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Lorenz, der hinkende Wirt am langen Steg – Kapitel 6

Lorenz, der hinkende Wirt am langen Steg
verfolgt von einem Hexenfluch
Ein höchst belehrendes Volksgeschichtchen für jedermann
Verlag der J. Lutzenberg’schen Buchhandlung, Altötting, ca. 1860

6. Kapitel

Enthüllungen. Begnadigung. Neue Wirtsleute. Schluss

In das 7. Jahr hinein saß Lorenz als verurteilter Mörder bereits im Zuchthaus. Der Holzhanns hatte ihn nie dafürgehalten, auch die Wirts- Lise und viele andere nicht. Der Holzhanns, dem die Lise alles vom Lorenz genau und aufrichtig ge­standen hatte, sagte laut: »Mörder ist Lorenz nicht, aber auch nicht unschuldig. Er hat von seiner Seite eine aussichtslose und schon deshalb törichte Leiden­schaft über sich Herr werden lassen. Die Leidenschaft war es, welche ihn in den verhängnisvollen Tanzsaal trieb, und sie war es, die ihn zum Angriff auf den Nebenbuhler fortriss. Zudem hatte ihn die Lise gewarnt, er folgte doch nicht. Unschuldig ist er daher nicht, aber Mörder ist er auch nicht, dessen bin ich vollends überzeugt.«

Da geschah es, dass ein wohlhabender Bauer auf das Sterbebett kam, der zwar in seinem Leben Gott nicht besonders geliebt und dessen Heilige wenig nachgeahmt hat, nun aber bei bevorstehendem bitteren Sterbestündlein in sich gegangen war und vor frei­willig erbetenen Zeugen Folgendes gestand: »Der Lo­renz, der einstige Knecht des Holzhanns war in der Tat kein Mörder; er hatte zwar mit seinem langen Messer dem langen Krämer eine allerdings tüchtige Wunde beigebracht. Sein eigenes Messer war der beste Beweis, dass die tödliche Wunde keineswegs von seinem Stoß herrührte. Das in die Todeswunde passende Messer wurde im Tanzsaal gefunden und gehörte – ach! – meinem Sohn, dem stillsten, aber vielleicht leidenschaftlichsten Liebhaber der Wirts-Lise. Die Untersuchung in jener schrecklichen Mordnacht beim Wirt am langen Steg leitete hauptsächlich der Doktor, der als ein Hauptliebhaber der Goldfüchse und Silbertaler weit und breit bekannt war.

Der eigentliche Mörder wusste gar wohl, dass er dem Getöteten sein Messer bis zum Heft in den Leib gestoßen und dasselbe im Saal zurückgelassen hatte. Die Angst vor dem Zuchthaus oder gar vor einer Hinrichtung brachte ihn fast von Sinnen; er drohte in diesem Augenblick ins Wasser zu springen, im anderen, an den nächstbesten Baum sich aufzuhängen; er verfluchte die Lise als die vermeintliche Urheberin des ganzen Unglückes. Da dachte ich, nein, mein Sohn, mein Erbe, mein Augapfel soll kein Selbst­mörder werden, auch nicht ins Zuchthaus oder gar unter die Hand des Scharfrichters kommen. Er muss gerettet werden und sollte es mich auch 10.000 Gulden kosten. Tag und Nacht sann ich nach, wie zu helfen sein möchte. Es schwebte mir vor – jetzt erkenne ich die teuflische Einflüsterung – es sei doch besser, dass ein armseliges Knechtlein in das Zuchthaus komme als ein vornehmer und reicher Bauerssohn und noch dazu mein liebster Sohn.

Endlich glaubte ich, auch das rechte Mittel ge­funden haben. Bei Nacht und Nebel suchte ich, mit 100 Dukaten versehen, den Doktor auf und wir wurden handelseinig. Lorenz wurde gefangen und verurteilt. Doch auch dieses half meinem Sohn, den eigentlichen Mörder des Krämers, nicht das Gewünschte. Obwohl schon über diese Mordnacht auch das Gras zu wachsen angefangen hatte, der arme Lorenz in der Mei­nung der meisten der Mörder sein musste, denn sonst säße er doch nicht auf so lange im Zuchthaus, hatte doch mein Sohn keine Ruhe mehr. Es litt ihn nicht länger im Land, er wollte und musste fort und wäre es bis an das Ende der Welt gewesen. Endlich machte er es mit seinen Geschwistern ab und wanderte nach Amerika aus. Seitdem habe ich nichts mehr von ihm gehört; wahrscheinlich haben ihn die Fische des Meeres gefressen oder es ist auf andere Weise die strafende Gerechtigkeit Gottes über ihn gekommen, weil er der menschlichen entfliehen wollte und einen Un­schuldigen für sich büßen ließ — o Gott sei ihm gnädig und barmherzig! Aber möchte sich auch jemand annehmen, dass Lorenz frei wird.«

