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Sagen und alte Geschichten der Mark Brandenburg 45

Die Bittschriften-Linde in Potsdam

Friedrich II. bewohnte die Eckzimmer im Potsdamer Schloss nach der Teltower Brücke zu, von wo er die Aus­sicht auf die Havel und den Brauhausberg hatte und von seinem Schreibtisch aus vermittelst dreier Spiegel den Lust­garten, die Brücke und die ganze Umgebung des Schlosses übersah. Unter dem Fenster zunächst der Brücke steht eine alte Linde, welche noch jetzt die Bittschriften-Linde genannt wird, weil an ihr diejenigen ihren Standpunkt zu wählen pflegten, welche ein Gesuch in die Hände des Königs zu bringen wünschten. Sah sie der König hier stehen, so schickte er gewöhnlich sogleich hinab, um ihnen die Bitt­schriften abnehmen zu lassen. Dieser Weg, Wünsche oder Klagen vor den König zu bringen, wurde aber nicht bloß von den Bewohnern der Stadt und ihrer Umgebung ge­wählt, aus den fernsten Teilen des Landes sah man unter dieser Linde die Bittenden in ihrer heimatlichen Tracht stehen und hoffend und fürchtend ihre Blicke zu den Fen­stern des königlichen Arbeitszimmers hinaufrichten. Die halb verwachsenen Narben, welche einige Fuß von der Erde ringsum in der Rinde des Baumes zu sehen sind, sollen von dem Pflücken und Zupfen herstammen, womit die Bittsteller in der Unruhe ihres Herzens den Stamm verwun­deten.

An diese Linde hat sich nun ein schöner Volksglaube angeschlossen. Wenn jemand nämlich über die Erfüllung eines Wunsches so recht in Sorge ist, dann geht er um Mitternacht unter die Linde am Schloss und schaut hinauf nach dem Eckfenster; scheint dieses dann wie durch ein blasses, weißes Licht von innen heraus erleuchtet, so ist dies ein sicheres Zeichen, dass sein Wunsch in Erfüllung gehen wird. Ein Lichtschimmer aus Friedrichs des Großen Zimmer gilt als das beste Vorzeichen.

Das Bild am Dom zu Brandenburg

An dem Dom zu Brandenburg, der zum Teil wahr­scheinlich noch aus dem 10. Jahrhundert stammt, sieht man über dem unter dem Turm befindlichen Haupteingang ein aus Stein gemeißeltes, altes Bild, das einen Fuchs in einer Mönchskutte darstellt, wie er zuerst einer Versammlung von Gänsen predigt und zum Schluss eine derselben im Rachen davonträgt. Wie dieses Bild dahingekommen war, erzählt man auf zwiefache Weise.

Die einen sagen: Der Baumeister des Doms habe für seinen herrlichen Bau geringen Dank und noch weniger Lohn gehabt, ja er habe sogar fliehen müssen; da hat er denn aus Rache in der Nacht vor seiner Flucht das Bild am Dom angebracht.

Andere erzählen: Ein Domprobst von Burgsdorf, der viel für die Verschönerung und Ausbesserung des Doms tat, habe es verfertigen lassen, aus Unmut darüber, dass der von ihm bereits abgeschaffte Dienst der Messe in lateinischer Sprache nach dem Schluss des Westfälischen Friedens wieder eingeführt werden musste.