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Jack – Kapitel V

Anton von Perfall
Jack
In: Deutsche Jugendbücherei, Nr. 5/6
Hermann Hillger Verlag Berlin – Leipzig

Kapitel V

Über ein Jahr war vergangen seit unserer Hochzeit. In der Wiege, die ich damals von Sacramento mitgebracht hatte, lag an Stelle des längst geleerten Whiskeyfässchens die kleine Angele. Ich war so glücklich über die Erfüllung dieses Teiles meiner damaligen Vision, dass mich die Verzögerung des anderen Teiles derselben wenig kümmerte. Damit ging es allerdings langsam, an Lust zur Arbeit fehlte es mir und Barbara nicht, für die nötigen Kenntnisse sorgte mein Freund Smith, mit dem ich ständig in Kontakt blieb, aber die Geldmittel mangelten. Von Grunderwerbungen, so günstig auch die Zeit dazu gewesen wäre, konnte keine Rede sein, und vier Arme, noch dazu zwei weibliche, reichten nicht hin zur Bewältigung der Arbeit. Auf Felipe war nicht zu rechnen, weniger wegen seines Alters, er war noch immer rüstig – als aus einem anderen Grund. Er war oft tagelang, wochenlang in den Bergen. Kam er dann ganz verwildert, ermattet und sichtlich verdrossen nach Hause, und fragte ich ihn, warum er sich denn nicht Ruhe gönne, sprach er von seiner alten Liebe zur Freiheit. Das Haus sei auch viel zu eng für so viele Leute, und ich nun einmal der Herr. Doch ich wusste es genau, was ihn ruhelos umhertrieb, ich las es aus seinen bald in fieberhafter Hoffnung leuchtenden, bald völlig mutlos blickenden Augen. Ich kannte aus eigener Erfahrung diese Krankheit, von der ich glücklich geheilt war. José hatte sich im Tod noch bitter an ihm gerächt.

Vergebens erklärte ich immer von Neuem die verheißungsvollen Worte des Sterbenden für eitel Lüge, – warum hatte er es nicht an sich genommen, das viele Gold, das gute Gold, anstatt zu rauben und zu stehlen? Doch mit Vernunftgründen ist dieser Leiden­schaft nicht beizukommen, sie klammert sich an alles und jedes.

Ich für mein Teil fühlte mich so reich wie noch nie. Ein ge­liebtes Weib, die kleine Angele, ein eigenes, wenn auch ziemlich geflicktes Dach über dem Haupt, ein paar Rinder, fünf Pferde, ein Dutzend Schweine und – last not least, den Begründer meines Glückes – Jack! Alles in blühender Gesundheit! Was sollte ich noch nach ungewissen Schätzen graben? Kein Zweifel, dass Gold in den Bergen zu finden war, doch ich kannte diese entnervende Arbeit, die von dem Menschen Besitz nimmt, ihm jede andere Tätig­keit unmöglich macht, jede edle Gefühlsregung erstickt.

Es handelte sich vor allem darum, ein vorteilhaftes Bewäs­serungssystem einzurichten. Ich hoffte, eine landwirtschaftliche Assoziation sämtlicher Rancher des Tales zu erreichen, wodurch die Kosten bedeutend vermindert wurden – doch vergebens! Mein guter Wille scheiterte an spanischer Indolenz und hochmütiger Dummheit. Der Deutsche soll nichts Neues einführen.

So ging ich denn allein an die Arbeit, allein mit meinem Jack, während Barbara vollauf mit dem Hauswesen, dem Viehstand und Angele beschäftigt war.

Ich wählte ein schmales, aber tiefes Rinnsal, welches jedes Frühjahr, einen Büchsenschuss von unserem Haus entfernt, einen Strom von Gestein in das Tal sandte und damit unseren Grund und Boden von Jahr zu Jahr mehr versandete. Es galt nun, alle Hindernisse daraus zu entfernen, einen möglichst glatten Wasser­lauf zu erzielen und für den Fall zu geringer Wassermenge kleine, in der Nähe befindliche Wasserrinnen künstlich damit zu verbinden, zuletzt am Auslauf ein geräumiges, durch eine Schleuse regulier­bares Bassin zu graben, aus welchem dann die Berieselung der um­liegenden Felder bewerkstelligt werden sollte. Zur Aushebung des Bassins und der ersten notdürftigen Bestellung von fünf Acre Weizen, um doch ein Versuchsfeld für die Bewässerung zu haben, sandte mir Smith einige tüchtige Arbeiter.

