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Die wunderbare und merkwürdige Geschichte vom Zauberer Virgilius … Teil 5

Oskar Ludwig Bernhard Wolff
Die wunderbare und merkwürdige Geschichte vom Zauberer Virgilius,
seinem Leben, seinen Taten und seinem Ende
Volksbücher Nr.46, Verlag Otto Wigand, Leipzig

Wie ein anderer Zauberer dem Kaiser zu Hilfe kam, aber doch nichts über den Virgilius vermochte

Als der Kaiser und sein Heer sich in so schlechter Lage vor des Virgilius Schloss befanden, kam ein Mann, der sehr erfahren in der schwarzen Kunst sein wollte und sagte, dass er imstande sei, den Virgilius und dessen Leute sämtlich in tiefen Schlaf zu versenken. Dies führte er auch aus, doch so, dass Virgilius selbst nur mit Mühe den Schlaf von sich abwehrte. Darüber wurde derselbe sehr traurig und wusste nicht, was zu beginnen, denn des Kaisers Kriegs­knechte waren dadurch befreit worden und begannen sein Schloss zu bestürmen. Virgilius schlug nun sein geheimstes und schwierigstes Zauberbuch auf und er holte sich in dem­selben Rates; da fand er denn ein Mittel, durch welches er die seinen vom Schlaf erlöste und den Kaiser von Neuem zum Stillstehen zwang, sodass weder dieser, noch seine Kriegsknechte, noch der Zauberer selbst sich rühren oder bewegen konnten, als ob sie tot seien. Die, so sich auf den Sturmleitern befanden, standen da mit einem Fuß auf der Leiter und mit dem anderen auf der Mauer, und mussten unbeweglich so bleiben nach des Virgilius Wohlgefallen. Darüber wurde der Kaiser heftig ergrimmt und zornig und fragte seinen Zauberer, wie lange das dauern solle. Dieser gab ihm aber keine Antwort, sondern sprach mit Virgilius und sagte, er wolle schon seine Kunst an ihm beweisen. Virgilius antwortete ihm, er möge nur tun, was irgend in seinen Kräften stehe; er, Virgilius, halte weder ihn noch alles, was er zu leisten vermöge, eines Strohhalms wert.

So hielt denn Virgilius dem Kaiser und dessen sämt­liches Kriegsvolk einen ganzen Tag lang in der Luft ge­fangen, bei Nacht aber kam er zu dem Kaiser und sagte: »Es ist eine Schande, dass ein so vornehmer Fürst den Weg versperrt und etwas unternimmt, das er nicht ausführen kann.«

Da antwortete ihm der Kaiser: »So Ihr diesmal mir helft aus dieser Gefahr, will ich Euch alle Eure Ländereien und Eigentum herausgeben und alles soll geschehen, wie Ihr es verlangt.

Virgilius aber entgegnete: »Herr Kaiser, ich will Euch aus dieser Gefahr befreien, wenn Ihr mir Eure Gnade angedeihen lasst.«

»Ja«, versetzte der Kaiser, »ich schwöre bei meiner Krone, ich erkenne Euch als meinen Ver­wandten an und wünsche mit Euch in Freundschaft zu leben.«

Nun entfernte Virgilius die Befestigung und empfing den Kaiser und dessen Heer in seiner Burg, wo Gold und Silber die Fülle war, und bewirtete sie reichlich, je nach ihrem Rang mit den leckersten Speisen und Getränken, so sie nie vorher in ihrem Leben weder gesehen noch gekostet hatten.

So prachtvoll, wie der Kaiser nun bedient wurde, war er es nie vor­her gewesen und wurde es nie wieder. Virgilius aber beschenkte jeden, je nach seinem Stand, mit vielen kostbaren und sel­tenen Gaben.

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