Der alte, dem Sterben immer näherkommende Vater des eigentlichen Mörders war nach diesem Ge­ständnis viel beruhigter, empfing zu wiederholten Malen die heiligen Sakramente und starb bei guter Besinnung.

Natürlich kam diese auf der einen Seite traurige, auf der anderen aber doch wieder freudige Geschichte schnell unter die Leute. Man erzählte davon in den Wirtshäusern und sie drang auch in die Herrenwohnungen und Kanzleien. Doch alles dieses half dem armen Lorenz im Zuchthaus nichts.

Einem Mann aber wurmte diese Geschichte fort und fort, sodass er sich darüber im Vertrauen mit einigen Advokaten und Landtagsmitgliedern besprach. Die meisten beschieden ihn dahin, dass ohne juridische Beweise nichts anzufangen sei. Und woher diese nehmen? Doch einer der Advokaten meinte, dass die andauernden Gerüchte möglicherweise doch ein starkes Gewicht zu Gunsten des Lorenz in die Waagschale legen, dass ferner sonst auch ein Drittel der Strafe geschenkt zu werden pflegt, wenn man nur wüsste, wie sich Lorenz im Zuchthaus aufgeführt hat.

Auf dieses hin dachte der Holzhanns, denn er war der Mann, der auch jetzt noch nicht Lorenz ver­gessen hatte, probieren geht über studieren, und machte sich mit Unterweisung des Advokaten auf in die Landesstadt – ins Zuchthaus, etwas Entsetzliches für Landleute.

An einem schönen Frühlingstag stieg der staatliche Holzhanns vor einem großen Gebäude, welches zuerst ein Kloster, dann eine Kaserne und zuletzt ein Zuchthaus geworden war, langsam einige steinerne Stufen empor, schöpfte Atem und zog, nein, riss an den Glockenzug. Die Türe öffnete sich halb und ein Mann mit einem eisgrauen grimmigen Schnurbart und oberhalb desselben kupferrote Nase donnerte ihn an: »Habt Ihr impertinenter Lümmel so unverschämt geschellt? Kennt Ihr nicht die Hausordnung, wisst Ihr nicht, dass die Frau Verwalterin nervenschwach ist und eben wieder ihr Kopfweh hat? Was wollt Ihr da?«

»Nein, Eure Hausordnung kenne ich Gottlob nicht; ebenso wenig weiß ich von der Nervenschwäche und dem Kopfweh der Frau Verwalterin; aber der Herr Verwalter kennt mich, denn ich bin sein Holz- und Butterlieferant und da habt Ihr was zu einer Maß Wein.«

»Ach kommen Sie nur gefälligst in das Pfortenzimmer herein, setzen Sie sich, ich will Sie augen­blicklich beim Obermeister melden.«

Als der Schnurrbart erfahren hatte, dass der Besuch dem Lorenz gelte, polterte er: »Ja, ins siebente Jahr hockt der arme Tropf da wegen Mordes und noch keine Menschenseele hat ihn besucht. Er redet wenig, er klagt nie, er flucht und rebelliert nicht, er ist das Muster eines tugendsamen Züchtlings. Ich glaube gar nicht, dass der ein Mörder ist. Aber jetzt will ich gehen.«

Bald darauf stand der Holzhanns gegenüber seines ehemaligen Holzknechtes hinter einem engen Draht­gitter. Diesem schossen die Tränen über die Wangen herab und auch der Holzhanns hatte mit seinem Tüchlein viel in den Augen zu reiben. Wegen der Anwesenheit des Aufsehers war ihre Unterredung sehr einsilbig und unbedeutend. Als ihn aber der Holzhanns fragte, was er denn hier treibe, ersparte der Aufseher Lorenz die Antwort, indem er sagte: »Lorenz ist ein braver Arbeiter, er schnitzt die schön­sten Sachen und bringt der Anstalt vielmehr ein, als er ihr kostet. Der Herr Verwalter und wir alle haben ihn gerne«

Sie sprachen noch einiges Unbedeutendes mitsammen, da trat ein Bediensteter ein mit dem Auftrag, der Holzhanns sein Lieferant, solle zum Herrn Verwalter kommen. Auch da hörte er nichts anderes als gutes Zeugnis über den gefangenen Lorenz. Neu ermutigt, begab er sich nach Hause, um das Möglichste zu vollbringen, was er vorhatte.

