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Slatermans Westernkurier Ausgabe 09-2024

Auf ein Wort, Stranger, heute dreht sich alles rund um die Postkutsche

Im amerikanischen Westen wimmelte es nur so von Postkutschen – und Expresslinien.

Unternehmen konkurrierten um Passagiere, Fracht und, was am wichtigsten war, lukrative Postaufträge der Regierung. Obwohl sie oft von unmenschlichen Wetterbedingungen heimgesucht wurden – Sandstürme, Hitzewellen von 40 Grad und mehr, Präriefeuer, Blitzeis und Hagelschlag mit faustgroßen Eiskörnern, Herbststürmen und Blizzards, die meterhohen Schnee und eine Kälte mitbrachten, die so eisig war, dass sogar Bäume und Felsen zersprangen –, trotzten die Postkutschenlinien während der Expansion nach Westen tapfer all diesen Gefahren und erfüllten trotz vieler Schicksalsschläge ihren Beförderungsauftrag.

Auch Angriffe von Banditen und Indianern oder tückisches Gelände schreckte sie nicht, genauso wenig wie ihre Passagiere, für die Postkutschenfahrten oft die einzige Möglichkeit waren, einigermaßen sicher von A nach B zu kommen. Alleinreisende waren in der Regel immer das Ziel von Überfällen.

Dabei waren solche Fahrten mit der Postkutsche alles andere als ein Zuckerschlecken. Captain William Banning beschrieb solch eine Fahrt 1928 in seinem Buch Six Horses wie folgt: »Füße verschränken sich, Köpfe stoßen sich, Freund und Feind bekommen gleichermaßen einen harten Knuff gegen Schultern oder Rücken. Dickbäuchige Herren und alte Jungfern werden plötzlich in die Arme ihres Sitznachbarn geworfen; Kinder schießen wie Eichhörnchen in einem Käfig umher. Wenn es regnet, wirken die Kleider wie nasse Teppiche, wenn es heiß und trocken ist, legt sich der Staub, den die Kutsche aufwirbelt, wie eine zweite Haut auf den Körper. Man isst ihn, man trinkt ihn, man atmet ihn ein. Ist es nicht herrlich, in einer Kutsche zu fahren?«

Obwohl es für die verschiedensten Zwecke die unterschiedlichsten Kutschen gab, war die sogenannte Concord Stagecoach das am häufigsten eingesetzte Modell. Dieses von der Abbott und Downing Company erstmals 1827 gebaute Modell hatte an der Unterseite Lederriemenstreben, die dem Gefährt eine schwingende Bewegung verlieh, anstelle der bis dahin üblichen Federaufhängung, welche die Passagiere bei jedem zurückgelegten Yard dermaßen durchschüttelte, das diese spätestens beim Halt an der nächsten Station erst einmal fünf Minuten lang ihre Knochen sortieren mussten, bevor sie aussteigen konnten.

Was die Fracht- und Postkutschenlinien betraf, so gab es in ihrer Blütezeit zwischen 1850 und 1875 derer mehr, als sich irgendein Mensch merken konnte. Die Leavenworth & Pikes’s Peak Express Company von Mayors, Russell und Wadell, Donald Greens Cannonball Stage Line oder Maurison & Co Express sind nur einige davon.

Als die Eisenbahn aber immer weiter nach Westen drang, wurde der Postkutschenverkehr immer weniger gefragt, bis er schließlich mit der Fertigstellung der transkontinentalen Eisenbahn 1869 praktisch endete. Letztendlich konnten sich nur drei der Postkutschenlinien behaupten und ins 20. Jahrhundert hinüber retten. Die Rede ist hierbei von John Butterfields Overland Mail Company, Wells Fargo & Co und der Holladay Overland Mail and Express Company. Aus Butterfields Firma wurde American Express, Wells Fargo ist noch heute im Bank- und Transportwesen eine große Nummer und Holladay, der die Zeichen der Zeit rechtzeitig erkannte, verkaufte an Wells Fargo, als es sich für ihn noch lohnte.

Postkutschen existierten dennoch weiterhin, schließlich gab es im dünnbesiedelten Westen immer noch Gebiete ohne Eisenbahnverbindungen, in denen Kutschen lukrativ waren. Dort gab es natürlich auch viele lokale Familienbetriebe, die aber auf Dauer dem Einfluss, der Logistik und dem Knowhow der erwähnten Drei nichts entgegenzusetzen hatten.

Gewiss sollten das Engagement und die Visionen der Gründer der Postkutschenlinien nicht vergessen werden, aber ohne ihre Arbeiter, und damit sind insbesondere die Kutscher gemeint, wäre all dies in der kurzen Zeit damals nie möglich gewesen.

