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Jim Buffalo – 29. Abenteuer – Kapitel 1

Jim Buffalo,
der Mann mit der Teufelsmaschine
Veröffentlichungen aus den Geheimakten des größten Abenteurers aller Zeiten
Moderner Volksbücher-Verlag, Leipzig, 1922
Das 29. Abenteuer Jim Buffalos
Eine Verbrecherjagd im Luftballon
1. Kapitel

Mit dem Raub durch die Luft

Heller Sonnenschein flutete über den Humboldt Park, einer jener herrlichen Anlagen Chicagos, die sonntags den Sammelpunkt der Chicagoer Bevölkerung bildeten.

Auf den kleinen, durch Kanäle vom See her künstlich angelegten Seen schossen kleine Ruderboote mit frohen, jauchzenden Menschen hin und her, während aus einem Musikpavillon herüber muntere Weisen ertönten.

Den Hauptanziehungspunkt bildete ein großer Fesselballon, den ein smarter Yankee hier aufsteigen ließ; und für wenige Cents konnte man das Vergnügen genießen, sich die Welt einmal von oben herab anzuschauen.

Die Kasse zu dem Ballonaufstieg war denn auch immer dicht umlagert und brachte dem Balloninhaber ein glänzendes Geschäft.

Plötzlich durchbrachen den Menschenstrom, der um den Ballonplatz herumflutete, zwei elegant gekleidete Herren, indem sie sich rücksichtslos mit den Armen Bahn brachen.

»Well, eine Fahrt für uns beide allein!«, wandte sich der eine der Herren befehlend an den Ballon­besitzer, eine Hundert-Dollar-Note auf den Zahltisch werfend.

Ein solch gutes Geschäft für wenige Minuten wollte sich der Ballonbesitzer natürlich nicht ent­gehen lassen, und wenn auch die Umstehenden fluchten und schimpften, und ungestüm nach der kleinen Ballontreppe drängten, so blieben doch die beiden Herren Sieger und stiegen gleich darauf, von Spottreden begleitet, in den blauen, wolkenlo­sen Himmel hinauf.

Die knarrende Winde mit dem Haltetau war bereits abgelaufen und der Ballon schwebte nun in etwa dreihundert Meter Höhe majestätisch in sei­nem Element, als plötzlich sich der eine der Herren über den Gondelrand beugte.

Die Aufschauenden stießen laute Schreckensrufe aus, weil sie vermeinten, dass er sich herabstürzen wolle.

In seiner Rechten schwang er eine kleine, blit­zende Axt, und ehe sich die Umstehenden von ihrem Erstaunen erholen konnten, hatte er mit ein paar kräftigen Hieben das starke Seil durchhauen, und seines Halts beraubt schoss der Ballon gleich darauf wie ein Pfeil in die Höhe.

Ein hundertstimmiger Entsetzensschrei folgte dieser unerklärlichen Tat.

Dutzende von Händen versuchten das Seil zu erha­schen, und in ihrem Übereifer hatten sich auch einige Burschen daran gehängt, natürlich mit dem Resultat, dass sie durcheinander zu Boden fielen, denn das Seil war ja oben am Gondelkorb abge­schlagen worden.

In das schadenfrohe Gelächter der Umstehenden mischten sich nun einige Rufe: »Ein paar Wahnsinnige! Schießt sie herunter!«

Und schnell, wie die Amerikaner in ihren Hand­lungen sind, hatten einige Männer ihre Revolver herausgerissen und schossen in die Luft hinauf.

Aber der Ballon war schon viel zu hoch gestie­gen, dass ihn die Revolverkugeln gar nicht mehr zu erreichen vermochten, und schwebte nun, von einer leichten Brise gefasst, ostwärts, zum See hinüber.

Der Balloninhaber rang verzweifelt die Hände.

Die Menschenmenge stand noch immer im Ban­n dieser scheinbar wahnsinnigen Tat, als vom Eingang des Parkes her laute Rufe ertönten.

»Haltet die Schurken! Nehmt sie fest!«

Aber die Polizisten, die diese Rufe ausgestoßen hatten und nun, das Menschenknäuel durchbre­chend, heranstürmten, hatten gut rufen, denn die von ihnen Verfolgten waren ihnen längst entrückt, und von oben herunter winkten sie höhnisch den Hütern des Gesetzes zu.