Nach einigen Wochen wurde die Verwaltung des Zuchthauses vom Justizministerium zum Bericht über den Sträfling Lorenz O. aufgefordert und wieder nach einiger Zeit hinkte ein Mann in besten Jahren, doch etwas scheu und fast kränklich aussehend durch die Haustür der Wohnung des Holzhanns herein, wo eben an einem großen runden Tisch eine Magd in eine große Schüssel Brot aufschnitt. Als er ihr einen guten Abend gewünscht und sich schnurgerade in das Wohnzimmer des Holzhanns begab, starrte sie ihm verwundert nach.

Nach seinem Eintritt hörte man den Bauern laut reden: »Bist du es oder ist es dein Geist? Ja, du bist es, grüß Gott, Lorenz, du armer Häuter. So haben sie dich doch endlich laufen lassen. Bleib nur da – morgen wird Rat werden, was weiter anzufangen ist. He, Margareth, ein Krüglein vom Guten, Schinken und Brot her. Nachdem diese alles gebracht wurde, schenkte der Alte ein und tat so zu­traulich, als wäre einer seiner besten Freunde an­gekommen. Nach und nach kamen alle Bewohner des großen Bauernhofes, die zweibeinigen und vierbeinigen daher, denn es war nun zum Nachtessen und die Margareth unterließ nicht in ihrer Plauderseligkeit allen zu wissen zu machen, dass heute ein Zuchthausbruder mit ihnen aus einer Schüssel esse.

Das Nachtessen wurde aufgetragen und nachdem der Holzhanns das lange Tischgebet vorgesprochen hatte, setzte er sich oben an den Tisch und wies dem Gast einen Platz an. Die Mienen und Blicke der Dienstboten würzten das Mahl nicht sonderlich, noch wenige, die spitzigen Reden und Sticheleien, die hinüber und herüber fielen. Der Holzhanns schluckte anfangs seinen Ärger hinab und milderte seines Gastes – der eben Lorenz war – peinliche Lage durch freundliche Worte. Als aber ein Knecht vorbrachte, dass sein Kleiderkasten ohne Schloss sei, da brach das Donnerwetter los.

In größter Hitze sprach der Hausvater: »Nicht jeder, der im Zuchthaus gesessen hat, sei notwendig ein schlechter Kerl oder Spitzbube. Lorenz habe sein Leben lang keines Hellers Wert veruntreut und sei zehnmal ehrlicher als gar mancher hochmütige Knecht, der insgeheim den Meister bei jeder Gelegenheit be­trüge und bestehle. Habe er gefehlt, so habe er auch schwer gebüßt und er sei jedenfalls mehr durch Un­glück als durch Verbrechen ins Zuchthaus geraten. Hausherr sei doch er noch, Gottlob, und wolle doch sehen, wer den armen Lorenz noch weiter zu kränken sich getraue.«

Lorenz blieb wieder beim Holzhanns. Bergluft und gute Nahrung brachten ihn bald wieder zu Kräften und nach einiger Zeit hatte es der Holzhanns veranstaltet, dass der zuerst geschmähte Zuchthausbruder und die Wirts-Lise die neuen Besitzer des Wirts­hauses am langen Steg geworden sind. Es war nämlich, seit Lorenz im Zuchthaus saß, der Wirt und die Wirtin gestorben, die Wirtschaft, über und über verschuldet, kam in den Besitz des Holzhanns der die Wirts-Lise, welche seit jener Mordnacht nicht mehr auf Freier sah, niemals daran geglaubt, dass Lorenz ein Mörder sei und nun aus dem blühenden Mädchen eine staatliche Frauensperson ge­worden war, zu seiner Wirtschafterin angestellt hatte.