*

Von der Postkutsche und ihren Besitzern nun zu den Arbeitern und Angestellten dieser Firmen.

Entlang der Strecken wurden etwa alle 12 Meilen Stationen eingerichtet, wobei es derer zwei verschiedene Arten gab. Die größeren Stationen, Home Stations genannt, wurden im Allgemeinen von einem Paar oder einer Familie betrieben und lagen etwa 50 Meilen auseinander.

Sie boten Übernachtungsmöglichkeiten und einfache Mahlzeiten, wobei sich die Übernachtung meistens auf eine Decke und einen Platz auf dem festgestampften Lehmboden im Haus beschränkte.

Zu diesen Stationen gehörten auch Ställe, in denen die Wechselgespanne untergebracht waren, eine Schmiede und eine Reparaturwerkstatt. Hier wurden auch für gewöhnlich die Kutscher gewechselt und nicht selten gab es einen Telegrafen.

Die kleineren, Swing-Station genannten Raststellen hingegen bestanden selten aus mehr als einer Hütte und einem Stall und wurden im Allgemeinen von Junggesellen betrieben. Hier hielt die Kutsche nur etwa zehn Minuten, um den Passagieren die Möglichkeit zu geben, sich die Füße zu vertreten oder ihre Notdurft zu verrichten, während die Kutscherpferde frisches Wasser und ein paar Minute Ruhe bekamen.

Zu diesem Zeitpunkt (um 1860) gab es zwischen Kansas und Kalifornien mehr als 150 Stationen.

Im Gegensatz zu Stationen in dicht besiedelten Gegenden hatten die Betreiber von Raststellen, die in der Wildnis lagen, ein deutlich härteres Los. Wie die Kutscher mussten auch sie ständig mit Angriffen von Indianern und Banditen rechnen, die es auf ihre Pferde, Lebensmittel und Gerätschaften abgesehen hatten.

Auch der Beruf eines Postkutschenfahrers (engl. Coach Driver), obwohl er auf den ersten Blick nicht so gefährlich erscheint wie etwa der eines Cowboys, Soldaten oder Gesetzesbeamten, erforderte mindestens ebensolchen Mut, Durchsetzungsvermögen und einen starken Charakter.

Nicht jeder war dieser Arbeit, die eine ausgezeichnete Reitkunst, Fahrkünste und Mut erforderte, gewachsen, da sie durch feindliches Indianergebiet reisten und ständig das Ziel von Banditen waren.

Obwohl eigentlich ein reiner Männerberuf sind auch einige Frauen als Fahrerinnen tätig gewesen, als da zum Beispiel Mary Fields oder Delia Haskett Rawson wären.

Genauso wie die Postkutschenkönige Wells und Fargo, Butterfield oder Holladay zu Berühmtheiten wurden, fanden sich auch unter den Postkutschenfahrern Namen, die Geschichte schrieben.

Einer davon ist Charley Parkhurst, auch bekannt als einäugiger Charley oder als Sechsspänner-Charley, ein tabakkauender, fluchender und trinkfester Driver aus Kalifornien, der seine Kutsche so beherrschte, dass der San Francisco Morning Call einmal über ihn schrieb:

»Er war wohl der geschickteste und berühmteste Fahrer Kaliforniens und es war immer eine Ehre, in der Kutsche zu sitzen, auf deren Bock Charley Parkhurst die Zügel in der Hand hielt.«

Als man ihn am 18. Dezember 1879 tot in seinem Bett fand, war die Überraschung im ganzen Land riesengroß. Wie ein Lauffeuer ging es von Haus zu Haus, Charley war nicht die Person, für die sie jedermann gehalten hatte.

Charley war eine Frau!

Sie wurde 1812 als Charlotte Darkey Parkhurst in New Hampshire geboren und wuchs in einem Waisenhaus auf, bevor sie als Junge verkleidet davonlief. Der Trick funktionierte so gut, dass sie in einem Mietstall in Worcester, Massachusetts, Arbeit fand, was ihr als Mädchen niemals möglich gewesen wäre. 1849 gingen zwei von ihren Freunden, James Birch und Frank Stevens, nach Kalifornien, wo sie mehrere kleine Postkutschenlinien zur California Stage Company zusammenschlossen. Charley folgte ihrem Ruf nach Kalifornien und begann dort als Coach Driver zu arbeiten. Um nicht aufzufallen, trug sie Sommer wie Winter Handschuhe, um ihre kleinen Hände zu verbergen, und Plisseehemden, um ihre Figur zu kaschieren. Schnell erwarb sie den Ruf als einer der besten Driver an der Westküste. Das Ganze ist umso bemerkenswerter, wenn man weiß, dass sie kurz nach ihrer Ankunft in Kalifornien von einem Pferd getreten wurde und daraufhin die Sehkraft eines Auges verlor.

