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Lara Lorenz – Unsterbliche Jäger

Lara Lorenz
Unsterbliche Jäger
Urban Fantasy,Fantasy-Krimi, Taschenbuch,‎ Independently published, 5. August 2015, 594 Seiten, 15,99 EUR, ISBN: 9781719840934

Klappentext

Eine Mordserie in London scheint zunächst ein leichter Job zu sein, doch dann steht Catherine vor einer Herausforderung, bei der sie schon einmal versagt hat. Zum zweiten Mal in ihrem Vampir-Dasein muss die Jägerin nun versuchen, das Monster von Whitechapel zur Strecke zu bringen. Sie hat ihr einstiges Versagen noch nicht verwunden, außerdem nervt sie der Vampir Pharrell, den ihr der Ältestenrat für diese Jagd zur Seite stellt. Und der Mörder spielt ein Spiel, bei dem er ungeahnte Verbündete hat und ein Ziel, welches alles bedroht, woran Catherine und Pharrell glauben. Ohne der Menschheit die geheime Gesellschaft der Vampire zu offenbaren, jagen sie um die Welt und stoßen auf immer mehr Rätsel. Und was verbindet Catherine mit dem Serienkiller, der seit Jahrhunderten mordet? Als die beiden Jäger mit ihren Nachforschungen auch noch die katholische Kirche auf den Plan rufen, gerät die ganze Jagd außer Kontrolle und sogar der Ältestenrat scheint zu zerbrechen.

Leseprobe

Prolog

Das Atmen wurde schwerer, je schneller sie rennen musste. Und sie musste schnell sein, ihre Kraft schwand. Entfernt konnte sie schon die Lichter einer größeren Straße sehen. Dort würden Menschen sein, Hilfe und Licht. Im Moment bedeutete Licht die Rettung. Hinter ihr ertönte wieder das Knurren ihres Jägers, bedrohlich und wie ein tödliches Versprechen. Sie würde die Straße nicht erreichen. Die beiden tiefen Schnittwunden in ihrem Bauch schwächten sie, ihre braunen Haare hingen nass und strähnig in ihr Gesicht, ihre Augen hatten Mühe, sich auf einen Punkt zu konzentrieren.

Zwei ihrer Zähne waren ausgeschlagen, sie schmeckte das Blut in ihrem Mund, metallisch und ekelerregend. Taumelnd fiel sie hin, die Hände vor sich, um den Sturz abzumildern. Verzweifelt versuchte sie aufzustehen, jeder Atemzug eine Qual aus Schmerz und Verzweiflung. Sie sollte schreien, um Hilfe rufen, aber das Blut, welches ihren Mund füllte, verhinderte dies ebenso wie die Schmerzen in ihrer Körpermitte. Dunkle Flecken schoben sich vor ihr Sichtfeld, je mehr Blut sie verlor. Plötzlich war er über ihr, die silbrigen Augen zu einer bösen Grimasse verzogen, kalter Hass spiegelte sich darin.

»Du wirst der Anfang sein«, knurrte das dunkle Wesen über ihr. Die nahezu menschlichen Züge konnten das Monster in ihm nicht überdecken. Sie spürte etwas an ihrer Kehle und plötzlich wurde es warm. Sie bekam keine Luft mehr. Sie konnte nicht mehr schreien.

Der letzte bewusste Blick galt dem Wesen über ihr, das triumphierend immer näher kam …

 

Cat, London, heute, 2038

Wie immer, wenn ich in London aus dem Flughafen kam und in ein Taxi stieg, hasste ich diese Stadt. Ich lebte schon so lange hier, ich hatte das Recht, diesen Ort zu hassen. Mir hatte sie zu Zeiten Heinrichs des VIII mehr zugesagt, obwohl damals der Gestank schlimmer war. Aber der heutige Smog war auch nicht viel besser, jedoch hatte der damalige Gestank zumindest etwas Ursprüngliches. Heute fühlte ich mich hier weniger zuhause als je zuvor. Spätestens seit dem Bau des London Eye ging es mit der Stadt bergab. Zahllose Touristen drängelten sich am Flughafen, und ich war erleichtert, Richtung Kensington unterwegs zu sein, freute mich auf mein kleines, viktorianisches Häuschen. Wenigstens dort war die Welt noch in Ordnung. Sobald ich die Tür zu meinem Haus hinter mir zuzog, konnte ich abschalten.

