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Slatermans Westernkurier 08/2024

Auf ein Wort, Stranger, diesmal lautet unser Thema US-Frauen-Marshals.

Im späten 19. Jahrhundert galt das Indianergebiet von Oklahoma als der gewalttätigste Landstrich Amerikas, da es dort außer Polizeikräften der ansässigen Indianervölker keine anderen Gesetzesbeamte gab und diese keine Strafverfolgung für weiße Kriminelle veranlassen konnte, weil sie als Indianerpolizei keine Gerichtsbarkeit über weiße Kriminelle besaß.

Ein Umstand, der dieses Territorium für Gesetzlose jeder Art, egal ob Mörder, Vergewaltiger, Räuber, Brandstifter oder Ehebrecher zu einem wahren Paradies machte. Binnen kürzester Zeit wurde das Indianergebiet Oklahomas von Hunderten von Verbrechern überflutet.

Das änderte sich erst um1875, als ein gewisser Isaac Charles Parker Bundesrichter dieses Gebietes wurde. Dennoch dauerte es noch Jahre, bis das Land befriedet war. Parker standen zwar zweihundert Beamte zur Verfügung, aber das Gebiet, in dem sich die Gesetzeslosen verstecken konnten, war über 74.000 Quadratmeilen groß.

Zwischen 1872 und 1896 starben über einhundert Deputy-Marshals und Hilfskräfte. Männer wie Bill Tilghman, Heck Thomas, Chris Madsen und auch Bass Reeves wurden zur Legende. Doch es gab auch Frauen unter diesen Marshals, aber ihre Namen kennt man heute kaum noch.

Deshalb widmet ihnen der Westernkurier diese Kolumne.

*

Ada Curnutt, die Tochter eines methodistischen Pfarrers, zog mit ihrer Schwester und ihrem Schwager in das Oklahoma Territorium, kurz nachdem dieses für die Besiedlung weißer Siedler freigegeben wurde. Schon bald fand sie im Bezirksgericht von Norman Arbeit als Gerichtsschreiberin und kurz darauf sogar eine Stelle als weiblicher Hilfsmarshal von US-Marshal William Grimes. Die schlanke 20-jährige war allerdings keine harte Frau, wie ihr erklärtes Hobby, die Porzellanmalerei, aufzeigte.

Doch als die Pflicht rief, war Ada bereit, ihren Mann zu stehen.

Kurz vor Weihnachten 1893 erhielt sie ein Telegramm von Marshal Grimes, indem er sie anwies, einen Hilfssheriff nach Oklahoma City zu schicken, um dort zwei berüchtigte Gesetzeslose namens Reagan und Dolezal festzunehmen. Doch sämtliche Hilfssheriffs in der Umgebung waren nicht verfügbar, da sie bereits mit anderen Haftbefehlen auf der Suche nach Verdächtigen waren. Ada wollte sich der Pflicht nicht entziehen und reiste selbst nach Oklahoma City.

Nach ihrer Ankunft dauerte es nicht lange, bis sie die Information bekam, dass sich die beiden Gesuchten in einem Saloon mit angrenzendem Spielcasino befanden. Ada gelang es, rasch einen Mann zu finden, der bereit war, in den Saloon zu gehen und den beiden Gesuchten zu sagen, dass draußen eine Dame auf sie wartete.

Als die beiden herauskamen, las ihnen Ada die Haftbefehle vor und erklärte sie für festgenommen.

Reagan und Dolezal, beide schwerbewaffnet, lachten die unbewaffnete Frau natürlich aus, aber sie hatten nicht mit dem Willen und der Kaltblütigkeit Adas gerechnet. Ruhig und entschlossen erklärte ihnen die junge Frau, dass sie in ihrer Eigenschaft als Hilfsmarshal jeden Mann in dieser Stadt vereidigen werde, um sie festzusetzen. Als die Männer die entschlossenen Mienen der umstehenden Bürger sahen, ließen sie sich widerstandlos festnehmen. Ada legte ihnen Handschellen an und eskortierte sie zum Bahnhof, wo sie dem Marshal-Büro in Guthrie telegrafierte, dass sie die beiden Verbrecher dort abliefern würde.

Reagan und Dolezal hatten nicht gewusst, das Ada in Oklahoma City bereits eine bekannte Persönlichkeit war und sich die Männer geradezu darum rissen, ihr jeden Wunsch von den Lippen abzulesen. Die junge Frau hatte die Herzen der männlichen Bürgerschaft im Sturm erobert, als sie Anfang des Jahres nachts im Black und Roger Saloon 19 Männer wegen Meineids bei einer Landstreitigkeit festgenommen hatte.

Allein!

