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Der lustige Kirmesbruder – Teil 2

Oskar Ludwig Bernhard Wolff
Der lustige Kirmesbruder
welcher durch listige Ränke auf den Kirmessen die Bauern und andere Personen unterhalten und vergnügt gemacht hat

Erste Kirmes

Wie der lustige Kirmesbruder seltsame Dinge unternimmt und mit einer artigen Erzählung beschließt

Einstmals war ich in dem Dorf Freudenfeld bei einem Flei­scher zur Kirmes. Verschiedene Mannspersonen und Frauenzim­mer aus der Stadt kamen dahin, und außerdem waren auch nicht wenig Landleute da. Nachdem wir gegessen hatten, spielten wir insgesamt den Kirmesbauer. Am Abend aber sagte der Hauswirt zu mir, dass ich etwas zum Zeitvertreib anstellen sollte, wo­bei er zugleich den Stadtleuten einen Vorschmack von meiner Lebensart gab. Ich hatte mich schon auf einige Späßchen vor­bereitet und versprach demnach, dass ich Raben machen wollte, die sich in der Stube sollten sehen lassen, ohne die Anwesenden zu beschädigen, und dass sie auch Hühner sollten zu Gesicht bekom­men, auf welchen weiße Hähne sitzen und welche in der Stube herumlaufen würden. Nun aber mussten mir die Gäste erst ver­sprechen, dass sie einige an sich unschuldige Dinge mir nachmachen wollten. Dieses wurde mir denn zugesagt. Ich bat demnach die Frauenzimmer, dass sie in eine Reihe treten, sich aber nicht um­sehen sollten, weil ich hinter ihnen verschiedene Charaktere machen müsste. Dieses geschah. Nun hatte ich einen Hahn von Tuch ausgeschnitten, welchen ich mit Puder bestäubte. Wenn ich diese Figur auf den Rock einer Frau warf, so hatte sie alsbald einen weißen Hahn auf demselben sitzen. Als ich damit fertig war, ließ ich die Frauen stillstehen und ging zu den Mannspersonen. Einem jeden von diesen gab ich ein Pfennigpfeifchen, die ich den Tag vorher in der Stadt gekauft und mit Kienruß angefüllt hatte. Dabei sagte ich, sobald ich mit meiner Schalmei das Signal gegeben haben würde, so sollten sie alle pfeifen; alsdann würden sich in kurzer Zeit ebenso viele Raben sehen lassen, wie Pfeifen in der Stube wären. Vorher aber hatte ich zwei Bauerjungen den Befehl gegeben, dass sie, sobald ich blasen würde, die Lichter auslöschen sollten. Ich blies nun, und die Lichter wurden sofort ausgelöscht. Indessen schalt ich auf die Jungen, damit meine Ab­sicht nicht sogleich deutlich würde, und ermunterte die Leute, nur immer fortzupfeifen, mit der Versicherung, dass es gleich wieder hell in der Stube werden sollte. Auf mein Rufen brachte auch die Magd sogleich wieder Licht in die Stube; aber voller Schrecken lief sie fort, da sie lauter schwarze Gesichter erblickte, die von dem Ruß, der in den Pfeifen gewesen und durch das Blasen in die Gesichter gekommen, entstanden waren. Ein jeder wie auf den anderen mit Fingern und sagte: »Ei, der sieht schwarz!«

Die Weibspersonen hatten über diese Raben ganz besonders ihre Freude. Als sie sich aber umdrehten, da schrien die Männer: »Wir sehen weiße Hähne, die auf den Hühnern sitzen!«

Dieses mussten denn auch die Weiber zugestehen, als sie sich selbst genau ansahen, und es entstand hierüber ein lautes Gelächter. Ich trat alsdann auf und bat um Verzeihung, indem ich zugleich sagte, dass ich mein Versprechen erfüllt, Raben gemacht und dass sie auch Hähne mit Hühnern gesehen hätten. Man dankte mir für meinen Scherz und bat mich, dass ich doch zur Kurzweil noch etwas erzählen möchte. Ich fing hierauf, weil doch hübsche Leute aus der Stadt zugegen waren, folgende Erzählung an, die ich ehemals bei dem Schulmeister in einem Buch gelesen und mir gemerkt hatte:

Hans führt einmal, es sei, warum es sei,
sein schönes Weib beim Edelhof vorbei.
Der Junker ward sogleich von solcher eingenommen;
»Wo hast du, Hans, dies schöne Weib bekommen?
Hans, ist’s nicht wahr, ich küsse sie …?«
Hans zieht den Hut: »Sie geben sich viel Müh;
Sie wollen mich dadurch doch nur so hoch beehren …«
»Wie? Wolltest du mir das bei deiner Frau verwehren?
Von meiner sollst du einst den Kuss zurückbegehren …«
Hans glaubt das nicht; doch um nicht grob zu sein,
Und weil’s sein Junker war, ging er den Vorschlag ein.
Der Junker legt, den Kuss recht anzubringen,
das Weibchen an die Wand. Das Weibchen schämte sich.
Als eine Woche d’rauf verstrich,
vermählte sich der Herr und ließ vor allen Dingen,
des Wortes eingedenk, schnell Hans vor sich bringen.
Hans küsst’ die gnädige Frau, und ließ sich gar nicht zwingen.
»Je, Herr, je, dass dich doch …
da Sie mein Weib geküsst, dass Sie nicht weiter gingen.«

Nach dieser Erzählung, mit welcher die Gesellschaft zufrieden zu sein schien, spielten wir ein Pfänderspiel und begaben uns hier­auf in die Schenke, wo der noch übrige Rest der Zeit mit Tanzen und Spielen recht vergnügt zugebracht wurde.