Der letzte Auftrag war schwierig gewesen, eine Hetzjagd zwischen Regenwald und den urbanen Metropolen in Mittelamerika, ständig zwischen den Schauplätzen wechselnd, von Slums zum Dschungel. Natürlich keine schwierige Jagd, aber anstrengend. Der Vampir hatte keine Chance gehabt, als ich ihn erwischte. Ein kleiner Pfeil mit einem extra synthetisierten Enzym aus einem Blasrohr, und er war verbrannt. Ich bedauerte die Toten, die er auf seiner Reise hinter sich gelassen hatte, unzählige hübsche junge Frauen, die zum Teil nicht mal vermisst werden würden. Ich seufzte auf. Ich hatte nichts gegen Vampire, wenn sie sich an die Spielregeln hielten. Die meisten taten es, ich ja auch. Aber einige gerieten außer Kontrolle und dann wurde ich gerufen, um sie zu erledigen. Sie riefen immer mich. Wer sonst sollte es tun?

Zuhause fütterte ich Nigel, meine Siamkatze, und bedankte mich artig bei meiner Nachbarin, die das die letzten zwei Wochen erledigt hatte. Nigel war genauso unabhängig wie ich, deshalb mochte ich ihn. Während ich mein Businesskostüm aufs Bett warf und mir einen gemütlichen Sweatanzug überzog, überlegte ich, Darius anzurufen. Ich konnte es genauso gut jetzt hinter mich bringen. So verhinderte ich wenigstens einen seiner aufgeregten Anrufe am frühen Morgen. Er akzeptierte es nicht, wenn andere Wesen seinen Tageszyklus nicht teilten. Als ich die italienische Nummer wählte, meldete sich Lucia, seine Sekretärin.

»Hi, hier ist Catherine. Ich möchte Darius sprechen.«

Allein mein Name reichte aus, um mich sofort durchzustellen.

»Hi Cat, Liebes. Hast du ihn erwischt?«

Ich seufzte. Immer die gleiche sinnlose Frage. Wenn ich ihn nicht erwischt hätte, würde ich nicht anrufen, dann wäre ich entweder noch auf der Jagd oder tot. Jäger zu sein war in unserer Welt gleichbedeutend mit Besessenheit.

»Würde ich sonst anrufen?«

Er lachte. Sein italienischer Akzent wirkte übertrieben. Die meisten wussten nicht, dass Darius nur schon lange in Italien lebte, als er jedoch vor 650 Jahren in Barcelona erschaffen wurde, war er Spanier gewesen. Zeiten änderten sich, Identitäten ebenfalls. Mittlerweile wurden kaum noch neue Vampire erschaffen, wir waren durch die veränderten Umstände, die hervorbrechende Technologie, vorsichtiger geworden und unsere Zahl blieb begrenzt. Vereinzelt wurden Gefährten geschaffen, aber nur wenige unserer Art hatten das Talent zur Langlebigkeit. Die meisten drehten schlicht und ergreifend nach ein paar Jahrzehnten oder spätestens Jahrhunderten durch. Ich selbst war eine der Ältesten, die ich kannte. Ich war mittlerweile seit 1488 auf dieser Erde, und ich hasste sie immer mehr. Ich sehnte mich nach anderen Zeiten zurück, obwohl ich die Annehmlichkeiten der modernen Welt sehr wohl schätzte. Mit dem Schiff nach Südamerika war es zu Zeiten Kolumbus noch eine ganz andere Reisedauer gewesen als mit einem bequemen Transatlantikflug in der ersten Klasse.

Ich war abgelenkt und hatte nur halb zugehört.