Es gab alle Hände zu rühren, um vor Beginn der Regenzeit fertig zu werden, es war sonst Gefahr, dass die stürzenden Wasser die Arbeit eines Jahres vernichten würden. Barbara selbst griff die letzte Woche unverdrossen zu Hacke und Spaten. Jack schleppte die Hölzer zum Belegen des Rinnsales hinaus, dann und wann auch zur Mittagszeit in einem kleinen Korb Angele. Es war Mitte Oktober. Jede Nacht konnte der erste Regen einfallen. Ich hatte seit Tagesanbruch hart gearbeitet und sogar Vater Felipe be­stimmt, mit Hand anzulegen. Mittags waren Barbara und Jack mit Nahrungsmitteln und der kleinen Angele heraufgekommen. Wir hielten köstliche Siesta unter dem Schatten einer Mimose, dicht vor unserem Arbeitsplatz.

Ich betrachtete mit Genugtuung, mein Pfeifchen rauchend, die sorgfältig mit glatten Balken ausgelegte Rinne, deren sich kein Ingenieur hätte zu schämen brauchen, und sah im Geiste schon das köstliche Nass, welches die tausend fruchtbaren Keime im Tal unten zum Leben erwecken sollte, lustig hinabschießen, während Angele, drollig zu mir hinüberschielend, an der Mutterbrust ruhte.

Felipe hielt es nicht neben mir, die fixe Idee, die ihn erfüllte, trieb ihn auch nun rastlos umher. Er ließ es sich nicht nehmen, dass hier in der Nähe der Platz sein müsste, woher das Goldquarz stammte, das er wie einen Talisman stets bei sich trug.

Das war auch der Hauptgrund, der ihn zwang, mit Hand an­zulegen. Mit seinem eisenbeschlagenen Stock stocherte er rastlos in dem Gestein umher. Es fehlte ihm jeder Sinn für eine plan­mäßige, zielbewusste Arbeit, deren Erfolg erst in der Zukunft lag und nicht handgreiflich war; die Verzimmerung schien ihm geradezu ein Frevel, er vermutete, mit dem Eigensinn des Alters, gerade unter ihr den erträumten Schatz und stieß die Eisenspitze wiederholt zornig in das Gebälk.

Ich kannte sein Gebaren und gab es längst auf, ihn zu heilen, meine Aufmerksamkeit war auf einen anderen Punkt gerichtet. Etwa zwanzig Meter über uns fiel das Rinnsal steil über eine Wand ab, zur Regenzeit einen Wasserfall bildend. Darüber lag ein flaches Plateau, in welchem sich Wasser sammelte, wenn es angefüllt, seitlich abfließen und so verloren gehen musste, und ich war nun auf jeden Tropfen Wasser so aus wie früher auf jedes Goldkörnchen. Da musste abgeholfen werden. In der Mitte des Beckens ein Ein­schnitt, um den Ablauf zu erleichtern, auf der Seite Verdämmungen – und die Sache war gut!

Es litt mich nicht länger, trotz der Mittagshitze stieg ich hinauf. Im Becken, welches in der Mitte trichterförmig ausgefüllt war, stand noch ein kleiner Rest Wasser, der kühle Schatten dicht über­hängender Zweige hatte das völlige Austrocknen verhindert. Ich rief nach Jack, welchem bei der Hitze die Zunge ellenlang aus dem Hals hing.

Wie ein Hund kam er heraufgestolpert und sog sich nicht nur tüchtig an, sondern trat, Kühlung suchend, mit den Vorderbeinen bis an die Brust in das kühlende Nass. Mein Untersuchen war bald beendet, mit einiger Arbeit konnte hier viel genutzt werden. Gleich den nächsten Tag wollte ich darangehen, heute aber gab es noch vollauf unten zu tun.