Der günstige Leser wird nun nicht bloß die Be­deutung der vorgestellten Laterne und des Haushahns an und auf dem Wirtshaus zum langen Steg, sondern auch die Ursachen erkannt haben, weswegen diese beiden Wirtsleute so eine Abneigung gegen Scheibenschießen und Tanz hatten. Der hinkende Fuß und das Zuchthausleben des Wirtes mahnten zu sehr von solchen Belustigungen ab.

Und welche von beiden Parteien hat hier die rechte Ansicht gehabt? Diejenige, welche die zurück­gelegte unglückliche Lebensbahn des Wirtes der Wahr­heit zuschrieb, dass die göttliche Vorsehung oft manche Menschen auf dornenvollen, ja schauerlichen Wegen zu ihrem Ziel führt, oder diejenige Partei, welche all die Unglücksschläge des Wirtes vom Hexenfluch der langen Greth ableiteten, der doch nur auf Vermutung beruhen kann?

Das natürliche Gefühl wird jeden zur ersten Partei drängen und noch mehr, wenn er den Ausspruch des Propheten Isaias wohl bedenkt: »So bleib denn bei deinen Wahrsagern und bei der Menge deiner Zaubereien, womit du dich mühtest von deiner Jugend an; ob es dir etwa nützt, oder ob es dich stärker machen kann?«

 

***

 

Es dürfte nun auch am Schluss dieser Erzählung der Frage eine Aufmerksamkeit geschenkt werden, was es denn da mit der Hexerei sei, oder was beinahe dasselbe ist, ob und was für eine Gewalt die bösen Geister über die Leiber und Güter der Menschen haben, womit eigentlich gefragt ist, ob es vom Teufel Besessene und vom Teufel unterstützte Zauberkünste gebe.

Manche nun glauben davon gar nichts und an­dere alles. Jene folgen lieber ihrem Eigensinn als der Heiligen Schrift; diese widerstreben der Vernunft und allgemeinen Erfahrung, um nur nicht von ihren vorgefassten Meinungen und Vorurteilen abweichen zu dürfen. Das Beste ist, den goldenen Mittelweg einzuhalten, d. h., darüber so zu denken, dass man dem göttlichen Wort und der Vernunft nichts vergibt.

Dass es nun vom Teufel Besessene, d. h. solche Menschen geben könne, in deren Leib der Satan so wirkt, dass er die Werkzeuge ihrer Sinne zu seinen Absichten braucht und ihre Handlungen unbeschadet der Freiheit des Willens zu verwirren und zu ver­hindern und damit überaus wunderliche und seltsame Wirkungen in ihnen hervorzubringen vermag, ist nichts Unmögliches und widerspricht weder der Vernunft noch der Heiligen Schrift, denn, wenn die menschliche Seele auf ihren Körper wirken kann, warum soll das den guten und gefallenen Engeln als geistigen Geschöpfen unmöglich sein? Und die Heilige Schrift ist so voll von Beispielen der Einwirkungen von den Engeln auf die Menschen, dass dies keinem, der et­was vom Wort Gottes kennt, unbekannt sein kann.

Nicht nur, dass es Besessene geben könne, sondern wirklich solche gegeben habe, bezeugt die Heilige Schrift ganz bestimmt.

Im 1. Buch der Könige heißt es: »Der Geist des Herrn wich von Saul und es plagte ihn ein böser Geist auf Zulassung des Herrn, und wie der heilige Erysostumus sagt, durch eine melan­cholische, schwarzgallische Gemütsart, die oft in Wahn­sinn und Wut überging und die nur Davids heilige Lieder auf eine Zeit zu erheitern vermochten.«

Im 3. Buch der Könige ist von einem Lügengeist, dem Satan, die Rede, der auf Zulassung Gottes die falschen Propheten begeisterte, um den König zu betrügen und zum Krieg zu bereden, in welchem er zur Strafe für seine Sünden einen elenden Tod finden sollte.

