Der Märkische Eulenspiegel 11
Der Märkische Eulenspiegel
Seltsame und kurzweilige Geschichten von Hans Clauert in Trebbin
Niedergeschrieben von Oskar Ludwig Bernhard Wolff
Leipzig, 1847
Überarbeitete Ausgabe
Hans Clauert, Schlosser aus Trebbin
Wie Clauerts Hühner Eier legen ohne Schalen
Zu Trebbin wohnte ein Gastgeber, mit Namen Valentin Schneider, dessen Stallung an Clauerts Hof stieß. In diesem Stall hing an einem Wandloch ein Hühnernest, in welches Clauert aus seinem Hof durch die Wand greifen konnte, und aus welchem er auch gewöhnlich die Eier nahm. Als Valentin Schneider dies merkte, nahm er die guten Eier aus dem Nest heraus und legte dasselbe bis oben an voll weiche Eier. Nun hatte Clauert einen Stiefsohn, Gregor Michel genannt, der wusste jenen Ort auch, wo man die Eier fand, und ging deshalb eines Morgens hin, die Eier auszunehmen und das Frühmahl anzurichten. Als er aber zu dem Loch hineingriff, bekam er von jenen weichen Eiern die Hand so voll, dass er schnell wieder zurückfuhr und eilig davonlief. Gregor Michel glaubte, sein Stiefvater hätte ihm diesen Possen gespielt, schwieg jedoch und dachte es bald zu erfahren. Er wusch sich schnell die Hände wieder rein und stellte sich dann, als wäre er krank.
Da nun Clauert diesen seinen Sohn sehr liebhatte und sah, dass derselbe so traurig war, fragte er ihn, was ihm denn fehle.
Dieser antwortete dem Vater, er möchte gern einmal frische Eier essen, wüsste sie aber nicht zu bekommen.
Da sagte Clauert: »Gib dich nur zufrieden, da soll bald Rat geschafft werden.« Er lief alsbald nach alter Gewohnheit auf den Hof, um Eier zu holen.
Sein Sohn Gregor lief aber unterdessen auf den Boden im Haus, um von dort aus zu sehen, ob Clauert auch in das Nest hineingreifen würde, woraus er schließen könnte, ob sein Vater oder ein anderer ihm jene Schalkheit erwiesen hätte. Clauert war von Person nicht groß. Deshalb konnte er auch das Nest nicht so gut erreichen wie sein Sohn, der ein langer Mensch war, sondern musste sich an der Wand festhalten. Da er die Eier in etlichen Tagen nicht geholt hatte, so meinte er einen guten Griff zu tun und langte deshalb mit Freuden hinein bis an die Ärmel.
Da war ihm die ganze Faust von jenen weichen Eiern gesalbt. Er erschrak darüber, äußerte jedoch seinen Unwillen nicht, sondern schwieg.
Daraus konnte Gregor Michel abnehmen, dass sein Vater ebenso wie er betrogen war, und dies mit anzusehen machte ihm so viel Freude, dass er vor Lachen auf den Boden niederfiel und sich kaum wieder ein wenig erholen konnte.
Da kam Clauert ins Haus gelaufen, rief seine Frau und sprach zu ihr: »Du wirst wohl unseren Hühnern viel Brot zu fressen gegeben haben?«
»Traun nein«, erwiderte die Alte, »ich gebe ihnen kein Brot.«
»Wie kommt es denn«, fragte Clauert weiter, »dass sie solche Windeier ohne Schalen legen?« Er zeigte ihr dabei seine Faust.
Da fing sie heftig an zu schelten, dass er sich so beschmutzt hatte.
Doch zeigte er ihr fortwährend die Faust und sagte: »Sind das die Eier?«
Darüber musste Gregor Michel noch viel heftiger lachen und schrie zum Vater herab, er solle schweigen, sonst müsse er sich totlachen. Clauert folgte ihm, damit sein Sohn am Leben bliebe.