Die Leute hatten sofort begriffen, dass es sich hier nicht um eine Wahnsinnstat handeln konnte, und stürmten mit Fragen auf die Polizisten ein.

»What is the matter? Was ist mit den beiden Burschen los?«

»Bei Perkins sind sie eingebrochen und haben Edelsteine im Wert von zwanzig Millionen Dollar mitgehen lassen!«

»Damned, solche Spitzbuben! Deshalb waren sie so freigiebig!«

Perkins war einer der ersten Juweliere der Stadt und seine Kundschaft rekrutierte sich aus den Mil­lionären der Stadt.

Am helllichten Tag waren die frechen Diebe eingedrungen und hatten, trotzdem dass die Schau­fenster nicht geschlossen waren, den frechen Dieb­stahl ausgeführt. Und es mussten Kenner von guten Steinen gewesen sein, denn sie hatten ihre Aus­wahl nur unter den teuersten Steinen getroffen.

Und zwanzig Millionen Dollar waren selbst für den reichen Perkins ein Objekt, das ihn unter Um­ständen ruinieren konnte, denn unter den geraubten Sachen befanden sich einige nur zu Reparatur übergebene Schmuckstücke, die einen bedeutenden Wert darstellten und wegen ihrer Seltenheit gera­dezu unersetzlich waren.

Man sah es Mister Perkins, der gleich darauf auf einem Auto herangerast kam, auch an, wie schwer ihn dieser verwegene Diebstahl getroffen haben musste.

Wachsbleich, wie eine Leiche, lehnte er in den schwellenden Kissen, kaum fähig, sich zu erheben. Er wäre beim Aussteigen zusammengebrochen, wenn einige rasch hinzuspringende Herren seiner Bekanntschaft ihn nicht gestützt hätten.

»Ich bin verloren, ich bin ruiniert!«, ächzte der Juwelier, mit den Händen nach dem immer mehr entschwindenden Ballon hinaufdeutend.

»Eine Million Dollar, wer mir die Schurken wie­derbringt!«

Aber er hätte zehn und noch mehr bieten können, es wäre keiner menschlichen Gewalt möglich ge­wesen, den in schwindelnder Höhe schwebenden Ballon wieder herunterzuholen. Die Diebe hatten ihre Tat meisterhaft vorbereitet.

Hilflos, einem Wahnsinnigen gleich, blickte sich der unglückliche Juwelier im Kreise um.

Da weiteten sich seine starren Augen, wie ein Hoffnungsschimmer klomm es in ihnen auf, und mit ein paar Sätzen, die man dem dicken, wohlbe­leibten Herrn gar nicht zugetraut hätte, stürzte er auf ein am Wagenplatz haltendes Auto zu, den Führer desselben, der interessiert dem Flug des Ballons folgte, am Arm fassend.

»Mister Jim Buffalo, Sie kommen mir wie ein Engel vom Himmel! Sie müssen mich retten, müssen mir meine Steine wieder verschaffen!«

Es war in der Tat Jim Buffalo, der mit seinem Teufelsauto hier hielt und auch ganz erstaunt war, den Fesselballon auf einmal freischwebend zu sehen.

»Hallo, Mister Perkins?«, begrüßte er den ihm bekannten Juwelier lachend.

»What is the matter? Ist ihnen Ihre Tochter Lizzy auf so romantische Weise mit einem Ihnen unliebsamen Liebhaber durchgebrannt? Well, da werden Sie wohl nun Ja und Amen sagen müssen, wenn sich das verliebte Mädchen nicht aus der Luft herunterstürzen soll?

Und – indeed – der smarte Gedanke, eine Ent­führung durch die Luft, verdient es wirklich, mit dem väterlichen Segen belohnt zu werden. Muss doch ein heller Kopf sein, Ihr zukünftiger Schwiegersohn?!«

Der dicke Perkins, ganz puterrot vom raschen Lauf, japste förmlich nach Luft.