In der Heiligen Schrift des neuen Bundes werden die Besessenen von den gewöhnlichen Kranken genau unterschieden und bestimmt von ihnen gesagt, was der Teufel in manchen dieser Leute gewirkt, dass er sie z. B. stumm, blind und taub oder rasend gemacht habe. Die Heilige Schrift sagt ferner ausdrücklich, dass nicht die besessenen Menschen, sondern die unreinen Geister in denselben Jesum gekannt, sie mit ihm und er mit ihnen geredet habe, dass diese sich beklagt haben, er komme vor der Zeit, sie zu plagen und zu vertreiben, dass sie der Heiland nicht habe reden lassen, dass er ihnen geboten habe zu schweigen, auszufahren und nicht mehr zurückzukommen. Insbesondere sagt die Heilige Schrift von jenem Rasenden in der Land­schaft der Gerasener, welcher zu Jesus rief: »Was habe ich mit dir zu schaffen, Jesu, du Sohn Gottes des Höchsten! Ich bitte dich, quäle mich nicht!« Dass der Teufel aus ihm sprach; denn wie hätte der Rasende aus sich selbst Jesum als den Sohn Gottes erkennen können, da er schon viele Jahre aller Menschenumgang floh und das Volk selbst, das immer um ihn war, Jesum für weiter nichts noch, als für den auferstandenen Johannes oder für den Elias oder Jeremias oder überhaupt für einen Propheten hielt.

In der Apostelgeschichte ist zu lesen, dass Gott durch den heiligen Apostel Paulus, nachdem er sich zu Ephesus von den hartsinnigen Juden ab und an die Heiden gewendet hatte, Wunder gewirkt und durch die bloße Auflegung seiner Schweißtücher und Schürze die bösen Geister austrieb.

Aus diesen Grund der Wahrheit hin hat das Consilium von Trient erklärt, dass das Amt der Exor­zisten (die Teufelsbeschwörung) vom Anfang der Kirche allzeit üblich gewesen sei.

Man spielt daher mit dem Wort Gottes, wenn man wider so klare Zeugnisse nichts von den Be­sessenen glaubt und sie nur wie andere gewöhnliche oder auffallende Kranke ansieht und behandelt; aber man entehrt auch die Vernunft, wenn man hierin zu leichtgläubig ist und auf den Schein hin sogleich die Besessenheit vom Satan wittert, wie es noch hie und da bei dem Volk geschieht, das gerne obenhin urteilt und zu wenig eine Sache prüft.

Weil ferner eine Leichtgläubigkeit in dieser Sache die katholische Religion dem Gespött ihrer Feinde preisgäbe, weil sie auf vielerlei Art die christlichen Pflichten verletzen würde, indem sie die vermeinten Besessenen selbst und auch ihre Eltern und Anver­wandten in die tiefste Betrübnis und Verlegenheit setzt, ja wohl gar in die Unmöglichkeit, dergleichen Personen anständig zu versorgen oder auch nur ihr geistliches Heil und zeitliches Wohl gehörig zu beför­dern; dann zu den lieblosesten freventlichen Urteilen und nachteiligsten sich weit verbreitenden Verleumdungen Anlass gibt, so haben die Bischöfe ihrer untergebenen Geistlichkeit die Beschwörungen der vor­geblichen Besessenen ohne eine vorläufige und tüch­tigen, Männern vorbehaltene ernste Prüfung gänzlich untersagt und befohlen, dass sie das Volk über die böse und schädliche Leichtgläubigkeit in Betreff einer teuflischen Besessenheit durch gründlichen Unterricht unterweise.

Und weil eben diese Leichtgläubigkeit in Beziehung auf die Besessenen den boshaften Bettlern die Ge­legenheit darböte, sich als Besessene auszugeben, ihre Mitmenschen durch Gaukeleien zu schrecken und zu täuschen, um den Einfältigen ein reicheres Almosen abzulocken, wodurch es dann den wahrhaft Dürftiger entzogen wird, und wobei nicht selten durch derlei boshafte Betrüger die Andacht gestört, der Aberglauben verbreitet und dem Müßiggang zur Verderbnis der Sitten und zur Last der Gemeinden nachgehangen wird, somit für Kirche und Staat die schädlichsten Folgen entstehen, so ist schon seit langer Zeit sowohl den geistlichen als auch weltlichen Obrigkeiten wie auch den Hausvätern und Vorgesetzten aufgetragen, bei derlei Vorfällen ein wachsames Auge zu haben, nichts oben­hin zu nehmen und je nachdem auch zu strafen.

Dasselbe gilt nun auch von den Zauberwerken des Teufels, die sich von der Besessenheit dadurch unter­scheiden, dass in den Besessenen der Satan auf die Leiber oder Seelen der Menschen unmittelbar in seiner Vereinigung mit dem menschlichen Körper wirkt, durch die Zauberwerke aber in Gemeinschaft mit dem Teufel äußerliche Dinge hervorgebracht werden, die der Mensch zu erhalten verlangt.