»… also dachte ich, du könntest das übernehmen.«

Ich bat ihn, den letzten Satz zu wiederholen, und entschuldigte mich mit Jetlag. Immerhin war ich seit zwei Wochen unterwegs. Ich brauchte ein wenig Schlaf und Ruhe, aber auch unsere Rasse benötigte Pausen.

»Ich fragte, ob du eventuell, wo du gerade in London bist, eine komische Mordserie untersuchen könntest?«

»Ich werde es mir ansehen, schick mir die Daten rüber. Aber erst mal werde ich schlafen. Ich bin seit zwei Wochen unterwegs. Ich wollte mich nur kurz melden und dir Bescheid geben.«

Er lachte auf, verabschiedete sich und ich legte auf. Ich zog mich auf die Couch zurück, ließ die Rollos mit der Fernbedienung herunter und war in Minutenschnelle eingeschlafen.

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war ich erholt. Der Mythos, dass Vampire in Särgen schlafen müssen oder nur tagsüber schliefen, war genauso falsch wie vieles andere über meine Spezies. Wir waren auch nicht mehr gefährlich für die Welt, zumindest gab nur selten einer von uns seiner Blutgier nach. Die wenigsten mochten diesen Teil der Existenz und wir konnten uns auch von menschlicher Nahrung ernähren. Natürlich würde es immer ein paar geben, die ich eliminieren musste, die die Spielregeln der Zivilisation nicht beachteten und die unsere so sorgsam geschützte Existenz bedrohten. Aus dem Badezimmerspiegel sah mir mein bleiches Gesicht entgegen. Die feuerroten Haare kringelten sich in langen Locken und meine blasse Haut war noch etwas bleicher als sonst. Die schwarzen Augen sahen müde aus, tiefe Schatten lagen darunter. Ich spritzte mir kaltes Wasser ins Gesicht und putzte mir die Zähne. Natürlich alle, auch die Fangzähne, die man nicht sah. Einige unserer Art hatten diese chirurgisch entfernen lassen.

Dafür hatte ich kein Verständnis. Wir waren keine Menschen und mich hatten die Jahrhunderte eines gelehrt: Man wusste nie, was noch kommen konnte.

Ich würde keine Waffe freiwillig hergeben, die mir die Natur oder die Kreatur, die mich verwandelt hatte, gegeben hatte. Menschen sahen die Fangzähne nur selten, das Prinzip funktionierte wie bei einer Schlange. Wir waren äußerlich nicht von der breiten Masse zu unterscheiden, wir jedoch erkannten uns immer. Es war wie ein elektromagnetisches Feld, das nur wir wahrnehmen konnten und für Menschenaugen verborgen blieb. Nicht, dass ich oft mit meinesgleichen Kontakt pflegte, es gab ein oder zwei Pflichtveranstaltungen im Jahr, auf denen man sich traf, ich hatte ein oder zwei Bekannte, aber London war meine Heimat und ein Dreh- und Angelpunkt in unserer Welt.

Rezension von Andreas Wy (Earl of Bookwood)

Zum Buch – es begeistert vollends.
Ein Vampirroman der anderen Art – ohne Klischees, Glitzervampire oder unnötige Spielereien.
Die Idee, dass Vampire auf die Jagd auf außer Kontrolle geratene Artgenossen gehen, ist für mich eine sehr angenehme Abwechslung und bietet neben einer atemberaubenden Story jede Menge Action, Blut und tolle Protagonisten, die Widerwillen zusammenarbeiten müssen und unterschiedlicher nicht hätten sein können. Das macht sie noch sympathischer, und sie ergänzen sich auf ihre verschrobene Art und Weise.
Womit mich das Buch aber vollends gefangen hat, ist der Auftritt eines mordlüsternen Giganten, dessen Geschichte mich schon seit Langem fasziniert – Jack The Ripper!
Auf perfide und blutige Art nimmt er den Leser und die Jäger des Buches auf eine Reise nach London zu den Originalschauplätzen, an denen die Rippermorde tatsächlich stattgefunden haben; und man fühlt sich ein wenig wie in einem historischen Roman, in denen auch die Grundfesten der katholischen Kirche zu einem gewissen Punkt auf die Probe gestellt werden.