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Secret Service Band 2 – Kapitel 12

Francis Worcester Doughty
Secret Service No. 2
Old and Young King Brady Detectives
Told by the ticker
Oder: Die zwei King Bradys in einem Wallstreetfall
Eine interessante Detektivgeschichte aus dem Jahr 1899, niedergeschrieben von einem New Yorker Detective

Wer kennt ihn nicht, den berühmten Detektiv Old King Brady, der mehr Rätsel gelöst hat als jeder andere Detektiv, von dem man je gehört hat.

In der Reihe der Geschichten, die in SECRET SERVICE veröffentlicht werden, wird ihm ein junger Mann zur Seite stehen, der als Young King Brady bekannt ist und dessen einziges Lebensziel darin besteht, Old King Brady darin zu übertreffen, gefährliche Fälle aufzuklären und die Verbrecher zur Strecke zu bringen. Wie gut ihm dies gelingt, wird in den folgenden, im SECRET SERVICE veröffentlichten Geschichten ausführlich geschildert.

Kapitel XII

Young King Brady ist ratlos

Diese rätselhafte Frage beschäftigte nun Young King Brady: Willard Hall war Witwer. Er hatte keine Tochter. Wer war dann die verschleierte Frau?

Eine Weile grübelte Young King Brady über das Rätsel nach. Er war entschlossen, es zu lösen. Es dauerte nicht lange, bis er einen Plan hatte, und er zögerte keinen Augenblick, ihn in die Tat umzusetzen.

Ein schmaler, enger Hof führte zur Rückseite des prächtigen Herrenhauses. Ein eisernes Tor versperrte den Zugang, doch für den jungen König Brady war das kein Hindernis. Geschmeidig wie eine Katze kletterte er darüber und schlich sich an die Rückseite des Hauses. In einem Seitenfenster flackerte ein Licht.

Er kletterte ein Spalier hinauf und erreichte das Fensterbrett. Zum Glück waren die Vorhänge zugezogen, so dass er in den Raum hineinsehen konnte.

Es war eine reich ausgestattete Bibliothek. Große Regale mit seltenen und wertvollen Büchern reihten sich an den Wänden. Feinste Gemälde schmückten den Raum. In der Mitte stand ein Tisch, an dem ein junger Mann im Schlafanzug saß und in seine Schreibarbeit vertieft war.

Young King Brady erkannte ihn sofort. Es war der Neffe des verstorbenen Reeders, der Makler Allan Cliff. Seit dem Tod des Reeders hatte Cliff die Leitung des Herrenhauses übernommen, die ihm als Alleinerben zustand.

Der Detektiv beobachtete den jungen Makler eine Weile. Doch dann nahm Cliff eine Taschenlampe, löschte das Licht in der Bibliothek und verließ den Raum.

Kurz darauf ging in einem Zimmer über ihm das Licht an und wieder aus. Der Detektiv wusste, dass Cliff eingeschlafen war. Im Haus herrschte völlige Dunkelheit.

Nachdem er sich davon überzeugt hatte, schlich Young King Brady zurück auf die Straße. Er war überzeugt, für diese Nacht alles getan zu haben, was in seiner Macht stand.

Sein eigentliches Ziel, die Identität der verschleierten Frau zu klären, hatte er jedoch noch nicht erreicht. Es war verwirrend. Vergeblich versuchte der junge Detektiv zu erklären, was geschehen war. Er hatte die Frau in das Hall’sche Herrenhaus gehen sehen, da war er sich sicher.

Wenn sie hineingegangen war, musste sie irgendwann wieder herauskommen. Er würde auf diesen Moment warten und ihr dann folgen. Das würde einfach sein.

Aber es war unwahrscheinlich, dass sie in dieser Nacht wieder herauskommen würde. Also beschloss er, sich ein paar Stunden Schlaf zu gönnen.

Er ging in ein kleines Hotel in der Nähe und mietete sich ein Zimmer. Young King Brady schlief bis sechs Uhr morgens. Dann stand er auf, frühstückte und machte sich auf den Weg zurück zur 5th Street.

