Download-Tipp
Viktoria – Die Stunde null

Heftroman der Woche

Archive

Der Märkische Eulenspiegel 13

Der Märkische Eulenspiegel
Seltsame und kurzweilige Geschichten von Hans Clauert in Trebbin
Niedergeschrieben von Oskar Ludwig Bernhard Wolff
Leipzig, 1847
Überarbeitete Ausgabe

Hans Clauert, Schlosser aus Trebbin

Wie Clauert drei Schreiber auf die Schweinejagd führte

Eustachius von Schlieben, Hauptmann auf Trebbin und Zossen, hatte Clauert stets bei sich, besonders wenn er zu Trebbin war; denn dieser vertrieb ihm immer mit kurzweiligen Possen die Zeit. Weil nun für Clauert niemand zu klug war, dass er ihm nicht hätte als Narr dienen müssen, so legte ihm Eustachius von Schlieben alle möglichen Possen vor, die er ausführen musste.

So sagte er auch unter anderem einmal zu Clauert: »Lieber Hans, kannst du auch meine Schreiber verwirren?«

»Ja, Herr Hauptmann«, antwortete Clauert, »das will ich wohl tun, wenn Ihr mich nur in Schutz nehmen wollt.«

Dies versprach ihm der Herr von Schlieben. Nun war damals eine so strenge Kälte, dass alle Gewässer mit Eis bedeckt waren, und in einer Nacht fiel der Schnee fast knietief.

Da kam Clauert des Morgens früh in das Schloss zu Trebbin, nachdem er sich gewal­tig im Schnee gewälzt hatte, und sagte, er wisse ganz nahe ein ausgezeichnet schönes Schwein; er würde es auch gewiss gefangen haben, wenn er nur zwei Gehilfen bei sich gehabt hätte; denn er hätte sich dreimal mit dem Schwein im Schnee überworfen.

Der Hauptmann befahl die Netze aufzuladen und ließ seinen Die­nern melden, wer Lust hätte, mit auf die Schweinejagd zu ziehen, der solle sich nur bald fertig machen. Sowohl die beiden Amtsschreiber von Trebbin und Zossen als auch des Hauptmanns Geheimschreiber waren überaus froh, dass sie einmal die Erlaubnis hatten, auf die Jagd zu ziehen. Sie gedachten dabei eine ritter­liche Tat auszuführen und forschten daher aufs Sorgsamste, an welchem Ort das Schwein zu finden wäre. Clauert sagte, dahin wollte er sie bald bringen. Zwei von ihnen machten sich zu Fuß auf; der Amtsschreiber von Zossen aber, Antonius Schaff genannt, konnte nicht zu Fuß gehen. Dieser setzte sich daher auf einen Bauernwagen, der die Netze führte, und nahm dazu noch einen Fuchspelz um. So gingen und fuhren sie miteinander über den Galgenberg, wo Clauert die Netze aufzuziehen befahl und jeden Schreiber für sich besonders an einem Punkt vor den Netzen in den Sträuchern aufstellte, um dort auf das Schwein zu warten; denn dort sollte es herkommen.

Zu Antonius Schaff aber sagte er: »Lieber Herr Amtsschreiber, Ihr werdet Euch in dem Busch nicht gut mit dem Pelz behelfen können. Gebt mir ihn her, ich will Euch denselben tragen; und wartet Ihr an diesem Platz, denn das Schwein liegt nicht weit von hier. Ich will mit den Bauern von der Christindorfischen Furt her jagen.«

Den Bauern aber befahl Clauert, sie sollten nur weidlich schreien und hetzen, wenn sie auch nichts sehen noch spüren würden, und ging dann mit dem Pelz nach Trebbin zurück. Die Bauern, die wohl wussten, dass niemals ein Schwein dorthin gekommen war und dass auch keins dort zu finden sein würde, taten, wie ihnen Clauert befohlen hatte. Sie durchliefen das Gebüsch in die Quere und in die Länge, schrien und hetzten und kamen in mehr als drei Stunden nicht zu dem bestimmten Ort. So ließen sie denn die Schreiber mit ihren Schweinespießen warten, bis diesel­ben vor Kälte fast halb erstarrt waren. Da wurden sie endlich der Bauern ansichtig und fragten nach Clauert. Die Bauern aber sagten zu ihnen, Clauert sei gleich am Anfang wieder nach Trebbin zurückgegangen.

Die Schreiber konnten vor Kälte kaum noch stehen, und be­sonders Antonius Schaff, der nicht einmal gehen konnte, sondern wieder fahren musste. Sie wagten sich alle drei vor Scham nicht zu ihrem Hauptmann und hätten gern an Clauert Rache genommen, wenn sie ihn an einem passenden Ort bekom­men könnten.

Clauert aber hatte es längst vorher dem Herrn von Schlieben berichtet, wie die Sache angestellt und ausgerichtet worden wäre.

Deshalb fragte der Herr von Schlieben fortwäh­rend: »Wo sind denn meine Schweinestecher?«

Die Schreiber aber hätten darüber vor Wut zerbersten können.

Clauert aber, der hinter dem Kachelofen stand, nahm der Hauptmann von Schlieben in Schutz und sagte dagegen zu seinen Schreibern: »O ihr Toren! Ich hätte geglaubt, ihr wäret klug genug; wisst ihr denn nicht, dass Clauert ein Schalk ist, und glaubt doch seinen Worten? Und ihr lasst euch auch noch dazu die Pelze ausziehen, während ihr doch seine Büberei oft genug ge­sehen und erfahren habt? Wohlan, ihr sollt mit Clauert nicht zürnen, sondern ihm dies verzeihen, denn ich habe es ihm befoh­len.«

Hierauf gab er den Schreibern und Clauert bei ihrer Versöhnung so viel Wein, als sie nur trinken wollten, damit dieser Handel beigelegt werden konnte.

Als nun der Hauptmann und seine Schreiber miteinander fröhlich waren und der Hauptmann soeben in seinem Becher Rheinwein hatte, sagte er: »Ei Clauert, weil du meine Schreiber so schön angeführt hast, so sollst du auch aus meinem Becher trinken.«

Clauert schmeckte der Wein sehr gut. Da er aber den Becher auf einen Trunk nicht leeren konnte, sagte er: »Ei pfui dich, es sind doch Hopfenkörner darin! Der Wein muss wahrlich bis auf die Hefen abgezapft sein!«

Der Hauptmann erwiderte ihm: »Du Schelm! Du musst die Pestilenz gehabt haben! Wann hast du denn erfahren, dass man Hopfen in den Wein tut?«

So vergaßen sie also des Abends in aller Fröhlichkeit den Schimpf, welcher den Schreibern von Clauert war angetan worden.