahrlich, die Dinge werden mir rätselhaft! Soll ein Höherer mit im Spiel sein und meine Pläne hindern? Ich habe mir gesucht, Einfluss zu verschaffen bei einigen Mächtigen. Diese sind mir mit ganzer Seele ergeben, ich habe ihnen gezeigt, dass wir miteinander stehen und fallen und Hand in Hand gehen müssen. Sie stellen mir auch alle ihre Hilfsmittel zu Gebote, sie greifen auch nach allen Seiten auf wahrhaft königliche Weise und mit fürst­licher Macht ein – und die böse Sippschaft regt sich noch immer, ja sie scheint, wenn mich nicht alles schrecklich täuscht, in diesem Augenblick so­gar in ihrem Wachsen zu sein. Werde ich nicht auch getäuscht, vielleicht von meinen eigenen Leuten? Ich muss meine Zügel straffer ziehen und dem Übel näher auf den Grund kommen. Fast möchte ich gegen meine Provinziale eine besondere Untersuchung einleiten, um mich zu überzeugen, ob sie auch in allen Punkten ihren Pflichten getreu nachkommen. Täten sie dies, so müsste es doch anders und besser stehen. O, ich fürchte ordentlich meinen hiesigen Provinzial zu hören. Ich möchte ihn gleich vor mich bescheiden lassen. Doch nein. Es dämmert schon am Himmel, der Morgenstern will schon hervortreten. Morgen Abend. Wo ist Tinte, Feder und Papier? Ich habe alles schon. Ich muss gleich ein Billett an meinen Ordensprovinzial hieselbst schi­cken und ihn auf den Abend zu mir bescheiden.«

Satanas setzte sich an seinen Tisch nieder, griff nach Papier und Fe­der und schrieb schnell diese Zeilen:

Einladung an seinen Sohn.
Innig geliebter Sohn!
Was du nicht hast ahnen können, ist geschehen. Ich bin hier. Mein Weg führt nun einmal zu Euch. Ich habe viel auf meinen Herzen und hoffe das­selbe durch dich erleichtert zu fühlen. Was ich hier bereits in Erfahrung ge­bracht habe, ist nicht von der besten Art. Morgen Abend um sieben Uhr begehre ich dich bei mir.
B. d. 2. Nov.. 18..
Dein wohlaffektionierter Satanas.

An den Herrn Provinzial des Ordens
von der höllischen Finsternis
D.H.
allhier.

Es wurde geklingelt und Versutio trat hinein. Nach der anstandsmäßigen Verbeugung des Kammerdieners vor seinem erlauchten Herrn fragte er nach den Befehlen, welche seiner warten.

»Dieses Billett bringe am Tage dahin, wohin die Adresse zeigt. Em­pfehlt mich bestens dem Herrn und sage ihm, wie ich noch besonders den Wunsch ausgesprochen habe, dass er präzise 7 Uhr abends von mir erwar­tet werde.«

Versutio entfernte sich ebenso schnell, wie er erschienen war.

Wie der Morgenstern noch mehr hinaufrückte am Himmelsbogen, fühlte Eminenz Unbehagen und Mattigkeit in allen Gliedern und sehnte sich nach einiger Ruhe. Sein Schlaf war sanft und stärkte die Glieder, welche die weite Reise etwas stark angegriffen hatte. Er schlief bis zur Abenddäm­merung.

So wie diese hinabsank, öffnete er in seiner stillen Schlafstube die Augen und erhob sich ungeduldig, um nach seiner Uhr zu blicken. Es war gerade sechs Uhr abends.

»Versutio«, rief er.

Versutio erschien.

»Hast du den Herrn heimisch gefunden?«

»Zu dienen.«

»Was sagte er?«

»Präzise 7 Uhr wird sich der Herr bei Ew. Eminenz einfinden.«

»Gut. Kannst gehen.«

»Ich hätte ihn früher zu mir bestellen sollen«, bemerkte Satanas. »Ich habe mich in der Jahreszeit etwas geirrt. Jetzt wird es ja schon frü­her dunkel und eher könnten wir unsere Geschäfte anfangen. Der Stunden­zeiger schleicht so langsam und so träge. Ich muss doch die Dinge ansehen, welche hier liegen und die gestern von mir unberührt geblieben sind. Was ist das? Petitionen an mich? Gewiss von den beiden Deputationen der Fledermäuse und der Nachteulen. Ich bemerke sie erst jetzt. Sie haben diesel­ben hier hingelegt, ohne ein Wort zu sagen. Das ist gegen die Regel. Doch es schadet nichts. Erst muss ich wissen, wie alles ist, ehe ich wissen mag, was man will und mir rät.«

»Versutio«, rief er wiederum.

Versutio sprang hinein.

»Versutio, die Uhr ist sechs. Gehe nun zu der Frau Generalin L., wohnhaft in der Straße … Nr. …, eine Treppe hoch. Mache meine ergebenste Empfehlung und bitte um die Briefe, welche sich bei ihr für mich befinden sollten. Melde zu gleicher Zeit, dass ich morgen Abend um 7 Uhr so frei sein werde, ihr meinen Besuch abzustatten.«

Der Kammerdiener ergriff wiederum schnell die Türklinke und verschwand in der weiten Stadt.