Jack brachte Angele wieder nach Hause, ich bedurfte seiner heute nicht mehr. Erst beim Dunkelwerden verließ ich den Arbeits­platz. Ein arger Schrecken befiel mich, als ich Barbara mir entgegen­eilen sah, sichtlich aufgeregt. War Angele etwas zugestoßen? Es gab keinen Arzt weit und breit.

»Denke dir, der arme Jack ist krank, todkrank …²

Obwohl ich etwas erleichtert aufatmete, war die Nachricht doch schlimm genug. Abgesehen von meiner innigen Anhänglichkeit an das Tier, das Leid und Freud mit mir so treu geteilt hatte, war ich in Bezug auf ihn wirklich etwas abergläubisch geworden. Ich warf schnell meine Schaufel weg und eilte in den Stall.

Das sah allerdings bedenklich aus. Jack lag auf der Streu auf der Seite und litt sichtlich Schmerzen. Ich verstand den hilfe­suchenden Blick seines klugen Auges, das ganze Register seines Schnaubens. Vor allem wollte ich ihn nötigen, aufzustehen. Er weigerte sich entschieden; als ich dann den Leib befühlte, ob er sich bei der Hitze an seiner Lieblingsspeise, dem Mais, überfressen, stieß er mich energisch mit dem vorderen rechten Huf in die Seite. Ärgerlich darüber riss ich ihn gewaltsam in die Höhe. Dann und wann simulierte er auch, wohl um einen arbeitsfreien Tag zu ge­winnen. Doch ich hatte ihm diesmal Unrecht getan, er stand auf drei Beinen und hielt mir, wie ein krankes Kind, den rechten Fuß hin. Als ich diesen aufhob, gewahrte ich die Ursache seines Leides: Ein kantiger Stein hatte sich eingeklemmt und drückte ihn wohl wund, bei der starken Hitze war eine Entzündung eingetreten und die Fessel ziemlich angeschwollen. Es war ein Quarzstück, mit rost­farbigen Linien durchzogen. Vergebens bemühte ich mich, den Stein zu lösen. Barbara musste Meißel und Hammer holen. Vater Felipe, wel­cher Jack stets mit einer gewissen Scheu behandelte, kam mit Barbara.

Auf einen Schlag brach ich den Stein entzwei, und es kullerten zwei Stücke zu Boden. Jack trampelte vor Freude über die gelungene Operation und löste zum Dank verschiedene Rechenexempel.

Barbara war glücklich, die Gefahr so rasch beseitigt zu sehen, und überhäufte ihn mit Schmeicheleien.

Als ich mich nach Felipe umsah, erblickte ich denselben auf den Boden gekauert, die beiden Quarzstücke in der Hand. Ich empfand einiges Mitleid mit dem schwachsinnigen Greis. Plötzlich sprang er auf und tanzte in tollen Sprüngen unter unheimlichem Gelächter im Stall umher.

Endlich hielt ich den Alten fest und entriss ihm den Stein, die Ursache seines wahnsinnigen Jubels. Doch auch mich bannte dessen Anblick. In der Mitte des verwitterten, mit eisenhaltigem Pyrit durchsetzten Quarzes funkelte ein sprühendes Goldkörnchen, frisch und glänzend, wie eben der Mutter Natur aus dem Schoß ent­sprungen. Ich erkannte sofort einen Ouarzfindling. Der Stein war hart, rau und eckig, also nicht vom Wasser verschwemmt, sondern vom Muttergestein abgesprengt, das sich nicht weit von seinem Fundort befinden konnte, und auch diesen erriet ich sofort. Es war das Becken, in welchen Jack seinen Durst gestillt hatte. Das Übrige war für einen erfahrenen Pocketminer, wie ich mich zu sein rühmte, ein Kinderspiel.