Nachdem sie die Arbeit als Kutscher aufgegeben hatte, verdiente sie ihr Geld noch als Holzfäller und Hühnerzüchterin, bevor sie sich in Kalifornien nach Watsonville zurückzog, um auf ihre alten Tage noch ein ruhiges Leben zu führen.

*

Ein weiterer Fahrer, der zur Legende wurde, war George »Baldy« Green. Er war einer der besten und beliebtesten Coach Driver im Sierra-Gebiet und fuhr in den 1860er Jahren für die Pioneer Stage Company die Route zwischen Placerville, Kalifornien, und Virginia City in Nevada.

Er war beliebt, ein Könner auf dem Bock und ein grundanständiger Mensch. Aber er war auch gleichzeitig der größte Pechvogel, der jemals auf einer Kutsche gesessen hatte.

George soll ein gutaussehender, für damalige Verhältnisse hünenhafter Mann von etwa 1,80 Meter Größe mit einem sichelförmigen, großen und glänzenden Schnurrbart gewesen sein. Allerdings hatte er im Gegensatz zu seiner Mundpartie auf dem Kopf keine Haare, was ihm schon bald den Spitznamen Glatze einbrachte.

Angelockt durch sein Können mit den Pferden und dem Zügelwerk fuhren viele berühmte Leute in seiner Kutsche mit. US-Vizepräsident Schuyler Colfax, Postkutschenmagnat Ben Holladay oder Horace Greeley, Zeitungsverleger und Gründer der New York Tribune, um nur einige zu nennen. Aber dann kam der 22. Mai 1865 und der Beginn einer geradezu unglaublichen Pechsträhne. An diesem Tag überfielen ihn in der Nähe von Silver City in Nevada drei Männer und erbeuteten Gold und Dollars im Wert von 10.000 Dollar. Aber das war erst der Anfang. Die Straßenräuber ließen ihn nicht in Ruhe, sondern überfielen ihn noch so oft, dass allmählich auch die Zeitungen auf ihn aufmerksam wurden. Es schien, als hätten sich alle Banditen Nevadas gegen ihn verschworen.

Danach herrschte zwar für viele Monate Ruhe, bis er am 10. Juni 1868 erneut überfallen und ausgeraubt wurde. Als sich kurz darauf zwei weitere Überfälle ereigneten, war das Greens Ende als Driver. Man weiß heute noch nicht, ob ihn die Postkutschengesellschaft als Pechvogel ansah, oder ihn gar verdächtigte, selber irgendwie in die Raubüberfälle verwickelt zu sein, jedenfalls wurde er entlassen.

Baldy Green verließ die Gegend, Jahre später hörte man, dass er im Humboldt County seinen Lebensunterhalt als Friedensrichter verdiente.

*

Zum Abschluss der Kolumne wollen wir noch auf ein paar typische Begriffe der Postkutschenszene eingehen, die so manchen Außenstehenden wahrscheinlich spanisch vorkommen dürften.

Brother Whip oder einfach nur Whip wird der Postkutschenfahrer genannt, Shotgun Messenger der bewaffnete Begleitfahrer. Groom wird ein Stallbursche genannt, der sich um die Pferde kümmert, Johnnycake ein Art Maisbrot, das Reisende oft bei Kutschenstopps an den Swing Stationen angeboten wurde. Staffel bedeutet ein Pferde- oder Maultiergespann, das an der Station bereitgehalten wurde, um das Gespann der ankommenden Postkutsche abzulösen.

Inszenierung nannte man das Geschäft des Transports von Personen und Post mit der Kutsche, Lauf die Distanz zwischen den Stationen.

Das Wort Near bezog sich auf die Pferde oder die Maultiere, die auf der linken Seite des Gespanns am weitesten vom Fahrer entfernt waren, während mit dem Wort Off die Pferde oder Maultiere gemeint waren, die auf der rechten Seite des Gespanns dem Fahrer am nächsten waren.

Bänder bedeuteten nichts anderes als Zügel und mit Turnpike ist eine Hauptstraße gemeint, auf der die Reisenden eine Gebühr, heute Maut genannt, bezahlen mussten.

Damit verabschiedet sich der Westernkurier bis nächsten Monat.

Euer
C.C.Slaterman

Quellenhinweis:

• Daniel R. Seligman/Kathy Alexander, Legends of America 2022

ndr.de

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