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Der Märkische Eulenspiegel 8

Der Märkische Eulenspiegel
Seltsame und kurzweilige Geschichten von Hans Clauert in Trebbin
Niedergeschrieben von Oskar Ludwig Bernhard Wolff
Leipzig, 1847
Überarbeitete Ausgabe

Hans Clauert, Schlosser aus Trebbin

Wie Clauert für seine Frau Wein holte

Kurze Zeit darauf geschah es, dass der Kurfürst zu Trebbin ein Nachtlager hielt. Dabei gedachte sich Hans Clauert einen guten Trank zu holen, welchen er auch durch folgende List bekam. Als er sah, dass der Kurfürst an einem bequemen Ort stand, wo er ihn ansprechen konnte, versuchte er hineinzukommen und meldete demselben, dass er eine arme kranke Frau zu Hause hätte, die er mit einem Trunk guten Weines wieder aufzubringen hoffe (wäh­rend er sie doch lieber mit einem Löffel voll Wasser ersäuft hätte). Weil er aber aus gänzlicher Mittellosigkeit nicht imstande sei, den Wein zu bezahlen und noch viel weniger an diesem Ort Geld zu bekommen wüsste, so bat er untertänigst, der Herr möge doch ein Werk der Barmherzigkeit tun und seiner armen kranken Frau mit einem Trunk guten Weines gnädig zu Hilfe kommen. Hierauf gab der Kurfürst, weil ihm Hans Clauert unbekannt war, sogleich den Befehl, dass man ihm eine Kanne Rheinischen Wein geben solle. Als Clauert den Wein hatte, vergaß er seines Weibes, ja er konnte nicht einmal das Tor vom Schloss herab finden, sondern geriet an die Küchentür, wo er zum guten Trunk auch noch einen guten Bissen suchte. Dies gefiel den Köchen sehr wohl; sie brachten das beste Essen herbei, das sie hatten, genossen aber dagegen auch von dem guten Wein. So tranken sie miteinander, bis der Boden in der Kanne zu sehen war. Da sagte einer von den Köchen: »Hätten wir von diesem Wein noch eine Kanne, wir möchten sehen, wie es Clauert vergolten würde.

Clauert tröstete sie und sprach: »Trinkt diesen aus; ich weiß, dass der Herr mir noch eine Kanne Wein gibt.«

Darauf nahm er die Kanne und füllte sie in der Küche mit Wasser. Da er nun bemerkte, dass der Kurfürst gerade aus dem Fenster herabsah, ging er seines Weges dahin und verstellte sich, als ob er nicht gut sehen könnte. Nun schien es ihm aber die rechte Zeit zu sein. Er fiel mit der Kanne nieder, beklagte sich sehr darüber und stellte sich, als ob er nicht wieder aufstehen könnte.

Als der Kurfürst dies sah, sprach er: »Ach, der arme Mann wird sich mit dem Gesicht nicht gut behelfen können; wie geht es ihm doch so übel? Wir haben befohlen, ihm eine Kanne Wein zu geben, um sein krankes Weib damit zu laben; nun ist er so schlimm gefallen, dass er nicht wieder aufstehen kann, und hat dazu auch den gan­zen Wein verschüttet.« Zugleich befahl er auch, man solle ihm die Kanne alsbald wieder mit Wein füllen.

Clauert, darüber aufs Höchste erfreut, dankte dem Kurfürsten für diese ihm erwie­sene hohe Gnade, dachte aber sogleich wieder an den vorigen Ort, wo man gute Bissen speiste. Er ging also in die Küche zurück, trank den Wein mit den Köchen wieder aus und ließ seine Frau anstatt des Weines Wasser trinken.