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Jim Buffalo – 28. Abenteuer – Kapitel 3

Jim Buffalo,
der Mann mit der Teufelsmaschine
Veröffentlichungen aus den Geheimakten des größten Abenteurers aller Zeiten
Moderner Volksbücher-Verlag, Leipzig, 1922
Das 28. Abenteuer Jim Buffalos
In den Florida-Sümpfen
3. Kapitel

Im Devils-Swamp

Seine Hoffnungen, den schwarzen Tom daheim anzutreffen, erwiesen sich leider als trügerisch.

Zwar stolperten auf sein Hupensignal ein halbes Dutzend Negerkinder, sich gegenseitig über den Haufen rennend, aus der niedrigen Tür der Hütte, aber von deren Erzeuger war leider nichts zu sehen.

Nur eine alte, schmutzige, zerlumpte Negerin trat auf die Schwelle der Tür, das Auto und seinen Besitzer mit lauernden Blicken betrachtend.

Aber Jim Buffalo wusste, wie man diese Leute zu behandeln hatte.

»Ist Tom zu Hause?«, fragte er, der Alten ein Goldstück entgegenwerfend, das sie mit unglaublicher Geschicklichkeit auffing.

»Habt Ihr eine Botschaft für ihn, Massa?«, kam es lauernd zurück.

»Vielleicht, vielleicht auch nicht! Ich möchte nur zur anderen Seite hinüber, und wenn es geht, durch die Sümpfe hindurch. Ich zahle gut.«

Jim Buffalo ließ bei diesen Worten eine goldgefüllte Börse sehen.

Das Negerin rollte die Augen, dass man nur noch das Weiße sehen konnte. Dann begann die Frau heftig zu schelten.

»So ein Lump und Tagedieb!«, schalt sie. »Treibt sich den lieben langen Tag in den Sümpfen herum, als ob es weiter nichts zu tun geben und wir von der Luft leben könnten. Und wenn wirklich mal ein feiner Massa kommt, ist er nicht zu Hause! Aber ich will es ihm schon anstreichen, wenn er wieder angetrunken nach Hause kommt.«

Die Negerin hatte noch lange geschimpft, wenn Jim Buffalo nicht ungeduldig aufgefahren wäre.

»Ich will wissen, wo Euer Mann ist!«

»In den Sümpfen, ich sagte es Euch ja schon, Massa!«, versetzte die Alte eingeschüchtert. »Könnt Ihr nicht noch ein paar Stunden warten? Er muss bald wieder zurückkommen, wollte nur etwas Schilf holen.«

»Ich kann nicht warten, habe Eile!«, gab Jim Buffalo barsch zur Antwort.

»O, dann einen Augenblick, Massa!«

Geschäftig, ihre eigenen Kinder über den Haufen rennend, eilte die Frau in die Hütte hinein, um gleich darauf mit einem Fetzen Papier zurückzukehren, der mit allerlei Strichen bedeckt war, während er sonst nichts als schwarze Tintenflecke zeigte.

»Das sein der Plan von Massa Tom!«, sagte sie wichtig, auf die einzelnen Striche deutend.

»Wenn Massa sich bedienen wollten? Können gar nicht fehlfahren und müssen Tom sicher unterwegs treffen. Dann gleich bei den Ohren nehmen und ihn ordentlich ausschelten, den faulen Tagedieb!«

Jim Buffalo betrachtete misstrauisch den Wirrwarr von Strichen.

»Kann man sich auch darauf verlassen?«

»Wie auf Massa Tom, wenn er dabei wäre! Massa brauchen nur die dicken Striche zu nehmen, die für Wagen bestimmt sind.«

»Und wenn ich mich verirre, dann prügle ich dich windelweich«, drohte Jim Buffalo.

Doch die Alte lachte so siegessicher, dass seine Befürchtungen, sich in den Sümpfen zu verirren, schwanden.

Er warf der Alten noch einige kleine Münzen zu, und gleich darauf war das Auto um eine Wegbiegung verschwunden.

Der schwarze Tom musste ein heller Kopf sein, denn mit seinen Strichen hatte er einen Wegweiser durch die Sümpfe geschaffen, wie ihn ein Landmesser nicht besser hätte aufzeichnen können.

Bald lag die Stadt hinter ihm, und nun befand er sich mitten in den ausgedehnten Sümpfen.

Endlos weit dehnte sich die öde Landschaft vor ihm aus.

Bald wechselten breite Flächen Waldes mit dichten Rohrpflanzungen ab, die aus dem trügerischen Sumpf herauswucherten und leise im Wind raschelten. Dann wieder kamen weite Strecken glänzenden Wassers, auf dessen grüner Oberfläche buntfarbige Sumpfrosen sich schaukelten.

Ab und zu führten links und rechts kleine, kaum erkennbare Pfade in die Sümpfe hinein, dem genauen Kenner der Gegend nur durch das etwas gelblichere Aussehen des Moosbodens kündend, dass hier ein gangbarer Weg sei. Wie gelbe Streifen zogen sich die abgestorbenen Striche durch den dunklen Untergrund der Moore.

