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Jim Buffalo – 28. Abenteuer – Kapitel 1

Jim Buffalo,
der Mann mit der Teufelsmaschine
Veröffentlichungen aus den Geheimakten des größten Abenteurers aller Zeiten
Moderner Volksbücher-Verlag, Leipzig, 1922
Das 28. Abenteuer Jim Buffalos
In den Florida-Sümpfen
1. Kapitel

Ein schwerer Verdacht

In dem Privatkondor des Handelsherrn Mister Blackwell saß dieser selbst mit Jim Buffalo im ernsten Gespräch zusammen.

Die hohe Stirn Mister Blackwells war umwölkt, als ob ihn schwere Sorgen drückten, und halb zornig, halb zweifelnd blickte er in das kühn geschnittene Gesicht Jim Buffalos, der ihn mit klaren Augen anschaute.

Mister Blackwell stieß heftig mit der geballten Faust auf den Schreibtisch, dass die darauf liegenden Papiere zu Boden flatterten.

»Was Sie da zu behaupten wagen, Mister Buffalo, klingt so ungeheuerlich, so unfassbar, dass ich es gar nicht zu glauben vermag.«

»Und doch bleibe ich dabei«, versetzte Jim Buffalo ruhig. »Ihre Vaterliebe in Ehren, aber diesmal scheint sie ihnen doch einen gewaltigen dummen Streich gespielt zu haben, der gar nicht wieder gutzumachen ist.«

»Aber ich beschwöre Sie, Mister Buffalo!«, fuhr Blackwell ganz verzweifelt auf. »Meine einzige Tochter Marry ist krank, schwer lungenleidend, wie die Ärzte sagen, und Sie dürfen mir wohl glauben, dass ich die ersten Kapazitäten auf diesem Gebiet konsultiert habe. Alle rieten mir dringend zu einer sofortigen Luftveränderung, und was lag da wohl näher, als sie nach Florida hinunterzuschicken, das wegen seiner Heilwirkungen einen Weltruf genießt.«

»Was ich weder bestritten noch bezweifelt habe, und unter anderen Umständen selbst gutheißen würde. Aber wie die Sachen nun einmal liegen, kann ich an nichts anderes, als an einen wohl überlegten Schurkenstreich glauben!«

»Aber das ist ja heller Wahnsinn! Marry ist erst seit wenigen Wochen eine glückliche Frau, obwohl sie mir das Ja dazu abgetrotzt hat.«

»Weil es dieser Ralf Morton eben verstanden hat, sich das Vertrauen und die Liebe Ihrer Tochter zu erschleichen. Aber sagen Sie doch selbst, Mister Blackwell, die in Szene gesetzte Entführung war doch etwas zu theatralisch. Der Schlaukopf wusste ganz genau, dass Sie sich nicht lange sperren und Ihre Einwilligung zu der Verbindung geben würden, obwohl Ihnen der Schwiegersohn selbst gerade nicht besonders entsprochen haben mag.«

Mister Blackwell seufzte tief auf.

»Ja, was sollte ich denn machen, wenn es das Glück meiner einzigen Tochter galt? Und glücklich wollte ich sie ja nur wissen?«

»Und wo ist da der kluge, alles erwägende Geschäftsmann geblieben?«

»Dass Ihre Tochter in den Halunken, anders kann ich Ihren Schweigersohn nicht nennen, vernarrt war, weil, das war noch lange kein Grund, sich selbst narren zu lassen, und das haben Sie dieses Mal gründlich getan.«

»Aber nun muss ich doch ernstlich bitten, Mister Buffalo!«, fuhr der Handelsherr entrüstet auf. »Haben Sie Beweise für diese ungeheuerlichen Anschuldigungen?«

»Pah, die pfeifen ja die Spatzen vom Dach! Jedermann weiß, was Ralf Morton für ein lockerer Zeisig war und dass er bei seinen Schulden allen Grund hatte, nach einem Goldfisch zu angeln. Dass er Ihrer Tochter dabei eine gehörige Portion Liebe geheuchelt hat, war reine Geschäftssache für ihn, wenn er nur seinen Zweck damit erreichte, damit auch die Millionen zu erhalten. Er wusste ganz genau, dass Ihre Tochter schwer lungenleidend war, und hat …« Jim Buffalo schwieg einen Augenblick, um die nachfolgenden Worte mehr wirken zu lassen, »sicher auch damit gerechnet, bald alleiniger Besitzer der Millionen zu sein.«

Mister Blackwell fuhr sich durch das leicht ergraute Haar.

