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Thomas Bagger – Nacht – Die Toten von Jütland

Thomas Bagger – Nacht – Die Toten von Jütland

In einer stürmischen Oktobernacht schlummern die meisten Süderjütländer in ihren Betten oder drängen sich in warmen Kneipen. Auch Bauer Claus Fockbek liegt im Bett und träumt, als seine Frau ihn unsanft weckt und ihm mitteilt, dass oben auf dem Wall etwas ist, ein Licht, das dauernd an und ausgeht. Und außerdem ein Geräusch, das wie eine Sirene klingt.

Widerwillig macht sich Claus auf zum Kamm der alten Wallanlage, der 46 Meter über dem Meeresspiegel liegt. Er sieht in der Ferne das Licht und hört auch etwas später die Sirene. Claus hat bei seinem Aufbruch in die Dunkelheit noch die Schrotflinte seines Großvaters aus dem Geräteschuppen geholt, um sich schützen zu können. Ihm ist die Sache nicht geheuer, und so schaltet er seine Taschenlampe vorsichtshalber nicht ein, obwohl heimtückische Fuchsbauten und glitschige Steine im hohen Gras den Weg gefährlich machen.

Endlich hat Claus das blinkende Licht erreicht. Es handelt sich um einen merkwürdigen Apparat, ähnlich einem Bewegungsmelder, der mit einer blinkenden LED-Birne ausgerüstet ist. Der Sensor ist an eine Stange montiert, die in der Erde steckt. Die Sirene klingt aus unmittelbarer Nähe ohrenbetäubend laut.

»Hallo, ist da jemand?«, fragt Claus zaghaft, aber niemand antwortet.

Da sieht er eine Gestalt am Fuß der Apparatur. Er schaltet nun doch die Taschenlampe ein, richtet den Lichtkegel auf die Gestalt und hält die Schrotflinte umklammert. Es handelt sich um einen Toten, der ihn mit leerem Blick anstarrt. Claus taumelt rückwärts und denkt, dass das nicht sein kann. Er sieht den Toten zum zweiten Mal innerhalb von drei Tagen.

Carina Fockbek, die schon bereut hat, dass sie ihren Mann dorthin geschickt hat, schaut aus dem Fenster und bemerkt, dass der Lichtkegel der Taschenlampe ihres Mannes plötzlich abfällt und direkt in den Himmel strahlt. Dann sieht sie kurz zwei Lichtpunkte aufleuchten. Zeitlich verzögert hört sie schließlich die Schallwellen von zwei Schrotflintenschüssen. Carina rennt zum Telefon.

Am nächsten Morgen trifft sich das ehemalige Liebespaar, Jenny Seland und William Grandberg, beide Polizisten, nach einer gemeinsamen Nacht in der Küche von Williams Wohnung, als dessen Handy klingelt. William ist Chef der Mordkommission der Polizeidirektion Esbjerg und hat gerade seine Beziehung zu Jenny beendet. Er erfährt von dem Leichenfund auf dem Kamm der Wallanlage, und die beiden setzen sich eilig ins Auto und fahren dorthin.

Am Fundort der Leiche werden die beiden von Niels Christensen, einem Polizisten von der nahen Polizeistation, in Empfang genommen. Sie erfahren, dass die Kollegen an allen Zufahrtswegen zum Wall Wache halten und dass das Gebiet etwa einen Hektar Land umfasst. Auf Absperrband hat man verzichtet, weil es sich um Naturschutzgebiet handelt.

William schickt Fußstreifen aufs Gelände, damit sie die Journalisten abfangen, die versuchen werden, nahe an den Toten heranzukommen. Dann will er selbst die Leiche sehen.

Christensen sagt, es gebe da noch ein Detail, das William kennen solle, bevor er die Leiche sehe. Der Chef der Mordkommission antwortet zunächst neutral. Dann wirft der Beamte seinem Kollegen einen raschen Blick über die Schulter zu. Schließlich wird William ungehalten und fordert in unangenehmem Ton Auskunft.

Am Horizont ist die Flensburger Förde zu sehen, als die vier Polizisten auf dem Leichnam hinabschauen und eine Erklärung für das suchen, was sie dort sehen. Quer über den Brustkorb des Mannes ist eine Reihe von Buchstaben geritzt. Wegen der Blutleere im Innern des Körpers lässt sich das Geschriebene aber nur mühsam entziffern. Dort steht Williams Nachname: Grandberg.

Was um alles in der Welt hat das zu bedeuten?

 

Thomas Bagger schreibt einen Kriminalroman, der von Seite zu Seite spannender wird und trotz einer relativ geringen Anzahl von Tatverdächtigen bis zum Schluss nicht eindeutig ist, und man muss bis zum Ende lesen, um tatsächlich die Auflösung präsentiert zu bekommen.

Außerdem ist das Buch düster, so wie es auch die Landschaft ist, in der es spielt und deshalb nicht so sehr für zart besaitete Leser zu empfehlen. Vor allem die Brutalität der beschriebenen Morde sorgt dafür, dass die Geschichte nicht für jeden Leser geeignet erscheint.

Dennoch ist die Psyche von Täter, Opfern und Ermittlern ausführlich beschrieben, und man kaum kann dem Erzähler bescheinigen, dass er eine Reihe interessanter Charaktere miteinander agieren lässt. Ob allerdings ein Trauma, wie es der Täter in der Story erlebt, tatsächlich zu einer dermaßen kranken Psyche und so extremen, darauf basierenden Taten, wie er sie in diesem Buch begeht, führen kann, oder ob es sich hier um bloße Fiktion handelt, sei dahingestellt.

Interessant zu lesen ist die Geschichte jedenfalls, auch wenn sie nicht für jeden Leser empfehlenswert ist.

Die Landschaft und ihre Bewohner, die der Autor dem Leser in seinem Roman nahebringt, sind sehr speziell, und die Düsternis von Süderjütland schreit geradezu nach dem Titel, den Thomas Bagger dafür gewählt hat.

Fazit:
Der Autor legt mit Nacht/ Die Toten von Jütland einen düsteren und brutalen Thriller vor. Nicht jedem Leser, insbesondere nicht sensiblen Charakteren, ist die Lektüre des Buches anzuraten. Stärkere Personen erwartet ein beklemmender Krimi mit drastischen Gewaltpassagen, also ausgesprochen harte Kost.

Der Autor:

Thomas Bagger wurde 1981 geboren. Er studierte Medienwissenschaften und wollte in der IT- Branche Fuß fassen, aber entwickelte sich stattdessen zum erfolgreichen Autor.

2017 veröffentlichte er seinen ersten Kriminalroman und begeisterte damit etwa 40 000 Hörer beim größten dänischen Audio-Streamingdienst. Mit seiner Thriller-Reihe um David Flugt Und Lukas Stage von der Task Force 14 erreichte er gute Kritiken und bereits die zweite Nominierung für den Publikumspreis der dänischen Krimi-Messe.

Baggers Krimis enden selten glücklich. Er will stattdessen ein realistisches und notwendiges Ende erreichen, das nicht Herzen gewinnen, sondern die moralische Haltung der Leserschaft herausfordern soll.

Quellen:

Thomas Bagger, Nacht/ Die Toten von Jütland, Knaur Taschenbuch, Deutsche Erstausgabe, München, Oktober 2023.

Bilder:

  • Cover des Romans. Mit freundlicher Genehmigung der Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG.
  • Foto des Autors. Copyright: Anders Bach, Ebenfalls mit freundlicher Genehmigung der Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG.

(ww)

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