Felipe starrte mich während der Untersuchung mit ängstlicher Erwartung an. »Der Schatz! Der Schatz! Er hat doch nicht ge­logen, der arme José! Aber wo ist er? Jack, goldener Jack, wo? O, er wird uns hinführen. Ich sagte es ja, er ist ein Wundertier, er ist mehr als ein Esel! Sprich doch, mein Junge, oder willst du auch jetzt noch verzimmern, Wasser fangen und Weizen anbauen?«

»Gewiss, Vater, jetzt erst recht«, erwiderte ich. »Übrigens hat dieser Fund mit dem Josés und den alten Missionsvätern nichts zu tun.«

»Nichts zu tun?« Er zog das Placergold aus der Tasche, das er immer mit sich herumtrug. »Ist Gold nicht Gold?«

Vergebens zeigte ich ihm den Unterschied in der Bildung, welche auf völlig verschiedene Fundorte schließen ließ. Erst als ich ihm erklärte, dass mein Fund viel mehr Anhaltspunkte zur Auf­findung des von ihm so heiß ersehnten Goldes bot, als der Josés, gab er sich zufrieden. Er sah zu mir herauf wie zu einem seiner Heiligen, schmeichelte mir wie ein Kind und verlangte sofortigen Aufbruch, obwohl es schon dunkelte.

Ich erklärte ihm, da sei nur mit ruhiger Besonnenheit etwas zu leisten, und vor allem müsse die Wasserarbeit fertiggestellt werden, die jetzt bei der frohen Aussicht, der ich mich selbst hinneigte, mir doppelt am Herzen lag.

Das war ihm unbegreiflich, er hielt jetzt offenbar mich für wahnsinnig und verließ ganz gebrochen den Stall. Barbara war verschwunden. Als ich in die Wohnstube trat, saß sie vor der Wiege, das weinende Kind stillend. Auch sie wusste, um was es sich han­delte, hatte das blinkende Gold erblickt, aber ein Schrei ihres Kindes, den ich in meinem Eifer längst überhörte, ließ sie den Fund ver­gessen. Der Anblick erschütterte mich heilsam in seinem schroffen Gegensatze zu der hässlichen Gier Felipes.

Trotz alledem verbrachte ich eine unruhige Nacht, ich weckte alle Erinnerungen aus meinem Minerleben, die alten Erfahrungen, zündete wiederholt das Licht an und betrachtete von Neuem den Findling. Ehe der Morgen graute, stand schon Felipe vor meinem Bett.

Ich schlug ihm, seine Unruhe fürchtend, vor, mich allein gehen zu lassen; doch er ließ sich nicht abweisen. Der Tag war für die Wasserarbeit verloren, ich freute mich, dass ich darüber ein Missbehagen empfand. Übrigens muss ich offen gestehen, dass es mir selbst unmöglich gewesen wäre, meine Forschung aufzuschieben. Ich stieg ohne Aufenthalt zu dem Becken empor, obwohl Felipe es sich nicht nehmen ließ, Jack habe sich das Quarzstück weiter unten in der Rinne eingetreten, die er schon lange im Auge gehabt hatte. Ich war froh, seiner ledig zu sein und ließ ihn ruhig seine alten Stocher­arbeiten wieder aufnehmen.

Vor allem ließ ich den Wassertümpel ab, eine Rinne grabend. Es fanden sich mehrere, meinem Findling entschieden verwandte Stücke, alle von Pyrit durchsetzt, das beste Zeichen für mich, ob­wohl der Goldgehalt verschwindend war.

Die Stücke sind vom Muttergestein abgesprengt und kommen naturgemäß in möglichst gerader Linie vom Pocket oder den Quarz­adern den Bergabhang herab, wobei sich die Goldspuren vom Ausgangspunkt aus gegen den Fuß des Berges, in diesem Fall des Beckens, fächerförmig ausbreiten – so urteilt der Pocketminer.

Ein Blick aufwärts machte mir die Sachlage klar. Eine kegel­förmig sich zuspitzende Steinrinne mündete in das Becken. Das war die einzig mögliche Bahn. Die Spitze der Rinne verlor sich zwischen zwei, einen schmalen Durchlass gewährenden, aufstrebenden Felsenwänden, deren verwittertes, rötliches Gestein sich grell aus dem Grün der Umgebung abhob.

Es war mir in meiner langjährigen Praxis noch kein so klarer, jeden Zweifel ausschließender Fall vorgekommen. An diesen Wänden musste die Quarzader zu Tage treten, das Pocket, das heißt das in dem Quarz eingebettete Goldnest.