Wehe, wenn hier ein Fuß strauchelte oder das Auge sich irrte, der Sumpf hätte den Unvorsichtigen rettungslos in die Tiefe gezogen.

Jim Buffalo hatte den Lauf seines Autos gemäßigt.

Trotz dessen er festen Boden unter sich hatte, merkte er doch deutlich die Schwankungen, die die Schwere des Autos ausübten.

Dabei glitten seine Blicke über den Papierfetzen und die gelben Streifen, und er musste sich sagen, dass der schwarze Tom auch nicht einen gangbaren Weg vergessen hatte. Er kannte die Sümpfe wie seine eigene Westentasche.

Plötzlich stutzte er.

War das nicht der Hilferuf einer menschlichen Stimme, der zu ihm herübergeklungen war?

Er ließ die Maschine halten und lauschte.

Totenstill war es ringsum, nur das Kreischen eines Sumpfvogels war hin und wieder vernehmbar. Dazu herrschte hier eine solche drückende, schwüle und atembeklemmende Luft, die sich schwer auf die Lungen legte, die fieberschwangere Atmosphäre der Sümpfe.

Da klang wieder der Hilferuf; ganz deutlich vernehmbar kam er von rechts herüber, wenn er auch wegen des übermannshohen Rohres nichts zu sehen vermochte.

Jim Buffalo war von dem Auto gesprungen und lief suchend am Rand des Dickichts hin und her.

Da stieß er abermals auf einen Fußpfad, wie er auch auf der Karte verzeichnet war.

Kaum Fußbreit war der schmale Streifen, der durch das Rohrdickicht führte. Abermals klang der Hilferuf, nun schon schwächer werdend, wie in höchster Todesnot. Ohne Besinnen eilte Jim Buffalo den Weg hinein.

Kaum hundert Schritte mochte er zurückgelegt haben, als sich plötzlich das Dickicht teilte und einen kleinen See sehen ließ, der auf der anderen Seite von dichtem Wald begrenzt war.

Aber nicht auf die Umgebung blicke Jim Buffalo, sondern im höchsten Schrecken auf das angstverzerrte Gesicht eines Schwarzen, der sich mitten im Wasser befand und mit gewaltigen Stößen vorwärtsstrebte.

Dicht neben dem Schwimmenden aber reckte sich der weit aufgesperrte Rachen eines Alligators aus dem Wasser, die kleinen, tückischen funkelnden Augen auf sein Opfer gerichtet, das beim Erblicken des weißen Mannes neue Hilferufe ausstieß.

Der Neger, obwohl ein guter Schwimmer, war durch das Erscheinen des furchtbaren Tieres so vor Schrecken gelähmt, dass er kaum noch vorwärts zu kommen vermochte.

Der Alligator schoss immer näher heran.

Schon glaubte Jim Buffalo, den schwarzen Körper des Unglücklichen zwischen den furchtbaren Rachen zu sehen.

»Schnell, um Gottes willen, schnell, wenn dir das Leben lieb ist!«, rief er dem Schwarzen zu.

Mit einem gewaltigen Stoß war dieser vorwärts geschossen, und so wenige Meter aus dem Bereich seines Verfolgers gelangt.

Da ereignete sich eine neue Überraschung für Jim Buffalo.

Aus dem Wald heraus war ein Mann in Farmerkleidung getreten, der blitzschnell ein Gewehr hob und es auf den Schwarzen abfeuerte.

Dass angesichts der zu erwartenden Rettung die Kugel dem Schwarzen gegolten hatte, das bewies deutlich das Einschlagen der Kugel in das Wasser, die dicht am Kopf des Schwarzen vorbeipfiff.

Im nächsten Augenblick war der hinterlistige Schütze auch schon wieder hinter den Bäumen verschwunden.

Auch der Alligator, durch den Schuss erschreckt, war etwas zurückgeblieben, schoss aber nun mit verdoppelter Wut auf sein Opfer zu.

Aber schon hatte sich Jim Buffalo zu Boden geworfen.

Sich an eine Baumwurzel klammernd, beugte er den Oberkörper so weit über das Wasser, dass seine Arme den bereits Erschöpften fassen konnten. Mit Riesenkraft riss er ihn in die Höhe, dicht vor dem Rachen der Bestie, dass die Zähne, die schon zupacken wollten, schauerlich zusammenklappten.

Im letzten Augenblick hatte Jim Buffalo den Schwarzen gerettet, der nun völlig erschöpft und noch zitternd vor Todesangst auf dem Boden lag.

Nur seine rollenden Augen kündeten die grausige Angst, die er soeben durchlebt hatte. Und schon wieder krachten von drüben, hinter den Bäumen hervor, Schüsse auf.

Glücklicherweise verfehlten sie ihr Ziel, und ehe der heimtückische Schütze wieder zu laden vermochte, hatte Jim Buffalo den Schwarzen ergriffen und ihn hinter das schützende Rohrdickicht zurückgezogen.

Hier erst flößte er ihm einige Tropfen Whisky ein, die eine schier zauberhafte Wirkung ausübten.