»Herrgott, wenn das wahr wäre, so wäre dies ja eine ganz gemeine Handlungsweise.«

»Die man einem Mann vom Schlage Ralf Mortons leicht zutrauen kann! Ganz systematisch ist der Halunke vorgegangen. Alle die Vorsorge heuchelnden Erkundigungen bei den Ärzten waren nur Manöver. Er wollte sich nur vergewissern, wie lange seine Frau noch zu leben habe!«

Mister Blackwell war aufgesprungen und fuchtelte mit den geballten Fäusten in der Luft herum.

»Verdammt, wenn ich den Kerl jetzt hier hätte, auf Ehre und Gewissen wollte ich ihn fragen!«, stieß er zwischen den zusammengebissenen Zähnen hervor.

»Pah, und er würde Sie ebenso anlügen, wie er es mit Ihrer Tochter getan hat. Jetzt ist er glücklicherweise Ihrem Zorn entrückt und als liebender Gatte mit nach Florida gereist.«

»Und wenn meine Tochter dennoch gesunden sollte?«

»Daran glaube ich bei dem fortgeschrittenen Leiden nicht mehr! Sie wird sich wohl ein wenig erholen und die Katastrophe noch eine Zeitlang hinausschieben können, aber …«

Der Handelsherr blieb vor Jim Buffalo stehen und packte ihn rau an den Schultern.

»Ich kenne Sie als einen Ehrenmann, Mister Buffalo! Was wollen Sie damit sagen?«

»Nichts Bestimmtes, nur Vermutungen! Aber die behalte ich unter den gegebenen Umständen wohl am besten für mich. Es ist nicht gut, in ein Wespennest zu stechen.«

»Sie müssen mir alles sagen, was Sie befürchten!«, drängte Blackwell. »Sie sind es mir als Freund schuldig!«

»Well, wenn Sie es denn hören wollen?«

Jim Buffalo machte wieder eine kurze Pause und schaute den vor ihm Stehenden scharf an. »Dass mich keine unlauteren Motive dazu treiben, sozusagen Öl ins Feuer zu gießen, dessen dürfen Sie wohl versichert sein?«

»Sie haben sich bisher als der beste, uneigennützigste Freund meines Hauses erwiesen.«

»Leider mit dem Resultat, dass alle meine Warnungen bisher in den Wind geschlagen wurden.«

»Spannen Sie mich nicht länger auf die Folter! Reden Sie!«, drängte Mister Blackwell.

»Gut, selbst auf die Gefahr hin, von Ihnen hinausgewiesen zu werden! Nun, ich vermute, der Zustand Ihrer Tochter wird sich nicht bessern, sondern vielmehr verschlechtern. Und ich befürchte sogar, eines Tages werden Sie die Nachricht erhalten, dass Ihre Tochter trotz aller aufopfernder Liebe und Pflege gestorben ist!«

Der Handelsherr ließ sich erbleichend in einen Stuhl fallen.

»Mensch, Buffalo«, ächzte er. »Was Sie da sagen, ist ja fürchterlich! Nein, nein, die Ärzte haben mir ganz bestimmt versichert, dass sie unten in Florida Erholung finden würde. Wie kommen sie nur auf diesen sonderbaren Gedanken?«

»Durch die letzte Ansichtspostkarte, die den Poststempel Orlando trägt!«

»Weiter nichts?«, fragte Blackwell spöttisch.

»Lieber Freund, gönnen Sie doch den Leutchen ihre etwas verspätete Hochzeitsreise!«

»Well, mit Vergnügen, wenn sie dahinführte, wo Lungenkranke sich aufzuhalten pflegen. Mir ist aber durchaus unklar, was Ralf Morton mit seiner kranken Frau in einer Gegend zu suchen hat, die wegen ihrer Sümpfe und ihrer Fieber geradezu berüchtigt ist?«

Diese Worte wirkten wie ein Bombenschlag auf den Handelsherrn.

Er war aufgesprungen, sank aber ebenso jäh in den Sessel zurück und barg das Gesicht in seinen Händen.

Eine drückende Pause war eingetreten.