Das Auffinden ähnlich konstruierter Stücke in den Steinrinnen, während ich nun hinaufstieg, bestätigte immer mehr meine Annahme. Ich musste an mich halten, nicht achtlos hinaufzustürmen, wohin es mich mit magischer Gewalt zog. Die Stücke wurden immer seltener, aber nahmen an Umfang zu. Der Umstand, dass die meisten, als ich sie mit einem Hammer zerschlug, nur leise oder gar keine Spur von Gold zeigten, machte mich nicht irre. Ich erkannte sie doch als Genossen dessen, welchen ich in Jacks Hufe fand, und da und dort sah ich deutlich die Berührungsstellen mit dem edlen Metall, an denen die Absprengung erfolgte.

Felipe war mir mühsam nachgeklettert und folgte nun jeder meiner Bewegungen; er bückte sich mit mir und wandte jedes Steinchen noch einmal, das ich aus der Hand gelegt hatte, störte mich aber wenigstens mit keiner Frage, wohl um mich nicht aufzuhalten, nur aus meinem Gesicht versuchte er angestrengt zu lesen.

Ich war bei den zwei Felswänden angelangt, sie bildeten einen schmalen, vier bis fünf Meter tiefen, fast horizontalen Gang, welcher sich dann plötzlich senkrecht schloss. Nur das in der Regen­zeit hier herabstürzende, im späteren Verlauf das Becken und dann meine gezimmerte Rinne füllende Wasser hatte einzelne Ver­tiefungen und Vorsprünge gebildet, welche einen Aufstieg ge­statteten.

Ich betrat den Gang. Dichtes Moosgeflecht überwucherte die Wände zu beiden Seiten, eine köstliche Kühle herrschte; ein Frösteln überlief meinen Körper. In solchen Augenblicken ist es nicht mehr die nackte Habsucht, die dem Miner das Herz höherschlagen lässt, sondern ein viel höheres Lustgefühl, dasselbe wohl, das den Jäger in der Nähe seiner Beute beschleicht.

In einer Vertiefung befand sich das Pocket, daran zweifelte ich nicht mehr. Wurde das Quarzgestein aus oberen Regionen vom Wasser herabgeschwemmt, so konnte es unmöglich die kantige, raue Gestalt bewahrt haben.

Ich musste Felipe energisch verbieten, mir weiter zu folgen, der Aufstieg war nun selbst für mich nicht mehr gefahrlos. Sorg­fältig untersuchte ich die erste Vertiefung. Hier war alles glatt ab­geschliffen, förmlich poliert von dem stürzenden Wasser und nicht der geringste Bruch bemerkbar. Dann ging es mithilfe kleiner Vorsprünge, die kaum meinen Füßen Platz boten, weiter hinauf zur zweiten, die aus einer horizontal laufenden Schicht wilden Gesteins bestand. Ich hielt es für Grafit, also für mich völlig be­langlos. Als ich unter mich sah, erblickte ich Felipe in kniender Stellung im Gang, wie ein Raubvogel nach mir blickend.

Die dritte Vertiefung, etwa sechs Meter über mir, war noch schwieriger zu erreichen, doch ich erkannte einen ausgezackten, ab­gebröckelten, weiß glänzenden Rand. Dieser Anblick ließ mich alle Gefahr vergessen, hier lag das Pocket, oder es war überhaupt nicht vorhanden, der gefundene Stein, vielmehr ein einzelner versprengter Findling, einer von denen, die den Miner nur zu oft tagelang in die Irre führen.

Ich kletterte auf die linke Seite, an welcher überhängendes Buschwerk Halt bot, hinauf. Deutlich gewahrte ich eine frische, noch nicht vernarbte Bruchstelle – der Atem stockte mir – ich musste einen Augenblick innehalten – dann schwang ich mich hinauf, als wären mir Flügel gewachsen, bog mich über und stieß einen Schrei aus, der von Felipe erwidert wurde. Da lag es vor mir, das Pocket in seinem ganzen verführerischen Schimmer! Eine durch die Oxy­dation des eisenhaltigen Pyrits stark zersetzte Quarzader querte die Vertiefung. Das fallende Wasser hatte im Laufe der Jahre die Quarzader an vielen Stellen hinweggespült und das blanke polierte Gold trat zutage. Ich fasste danach und strich die glatte Fläche lachend wie ein Kind. Nur einen Augenblick, dann füllte ein anderes Bild meine Seele. Ich blickte hinab in das Tal. Die Arbeiter Smiths pflügten den frisch gerodeten Boden, einer säte. Ich sah die Schollen sich wenden und glaubte ihren Duft zu atmen. Ich sah die goldenen Strahlen der fliegenden Körner – und hier vor mir lag jetzt tausendfacher Samen, endlose Weizen­felder, fruchtstrotzende Weingärten. Unten brüllte Felipe: »Nur ein Stück, Frank, nur ein Stück! Ich muss es sehen, das Gold!«