Gar nichts von diesen Dingen zu glauben, wider­spricht der Heiligen Schrift des alten und neuen Testamentes.

Das Gesetz des Alten Testaments verhängt über die Zauberer die Todesstrafe in dem es heißt: »Die Zauberer, das sind diejenigen, welche in der Kraft des Satans, dessen Diensten sie sich widmen, allerlei Künste ausüben, sollst du nicht leben lassen!«

Und im 3. Buch Moses: »Wenn Mann oder Weib Tote beschwören oder wahrsagen, so sollen sie sterben.«

Es gab also Leute nicht nur unter den Heiden, sondern auch unter dem Volk Gottes, welche solche Zauberkünste trieben. Von Saul heißt es, dass er in der ersten Zeit seiner Regierung die Zauberer und Wahrsager aus dem Land geschafft, zuletzt aber selbst die Zauberkünste der Hexe zu Endor gesucht habe. Im neuen Testament warnt Christus der Herr vor den vielen falschen Christen und Propheten, welche vor der Zerstörung Jerusalems aber auch vor dem Ende der Welt aufstehen werden, die da große Zeichen und Wunder tun werden, durch welche sogar die Auserwählten, wenn es möglich wäre, verführt wurden.

In der Apostelgeschichte kommt der heilige Petrus mit dem Zauberer Simon und der heilige Paulus mit dem Zauberer Elymas zusammen und trifft in Ephesus mehrere jüdische Teufelsbeschwörer und auch Bücher an, die man ihm dann zum Verbrennen brachte.

Offenbar zeigt dieses, dass Heiden, Juden und Christen an solche Zauberkünste geglaubt haben und nirgends finden wir auch bis jetzt noch eine deutliche Entscheidung, dass dies gänzlich ein Aberglaube oder ein bloßer Irrwahn gewesen und noch sei. Es ist daher auch anzunehmen, dass es teuflische Zauberkünste geben könne, zuweilen gegeben habe und noch ganz besonders am Ende der Welt solche geben werde.

Wohin aber die Leichtgläubigkeit in diesem Stück geführt hat und noch führt, ist entsetzlich. Sie hat zu einer Zeit geführt, wo man überall eine Menge von Zauberern, Teufelsbannern, Hexen, Unholden nicht nur vermutet, sondern auch dieses Verdachtes halber unschuldige Menschen scharenweise durch die schrecklichsten Torturen gezwungen, und aus Ver­zweiflung dahingebracht hat, dass sie sich als solche be­kennen und andere als Mitschuldige angeben mussten und dann nach Hunderten auf das Grausamste hin­gerichtet und verbrannt hat. Wo man ferner bei­nahe in jedem Dorf, ja oft auch Haufen von Pakten, Zusammenkünften, Hochzeiten und Gastmahlen zwischen dem Teufel und Hexenvolk, vom Wettermachen, Luft- und Gabelfahren, Milch, Vieh und Leute verhexen, von Alpen oder sogenannten Druden, von Gespenstern und Poltergeistern und dergleichen alles für wahr hinnahm, was man hörte und meinte, dabei dann seine Mitmenschen verdächtigte, lieblos beurteilte und verleumdete, anfeindete und sich unersättlich rächte.

Das Beste gegen Besessenheit und Zauberei ist, dass man ein reines Gewissen, ein von Sünden durch aufrichtige Buße geläutertes Herz hat, den eifrigen und öfteren Gebrauch des allerheiligsten Altarssakramentes nicht versäumt, mit lebendigem Glauben das heilige Kreuzzeichen macht, andächtig den allerheiligsten Namen Jesus anruft, wie auch Mariä und aller Heiligen, sich des Weihwassers bedient und kindlich und fest auf Gott vertraut; dann aber bei unerklärlichen Vor­fällen sich nicht Rat einholt bei zweideutigen oder verdächtigen Leuten, Quacksalbern und Segensprechen, sondern bei dem Geistlichen und Arzt und nicht aller­lei abergläubische Mittel anwendet, sondern die sucht, welche die heilige Kirche und die Arzneikunde hat und anbietet, dabei aber immer denkt: »Herr, dein Wille geschehe.«