Er stellte sich in der Nähe des Hall Mansion auf und wartete. Um Punkt neun Uhr öffnete sich die Haustür.

Ein junger Mann kam die Treppe herunter.

Es war Allan Cliff. Er ging zügig in Richtung Hochbahnstation. Der junge Detektiv folgte ihm nicht.

Eine Stunde verging. Von der verschleierten Dame war nichts zu sehen. Endlich kam der Butler aus dem Hof. Er trug einen Korb am Arm und war offensichtlich auf dem Weg zum Markt.

»Der gehört mir«, murmelte der Detektiv.

Im nächsten Moment bog Young King Brady um die Ecke und folgte dem Butler. Dieser hielt nach einer Weile vor einem Lebensmittelladen. Gleich daneben befand sich ein Pub.

Der Plan des jungen Detektivs war schnell gefasst. Er wartete, bis der Butler den Markt verließ. Dann ging er mutig auf ihn zu und zog sich in echter Seemannsmanier die Hose hoch.

»Heiliger Strohsack, Andy McGee«, rief er fröhlich. »Schön, dich zu sehen. Weißt du noch, wie wir uns im alten Connaught getrennt haben? Verzeih mir, aber du siehst aus wie ein guter Freund von mir.«

Der falsche Matrose verbeugte sich tief. Der Butler, ein echter Ire, grinste und tat es ihm gleich.

»Ich hoffe, dein Freund Andy McGee war ein guter Kerl«, sagte er.

»Aber sicher, Kumpel, das war er«, versicherte Young King Brady. »Einer der besten.«

»Heiliger Strohsack! Da hast du aber ein freundliches Wort gefunden, direkt vom Meer!«

»Ich bin seit zehn oder mehr Jahren zur See gefahren.«

»Oh Gott! Sag doch!«

»Doch, doch! Und ich würde meinem Freund Andy einen guten Schluck irischen Whiskey ausgeben, wenn ich ihn finden könnte!«

»Na, sieh mal an! Sehe ich ihm nicht ähnlich genug, um als Ersatz zu dienen?”

»Das tust du. Und wenn du mir …«

»Mein Freund McNulty betreibt gleich hier eine Bar«, erklärte der Butler. »Die Runde geht auf mich.«

»Nicht im Geringsten! Verdammt noch mal! Die geht auf mich!«

Es dauerte nicht lange, und beide standen an der Bar und probierten McNultys Whisky. Der Butler nahm einen kräftigen Schluck.

Nach wenigen Augenblicken fiel ihm die Zunge ab. Young King Brady hatte ihn. Es folgte ein reger Austausch von Schmeicheleien und anderem Geplauder. Dann fragte Young King Brady: »Sag mal, Kumpel, wohnst du in einem dieser schicken Häuser hier?«

»Ja, das tue ich. Das neunte an der Ecke. Es ist ein schönes Anwesen, aber ach, der gute Herr ist weg und keiner weiß, ob er tot ist oder lebt.«

»Das ist nicht dein Ernst!«

»Doch, doch, es ist so. Und der junge Neffe ist gekommen, um das Haus zu führen und das ganze Geld des armen Alten einzusacken. Da bleibe ich nicht lange.«

»Ach, und warum nicht?«

»Zum Teufel mit dem Neffen!«

»Ist es dasselbe Haus, aus dem ich die junge Dame mit dem Schleier habe kommen sehen?«, fragte der Detektiv beiläufig.

»Nein, ganz und gar nicht«, antwortete der Butler. »Es gibt keine Dame in unserem Haus außer Nora McGrady, der Köchin.«

Das war ja was.

Young King Brady war verblüfft.

»Vielleicht im Nachbarhaus?«, fragte er.

»Ich glaube nicht. Auf der einen Seite ist ein Junggesellenclub und auf der anderen Seite ein leerstehendes Haus!«

Der junge Detektiv war verblüfft. So sehr er den Butler auch befragte, er konnte ihm nichts anderes entlocken. Und er schien die Wahrheit zu sagen.

Nach langer Zeit gab der junge König Brady auf. Er verabschiedete sich vom Butler und ging hinauf in den Park, wo er sich auf eine Bank setzte.