Ich ergriff den Hammer im Gürtel und schlug in blinder Wut auf das Gestein, es kullerte hinab in den Sombrero Felipes, schlug ihm die Finger blutig, das Haupt wund und er wälzte sich, unar­tikulierte Laute ausstoßend, auf dem Boden und haschte nach den rollenden Stückchen.

Da ergriff mich die Scham über mein wahnsinniges Beginnen, über das alte Fieber, das mir das Hirn zu versengen drohte, und ich begann ruhig zu beobachten. Die Ader war etwa fünf Zentimeter breit, die Tiefe konnte ich nicht bemessen, ebenso wenig, in welcher Weise sie verlief, da sie sich, nur als ein freiliegendes Band für mich sichtbar, aus beiden Seiten in den Wänden verlor. Doch so unsicher meine Schätzung in dieser Erregung auch war, so viel war gewiss, sie enthielt vollauf die Mittel, die ich nötig hatte, meine Pläne durchzuführen, und mehr wünschte ich nicht einmal in diesem Augenblick, in welchen ich die dämonische Wirkung des Goldes sowohl in mir deutlich empfand, als unter mir symbolisch erblickte, in der blutbesudelten, sich wie ein tolles Tier gebärdenden Greisengestalt.

Ich füllte meine Taschen mit den kostbaren Quarzsplittern und stieg hinab zu Felipe, welchen meine derbe Strafpredigt über sein lächerliches Gebaren allmählich wieder zum Menschen machte. Ich war begierig, welchen Eindruck die Freudenbotschaft auf Bar­bara machen würdet – sie war ja doch die Tochter ihres Vaters – wenn auch so verschieden von ihm.

Ich eilte Felipe voraus, den die Anstrengung ermattet hatte. Von der Höhe herab erblickte ich sie schon, Angele im Arm, bei den Feldarbeitern stehend. Ihre Gedanken waren also nicht allein bei dem Gold. Ich pirschte mich ungesehen möglichst nahe heran. Es war ein mich mächtig bewegender Anblick, das liebliche, gesundheitstrotzende Kind im Arm meines Weibes, der goldene Samen­regen, der auf die jungfräuliche Scholle fiel. Das Gold in meinen Taschen zog mich förmlich zu Boden – eine drückende Last! Ich war misstrauisch dagegen und der Gedanke stieg in mir auf, ob es nicht besser oben geblieben wäre in der Rinne! Plötzlich trat ich vor, Barbara kam mir glückstrahlend entgegen und die kleine Angele streckte die Fäustchen nach mir aus – sie waren gefüllt mit Weizenkörnern.

»Sieh nur, Frank, der reiche Segen! Wie freue ich mich auf die erste Ernte – das wird ein Glück werden!«

Keine Frage nach dem Gold, und doch musste sie wissen, zu welchem Zweck ich das Haus verlassen hatte.

Ich schämte mich fast, davon zu beginnen, da kam Felipe atem­los herein, den gefüllten Hut in der Hand. Er war sprachlos über die Ruhe, mit der wir das Kind herzten.