»Unsinn, Mister Buffalo!«, würgte er hervor. »Ein paar ganz niederträchtige Schurken sind es, die mir einen Besuch abgestattet haben! Zwanzig Millio­nen haben mir die Schufte gestohlen!«

»Donnerwetter!«

»Well, ich kann doch aber nicht durch die Lüfte fahren?«

»Ach was, ewig kann ja die Fahrt nicht währen. Die Schufte müssen ja wieder herunterkommen!«

»Und einstweilen fliegen sie zu den kanadi­schen Wäldern hinüber oder gar zum Nordpol hinauf!«

»So weit kommen sie sicher nicht!«, wandte hier der Ballonbesitzer ein, der herzugeeilt war.

»Der Ballon wird nur durch Heißluft getrieben und die elektrische Heißluftbatterie kann, da der Strom unterbrochen ist, höchstens für zwei bis drei Stunden Betriebsluft liefern. Folgen Sie den Schuf­ten, und wenn Sie mir die Ballonhülle, die Halun­ken mögen meinetwegen Hals und Beine brechen, unversehrt zurückbringen, zahle ich noch fünftau­send Dollar zu!«

Inzwischen hatten auch die Umstehenden begrif­fen, um was es sich handelte.

»Hurra für Jim Buffalo!«, jubelten sie dem Mann zu. »Drauf auf die Halunken! Mit der Teufelsma­schine muss es eine Lust sein, die Kerle zu Tode zu hetzen! Hundert Dollar, dass Sie die Schufte zur Strecke bringen!«

»Zweihundert, dreihundert, fünfhundert Dollar!«, hallte es in der Runde. Die Wettlust war geweckt worden und sofort hatte sich ein fliegender Totali­sator gebildet, der die verschiedenen Wetten an­nahm.

Keiner dachte mehr an die eigentliche Ursache. Die Wettlust hatte alles andere in den Hintergrund gedrängt und in wenigen Minuten waren solche Riesensummen gezeichnet, wie sie irgendein ande­rer Renntyp noch nie aufzuweisen hatte.

Jim Buffalo saß indessen noch ruhig auf seinem Auto, die Augen zum immer mehr ent­schwindenden Ballon gerichtet, der auf den See hinausgetrieben war und nun nach Nordosten zu, zu der kanadischen Seite hinaufgetragen wurde.

Seine Höchststeigung mochte er allerdings er­reicht haben, denn er hielt sich nun in derselben Höhe, und selbst das Überbordwerfen aller mögli­chen Gegenstände brachte wohl eine momentane Steigung, doch sank der Ballon bald wieder herun­ter.

»Sehen Sie, ich habe es Ihnen gleich gesagt«, triumphierte der Ballonbesitzer.

»Jetzt geht den Schuften schon die Puste aus, und lange wird es nicht mehr währen und sie sitzen fest!«

»Und deshalb müssen Sie ihnen nach, Mister Buffalo!«, drängte Mister Perkins.

»Hurry up now! Ein Cher für das Teufelsauto!«, jubelte die Menge.

»Ich zahle Ihnen zehn Prozent! Retten Sie mich!«

»Well, versuchen will ich es!«, versetzte endlich Jim Buffalo, der zu einem Entschluss gekommen war.

»Es wäre zwar Sache der Polizei gewesen, die Kerle abzufangen, aber sie kommt meist immer zu spät, wenn sie gebracht wird!«

Ein schallendes Gelächter folgte diesen Worten, und fluchtartig stoben die Polizisten davon, um den Spötteleien zu entgehen.

»Gott sei Dank, Mister Buffalo!«, atmete der Juwelier auf, krampfhaft dessen Hand drückend. »Jetzt kann ich ruhig nach Hause fahren! Sie wer­den mir meine Steine sicher wieder zur Stelle schaffen!«

Jim Buffalo war vom Führersitz gesprungen und hatte den Motor angestellt.

Ein Rattern und Knattern schüttelte den gewalti­gen Wagen, der wie ein gebändigtes Ungetüm hin und her schwankte, nur auf den Moment wütend, auf seine Beute losgelassen zu werden!«

»Platz für die Teufelsmaschine!«, donnerte eine tiefe Stimme durch den Jubel.

Wie ein aufgescheuchter Bienenschwarm stob die Menge auseinander, im nächsten Augenblick eine breite Gasse freilassend, durch die Jim Buffa­lo, begleitet von den Hurrarufen der tausendköpfi­gen Menge, davonraste.