Vergeblich versuchte er, das Rätsel zu lösen. Es war wirklich schwer. Er musste sich auf seine Sinne verlassen. Zweifellos hatte er gesehen, wie die junge Frau in das Haus der Halls eingetreten war. Und sie war kein Geist.

Was sollte er tun?

»Vielleicht bleibt sie dort und die Dienerschaft weiß nichts davon«, überlegte er. »Ich glaube, ich werde meine Taktik ändern.«

Er ging zur Hochbahnstation und nahm einen Zug in die Innenstadt. Dann ging er direkt zur Broad Street. Über eine Stunde lang schlich er um das Büro von Cliff & Call herum.

Cliff war an der Börse, kam aber später zurück. Der junge Detektiv beschließt, ein neues Spiel zu spielen. Er zieht sich in eine unauffällige Ecke zurück und wechselt schnell seine Verkleidung. Die Matrosenjacke wurde umgedreht und durch das Aufknöpfen einer Verlängerung verlängert.

Die Hose passte bereits, und das Hemd wurde durch eine verstellbare weiße Brusttasche, einen Kragen und eine Krawatte verdeckt. Der Matrosenhut wurde zusammengelegt und in einer Innentasche verstaut. Ein weicher Filzhut mit schmaler Krempe kam als Ersatz aus einer anderen Tasche.

Dann veränderte Young King Brady geschickt und schnell sein Gesicht. Ein paar Koteletten und ein kurzer Ziegenbart kamen zum Einsatz und wurden so geschickt aufgeklebt, dass man ihn nicht entdecken konnte.

So getarnt kam Young King Brady heraus. Er sah seinen Mann Cliff, der schnell aus dem Gebäude kam, in dem sich sein Büro befand. Er stieß ungeschickt mit dem Makler zusammen, der einen Fluch ausstieß, aber der junge Detektiv rief: »Entschuldigung, Sir:

»Entschuldigen Sie, Sir, können Sie mir sagen, wo Mr. Cliffs Büro ist?«

Der Börsenmakler warf einen kurzen Blick auf Young King Brady und lächelte breit.

»Hallo«, sagte er leise. »Mein Name ist Cliff. Wollen Sie mich sprechen?«

»Sind Sie Mr. Cliff?«, rief der verkleidete Detektiv und streckte die Hand aus. »Ich bin stolz, Sie kennen zu lernen! Ich bin Olanthus Smythers aus Squat Holler, Tioga County.«

»Ah, Mr. Smythers, was kann ich für Sie tun?«

»Meine Güte! Was für ein Glück, Sie so leicht zu finden, nicht wahr? Jurry Dump, unser Postmeister, war neulich hier in New York und meinte, Sie hätten ihn mit Aktien großartig bedient. Er meinte, er hätte einen Haufen Geld gemacht. Jetzt habe ich mir überlegt, es auch mal mit Aktien zu versuchen.«

»Oh, das haben Sie, ja?«, sagte Cliff in seiner sanften, verführerischen Art. »Dann kaufen Sie Mai-Weizen. Ich nehme Ihre Bestellung gleich hier auf.«

Er zog ein Notizbuch hervor. Young King Brady zeigte eine Rolle Geldscheine.

»Oh, ich habe das Geld. Ich habe die Farm für elftausend verkauft. Ich denke, ich sollte eine Million daraus machen können.«

Cliffs Augen funkelten.

»Natürlich«, sagte er. »Soll ich Ihre Bestellung für acht- oder zehntausend Mais aufgeben?«

»Ich denke schon. Aber warten Sie einen Moment. Ich lade Sie ein. Meine Güte, mir gefällt Ihre Art, Mr. Cliff. Kommen Sie, wir trinken einen. Ha, ha!«

Young King Brady warf die Brust raus und stolzierte ein wenig. Er sah, dass er Cliff am Haken hatte.

»Ich bin etwas in Eile, Mr. Smythers, aber ich werde einen Termin mit Ihnen ausmachen. Treffen Sie mich in dreißig Minuten hier, dann gehen wir essen und reden über Aktien.«