*

Eine weitere dieser tapferen und unerschrockenen Frauen war F. M. Miller. Seltsamerweise sind weder ihre Vornahmen bekannt noch, ob sie verheiratet, verwitwet oder ledig war. Sie hat alle Unterlagen immer nur mit F. M. unterschrieben und es gibt auch in den Gerichtsakten keinen Hinweis auf ihren vollständigen Namen. F. M. jedenfalls wurde 1891 vom Bundesgericht in Paris, Texas, zum Deputy Marshal der USA ernannt. Miller war damit zum Zeitpunkt ihrer Ernennung die einzige bekannte weibliche Deputy Gesetzesvertreterin, die im Indianergebiet arbeitete. Historischen Unterlagen nach diente sie unter ihrem Kollegen Deputy Marshal Ben Campell als Wache im Bundesgefängnis von Guthrie und begleitete ihn auch auf all seinen Exkursionen, um Haftbefehle zu vollstrecken.

Während ihrer Amtszeit wurde sie immer wieder in verschiedenen Zeitungsartikeln erwähnt. Der Fort Smith Elevator beschrieb sie am 6. November 1891 als eine schneidige Brünette mit charmanten Manieren, die eine Pistole umgeschnallt und eine Winchester im Scabbard stecken hat. Weiter wird behauptet, dass sie eine hervorragende Schützin und eine ausgezeichnete Reiterin war und mutig bis an die Grenze zur Rücksichtslosigkeit.

Nachdem sie mit US-Marshal Cantrell einige Gefangene nach Muskogee gebracht hatte, beschrieb sie der Muskogee Phoenix als eine furchtlose und effiziente Polizistin, die schon so manchen Verbrecher eingesperrt hat und von der man mit Sicherheit noch so einiges hören wird.

Was dann auch wirklich geschah.

Doch Miller sollte nicht die einzige Polizistin bleiben, für die sich die Zeitungen in Oklahoma interessierten, auch zwei junge Ladys mit den Namen Mamie Fossett und S. Burche rückten schon bald in den Fokus der Öffentlichkeit. Sie waren zwischen 1897 und 1902 als Deputys für US-Marshal Canada H. Thompson angestellt und ebenfalls in Guthrie stationiert. Arbeiteten sie anfangs nur im Büro und erledigten hin und wieder Außendienstarbeiten, wurden sie von Thompson schon bald mit der Zustellung von Haftbefehlen und der Durchführung von Verhaftungen beauftragt.

Sie meisterten ihre Aufträge mit solcher Bravour, dass sich die Zeitungen in ihrer Berichterstattung vor Lob fast überschlugen.

Ein Blatt beschrieb sie als tapfere Damen, deren Mut und Hartnäckigkeit gar nicht genug gewürdigt werden konnte, ein anderes titulierte sie als jung, gutaussehend und gebildet, dazu furchtlos, energisch und selbstständig, eine dritte Zeitung behauptete gar, dass sie das in sie gesetzte Vertrauen über alle Maßen erfüllten und so tapfer wie Männer waren, wenn nicht sogar tapferer.

Wenn man sich die Berichte über die Taten und das Wirken der beiden jungen Damen durchliest, kommt man zu dem Schluss, dass dies keinesfalls übertrieben ist. Als Beispiel mögen an dieser Stelle die ersten historischen Aufzeichnungen über ihre Dienstzeit dienen.

Fossetts und Burches erster Auftrag im Indianergebiet von Oklahoma hing mit einem Mordfall im Gebiet der Sacs und Foxes Indianer zusammen. Die Täter waren zwar bereits inhaftiert, aber es gab plötzlich keine Zeugen mehr, um sie vor Gericht zu stellen. Bedroht, bestochen und mit Morddrohungen belegt hatten diese Zuflucht in einem der wildesten Gebiete Oklahomas gesucht.

Ein Umstand, der so manchen Mann hätte zögern lassen, aber nicht Fossett und Burche.

Die beiden jungen Frauen ritten, bewaffnet mit Colt und Gewehr, über eine Woche lang kreuz und quer durch zerklüftete Gebirge und sandige Ebenen und ernährten sich dabei hauptsächlich von Wild und Wasser aus versteckt gelegenen Quellen.

Aber sie gaben nicht auf. Ihre Hartnäckigkeit zahlte sich schließlich aus, und nachdem sie die Zeugen aufgespürt und vor Gericht gebracht hatten, konnte auch die Verhandlung stattfinden.

*

Obwohl die hier vorgestellten Frauen nicht die einzigen waren, die als Deputy Marshals dienten, gibt es über andere weibliche Gesetzesbeamte dieser Zeit leider so gut wie keine Nachweise. Dennoch haben es auch sie verdient, für ihre Courage und ihre Hartnäckigkeit in dieser damals so sehr männergeprägten Zeit gewürdigt zu werden. Diese Kolumne ist zwar nur ein kleiner Beitrag dazu, aber es wäre schön, wenn er mithelfen könnte, dafür zu sorgen, dass diese Frauen nicht vergessen werden.

Quellenhinweis:

legendsofamerica

pluckywomen.blogspot

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