»Ja, weißt du denn noch nicht? Hat dir Frank nicht gesagt? Hat ihn das Glück verrückt gemacht! Da! Da!«

Er hielt Barbara den Hut hin. »Gold – alles Gold! Du bist eine reiche Frau, der Jack hat es gewusst! Der liebe Jack!«

»Wirklich Gold? Alles Gold?« Sie warf einen ungläubigen Blick auf das unscheinbare Gestein und griff mit scheuem Zögern nach einem der Spezimente. »Da sieh her!«, sagte ich und zog ein Quarzstück aus der Tasche. »Das sind viele Ernten, Barbara, ganze Scheunen voll!«

Sie lächelte selig und blickte unverwandt auf das Kind. »Wie sagtest du damals? Er würde das ganze Tal aufkaufen, in wenig Jahren würde der Weizen wogen von einem Ende zum anderen, das neue kalifornische Gold, an den Berghängen wird der kostbare Wein wachsen, aus den saftigen Weiden der Höhen Rinderherden weiden, an Stelle dieser verfallenen Hütte eine vornehme Hazienda stehen, in welcher der alte Felipe Loretto im frohen heiteren Leben alles genießt als der reichste Landbesitzer inmitten seiner Enkel …«. Sie sprach das sonderbar feierlich, als ob sie in dem Kleinod wie in einem Spiegel die Zukunft erblickte.

»Und alles soll Wahrheit werden«, bekräftigte ich.

Da griff Angele nach dem glänzenden Ding, betrachtete es lallend, wälzte es in seinen kleinen Händen und warf es dann plötz­lich verächtlich auf die Erde. Barbara konnte darüber herzlich lachen, und Angele lachte mit und griff ihr mit beiden Fäustchen in das Gesicht – und Gold und Zukunft waren vergessen.

»Du verdienst gar nicht solch ein Glück«, sagte Felipe ärgerlich über diese frevelhafte Gleichgültigkeit.

»Und ich meine, sie verdient es mehr als irgendein Mensch, und weil sie das Glück nicht im Gold sucht, wird es sie auch nie unglücklich machen, wie tausend andere.«

Zu allem Überfluss kam gegen Abend noch mein guter Freund Smith geritten, um nach den Arbeitern zu sehen. »Jetzt kannst du es hoffentlich vertragen«, sagte er, als ich ihm unser Glück mitteilte. »Wenn du aber dem herrlichen Boden untreu wirst, hol dich der Henker! Das Zeug da hat nur Wert, wenn es in Arbeit umgesetzt wird.«

Seine neidlose Freude füllte den Becher meiner Wonne bis zum Rand.

Ein Fässchen Napawein verherrlichte den Abend. Jack, der Held, musste sein ganzes Repertoire zum Besten geben, und Felipe versprach ihm hoch und heilig, dass er nie mehr arbeiten dürfe, ein Versprechen, das im Interesse meines alten Freundes nicht auszuführen ich in meinem Inneren beschloss.

Gegen Mitternacht prasselte der erste Regen gegen das Fenster – auf meine erste Saat! Felipe war entsetzt – wenn das Wasser das Gold mit fortschwemmte! Wir traten vor die Tür und lauschten andächtig dem rauschenden, dem Himmel entströmenden Segen, der in diesem Tal zum ersten Mal sich herabsenkte auf von Menschen­hand bebaute Flur – es war wie ein Gebet! Auch drinnen in der Stube wurde eines vollbracht – auf anderer Art. Felipe lag auf den Knien vor dem Madonnenbild und betete für das Pocket.

Alles ist eingetroffen, was Barbara damals geschaut in dem kleinen Glasspiegel. Loretto Rancho beherrscht das ganze Tal! Der Weizen wogt von einem Ende zum anderen, an den Berg­hängen wächst die Rebe, auf der Höhe weiden die Rinder. Eine stattliche Hazienda steht an Stelle der zerfallenen Hütte, nur an Felipe ging die Prophezeiung nicht in Erfüllung. Er verlebte kein heiteres Alter im Kreis seiner Enkel Angele, Pierre und Mire. Die Ausbeute des Pocket, welche weit hinter seinen Erwartungen blieb – es lieferte gerade so viel, aber nicht mehr, als wir zu einem ersprießlichen Anfang bedurften, das Übrige taten rastlose Arbeit und der dankbare Boden – befriedigte nicht seinen brennenden Golddurst, sondern reizte ihn bloß. Rastlos trieb es ihn in den Bergen umher und raubte ihm die höchste Freude des Alters, die ihm so reichlich zuteilgeworden wäre, das sorgenlose Genießen des Glückes seiner Kinder und Enkel.

Im Garten der Hazienda unter einem Magnolienbaum aber steht ein schneeweißer Granitblock mit der goldenen Inschrift Jack.