In wenigen Minuten hatte sich der Schwarze wieder erholt, war aufgesprungen, und schüttelte drohend die geballte Faust zum Wald hinüber.

»Wartet nur, weißer Massa, der schwarze Tom weiß noch mehr Wege, und seine Rache soll Euch treffen!«

Dann fiel er vor im Buffalo in die Knie und umklammerte seine Füße.

»Guter, weißer Massa haben armen Tom das Leben gerettet! Er es Euch danken mit seinem Leben!«

Hass und Dank waren so ungekünstelt, dass Jim Buffalo sofort wusste, dass er in dem Schwarzen ein williges Werkzeug für seine Pläne gefunden hatte.

»Ihr seid also der schwarze Tom, den ich schon gesucht habe!«, redete er freundlich auf den Schwarzen ein. »Ich brauche Euch als Führer!«

»Und Tom Euch führen bis ans Ende der Welt und ziehen mit Zähnen Nagel aus den Brettern!«

»Na, so weit soll die Reise gar nicht gehen«, prustete Jim Buffalo lachend auf. »Vielleicht bin ich meinem Ziele sogar näher als ich glaube. Warum schoss der weiße Mann auf dich, und was hat er da drüben mitten im Sumpf zu suchen?«

Der schwarze Tom drohte wieder mit der geballten Faust hinüber.

»Betrogen hat er mich, der Schurke, und ans Leben wollte er mir!«, stieß er noch unter dem Bann des Schreckens hervor. »Fliehen hätte er müssen und sich verstecken, weil seine Frau eine Quadronin sei, auf die ihr einstiger Herr jetzt noch Ansprüche erhebe. Er gab mir vieles blankes Gold, damit ich ihn an einen sicheren Ort bringe, wo er sich verbergen könne. O, der schwarze Tom weiß viele Verstecke hier in den Sümpfen, wo niemand zu finden ist. Dass der Devils-Swamp der sicherste ist, weil er voll Krokodilen wimmelt, die keinen Menschen hinüberlassen würden.«

»Well, wie seid aber ihr hinübergekommen?«, fragte Jim Buffalo.

»Auf meinem Boot! Der Schurke hat es mir gestohlen und mich mit der Pistole ins Wasser zurückgejagt. Wenn Ihr nicht gekommen wäret, armer Tom wäre verloren gewesen.«

»Und ein großer Dummkopf dazu«, entgegnete Jim Buffalo. »Was der Mann gesagt hat, war Lüge. Du musstest doch wissen, dass es keine Sklaven mehr gibt, dass alle Schwarzen frei sind!«

Tom zog eine jämmerliche Miene.

»O, Massa, frei nur nach dem toten Gesetz! Weiße Massas aber uns immer noch wie Sklaven behandeln und uns nicht als amerikanische Gentlemen achten, wie es der gute Vater in Washington gewollt hat. Hier, in Florida noch viele Schwarze, die viel arbeiten müssen und nichts dafür bekommen. Mich auch schon immer fangen wollen, dann aber in die Sümpfe verschwunden und ihnen eine lange Nase gemacht.«

Tom lachte so verschmitzt auf, dass Jim Buffalo herzlich einstimmen musste.

Dass es lange nicht so schlimm war, wie der Schwarze erzählte, das wusste er, und er hatte dies Märchen wohl nur erfunden, um seine Faulheit damit zu bemänteln.

»Du hast also die jungen Leute hinübergebracht?«

»O, und einen ganzen Dollar haben sie mir dafür gegeben. So viel Geld hat armer Tom lange nicht gesehen. Dafür aber mein Boot behalten und Tom sich nun ein neues bauen müssen.«

»Und wie lange würde das währen, wenn ich dir einen Dollar gebe?«

»Drei Tage, Massa! Viel warm hier und wenig arbeiten können, wenn nicht krank werden wollen.«

»Ich muss aber heute noch hinüber!«

»Das geht nicht, dann Euch Alligator fressen!«

»Und wenn ich dir zwei Dollar gebe?«

»Dann immer noch zwei Tage, Massa!«

Jim Buffalo nahm den Schwarzen bei den Ohren und versetzte ihm ein paar schallende Ohrfeigen«

»Du bist ein ganz durchtriebener Halunke und wert, dass ich dich wieder in den Devils-Swamp werfe. Und ich tue es, wenn du mich nicht binnen einer Stunde zur Insel hinüberbringst.«

Der Schwarze zog ein klägliches Gesicht.

»Das nicht gehen, Massa, weißer Massa viel schießen! Aber wenn Massa warten wollen, bis es Abend geworden ist, dann Tom Euch sicher hinüberbringen.«

»Well, und dann bekommst du als Belohnung zehn Dollar!«

Der Schwarze stieß einen wilden Jubelruf aus und tanzte wie ein Närrischer herum.

»O, dann ich wollte, dass es gleich Abend wäre.«

Und damit war er, ehe es Jim Buffalo verhindern konnte, davongerannt und in einem Seitenweg verschwunden.

Jim Buffalo lachte leise vor sich hin. Er wusste, dass der Schwarze sicher zurückkehren würde.

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