Man hörte nur das schwere, stoßweise Atmen des alten Herren, und nun rannen ihm ein paar Tränen durch die vorgehaltenen Finger.

Ein konvulsivisches Schluchzen schüttelte den starken Mann und schmerzvoll stöhnte er jetzt auf.

»Meine arme Tochter in den Florida-Sümpfen! Sie haben recht, Mister Buffalo! Der Schuft will sie ermorden!«

»Wenigstens ihr Ende beschleunigen!«, fuhr Jim Buffalo leise fort. »Und kein Mensch würde ihm einen Vorwurf daraus machen, keine gesetzliche Handhabe gäbe es, um ihn dafür verantwortlich zu machen.«

Mister Blackwell war wieder aufgesprungen.

»Nein, das darf nicht sein! Er soll sein schändliches Ziel nicht erreichen! Sofort werde ich telegrafieren, dass sie zurückkehrt! Lieber will ich sie in meinen Armen sterben sehen! Raten Sie, helfen Sie mir doch, Jim Buffalo!«

Dieser zuckte die Achseln.

»Wird sich schwer machen lassen! Wie ich Ralf Morton beurteile, wird er alles in Bewegung setzten, diese Rückreise zu verhindern. Und Ihre bedauernswerte Tochter fühlt sich ja viel zu sehr als glückliche Frau, um zu ahnen, welch ein Ungeheuer in Wirklichkeit der von ihr angebetete Gatte ist.«

»Well dann reise ich selbst, sofort! Ins Gesicht will ich es ihm schreien, dem feigen, heimtückischen Mordbuben!«

Jim Buffalo musste trotz des Ernstes der Stunde leise lachen.

»Haben Sie denn Ihre Tochter geheiratet oder Ralf Morton? Nein, Ihre Mühe würde ganz vergeblich sein.«

»Aber aus diesem höllischen Sumpfnest muss sie wenigstens weg! Und Sie müssen mir dabei helfen.«

»Well, ich täte es gern, sehe nur keine Möglichkeit!«

»Das Wort unmöglich gibt es ja bei Ihnen gar nicht, Sie, mit Ihrer Teufelsmaschine können alles!«

»Oho!«, lachte Jim Buffalo auf. »Vielleicht käme ich selbst in Gefahr, in den Teufelssümpfen stecken zu bleiben.«

»Ach, sperren Sie sich doch nicht so, bester Freund!«, flehte der besorgte Vater. »Retten Sie meine arme Tochter vor diesem Unhold, und wenn Sie sie von seinem Herzen reißen müssten! Verlangen Sie, was Sie wollen, nur retten Sie mein armes, betörtes Kind! Ich sehe es ein, hier kann nur ein Gewaltstreich helfen, in Güte würde ich nichts erreichen. Verlangen Sie, was Sie wollen, mein halbes Vermögen gebe ich drum, wenn Sie mir meine Tochter noch lebend zurückbringen! Mag der Schuft die Millionen behalten, aber sterben, nicht so elend sterben darf mein armes, unglückliches Kind!«

Der ungekünstelte Schmerz des alten Herrn wirkte so überwältigend, dass Jim Buffalo von tiefem Mitleid ergriffen wurde und ihm impulsiv die Hand entgegenstreckte.

»Well, ich will versuchen, Ihre Wünsche zu erfüllen!«

Mister Blackwell drückte ihm fest die Hand.

»Dank Ihnen, Mister Buffalo, ich wusste ja, dass ich keine Fehlbitte tun würde! Und wann gedenken Sie zu reisen?«

»So bald als möglich! Glücklicherweise bin ich auf die Eisenbahn nicht angewiesen und vermag vielleicht noch schneller vorwärts zu kommen. Wollen Sie mir nun die letzte Adresse Ihrer Tochter geben?«

Mister Blackwell kramte mit zitternden Händen in einem Schreibtischfach herum und reichte Jim Buffalo dann die gewünschte Adresse.

»Orlando, Hotel General Jefferson«, las dieser.

»Handeln Sie ganz nach Ihrem Ermessen, Sie haben uneingeschränkte Vollmacht.«

Der Handelsherr füllte rasch noch einige Papiere aus, händigte Jim Buffalo einen Scheck über eine bedeutende Summe ein, worauf sich die Herren mit einem kurzen Händedruck trennten.