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Secret Service Band 2 – Kapitel 6

Francis Worcester Doughty
Secret Service No. 2
Old and Young King Brady Detectives
Told by the ticker
Oder: Die zwei King Bradys in einem Wallstreetfall
Eine interessante Detektivgeschichte aus dem Jahr 1899, niedergeschrieben von einem New Yorker Detective

Wer kennt ihn nicht, den berühmten Detektiv Old King Brady, der mehr Rätsel gelöst hat als jeder andere Detektiv, von dem man je gehört hat.

In der Reihe der Geschichten, die in SECRET SERVICE veröffentlicht werden, wird ihm ein junger Mann zur Seite stehen, der als Young King Brady bekannt ist und dessen einziges Lebensziel darin besteht, Old King Brady darin zu übertreffen, gefährliche Fälle aufzuklären und die Verbrecher zur Strecke zu bringen. Wie gut ihm dies gelingt, wird in den folgenden, im SECRET SERVICE veröffentlichten Geschichten ausführlich geschildert.

Kapitel VI

Das Telegramm

Es gab keinen Zweifel daran, dass Sid Carter meinte, was er sagte.

Tatsächlich hatte er sich in diesem Moment fest vorgenommen, seinen Plan in die Tat umzusetzen.

Mit einem hässlichen Grinsen sagte er: »Mike, dieser alte Gauner ist uns auf den Fersen und will uns schaden. Das Beste, was wir tun können, ist, ihn zu erledigen und ihm ein Ende zu bereiten.«

»Das wird nicht einfach.«

»Das ist möglich. Er kann erledigt werden!«

»Oh, natürlich; wenn er uns nicht zuerst erledigt.«

»Ich glaube, du bist ein Feigling.«

»Ich bin kein Narr.«

»Na gut, na gut, wir lassen das Thema fallen. Wir müssen das Schweinefleisch an Bord des Bootes bringen. Wie schön, dass alles so gut für uns gelaufen ist.«

Damit überquerten die beiden Verbrecher die South Street und gingen an Bord des Lastkahns.

Eine halbe Stunde später transportierte ein schwerer Lieferwagen die Fässer mit Schweinefleisch zum Kai.

Sie wurden dann im Laderaum des Lastkahns verstaut.

Während der Auktion hatte Old King Brady, der sich als alter Skipper verkleidet hatte, den Laden des vermissten Schiffsausrüsters sorgfältig durchsucht.

Jeder Artikel war von seinem Adlerauge genauestens untersucht worden.

Sein Gebot für das Schweinefleisch war nur ein Bluff.

Er fragte sich, warum Carter so versessen darauf war, sich das Dutzend Fässer mit gesalzenem Pferdefleisch zu sichern.

Er schrieb Carters Bereitschaft, selbst einen überhöhten Preis zu zahlen, seiner grimmigen und sturen Einstellung zu, eine Niederlage nicht zu akzeptieren.

»Nun, er hat gut für diesen alten Schrott bezahlt«, sagte er und lachte. »Ich glaube, dieser Kerl Hurl hat mich durchschaut.«

Als das Schweinefleisch jedoch an Bord des Lastkahns gebracht wurde, sah Old King Brady, wie die Fässer in den Laderaum gebracht wurden.

Dabei erkannte er, dass am kleinen Mast über der Kajüte eine Signalflagge gehisst worden war.

»Das ist seltsam«, murmelte er.

Ein Hafenarbeiter stand in der Nähe.

»Sag mal, Kamerad«, begann er in Seemannssprache, »ich bin schon auf vielen Schiffen gefahren, aber so eine Flagge habe ich noch nie auf einem solchen Schiff gesehen. Kannst du mir sagen, was sie bedeutet?«

»Natürlich«, antwortete der Hafenarbeiter. »Das ist ein Signal, um einen Schlepper zu rufen.«

Der Detektiv runzelte die Stirn und suchte Schutz in einem nahe gelegenen Schuppen. Er beobachtete den Kahn weiter.

Plötzlich hörte er einen schrillen Pfiff und sah, wie ein kleiner Schlepper eilig in den Hafen einlief.

Der Lotse ging an Bord des Frachtschiffes und es kam zu einer Besprechung.

In wenigen Augenblicken war ein Schlepptau ausgelegt und der Frachter glitt aus dem Dock.

Der Detektiv beobachtete, wie das Schiff langsam auf den Fluss hinaustrieb.

Er ahnte nicht, dass er es aus den Augen verlieren würde.

Er fragte sich, wohin es fuhr.

Vielleicht, um das Schweinefleisch loszuwerden, dachte er. Ich werde es herausfinden.

Schnell lief er die Kais entlang. Plötzlich sah er einen kleinen Schlepper, der an einem Kai festgemacht hatte.

Der Kapitän stand an Deck und unterhielt sich mit einigen Besatzungsmitgliedern.

Der Detektiv ging schnell auf ihn zu.

»Sind Sie der Kapitän dieses Schleppers?«, fragt er.

»Ja, Sir«, antwortete der Kapitän.

»Was verlangen Sie für die Benutzung Ihres Schleppers für ein paar Stunden?«

»Zehn Dollar die Stunde.«

»Das ist ein Wort!«

»Kommen Sie an Bord! Was schleppen Sie?«

»Nur mich selbst«, antwortete Old King Brady.

»Ach, Sie wollen mitfahren?«

»Ja!«

»Sind Sie von einer Zeitung?«

»Ja, das bin ich, und ich will eine Sensationsmeldung machen. Keine Fragen. Haben Sie verstanden?«

»Schon gut«, antwortete der Kapitän. »Das ist Ihr Wunsch. Wir sind bereit!«

»Sehen Sie den Schlepper da drüben, der den Kahn zieht?«

»Den leeren Kahn?«

»Nun, er ist ziemlich leer!«

»Das ist die KITTY CLARK. Ich kenne ihren Kapitän gut!«

»Sehr gut! Ich will diesem Kahn folgen und sehen, wohin er fährt. Aber wir dürfen nicht den Eindruck erwecken, dass wir ihm folgen.«

»Das ist leicht zu bewerkstelligen.«

Die BAXTER, so hieß das Boot, fuhr auf den Fluss hinaus.

Der Kapitän fuhr einen Zickzackkurs, um nicht den Anschein zu erwecken, dass er verfolgt wurde. Der Detektiv blieb in der Kajüte.

Er sah, wie das Boot östlich von Castle William in den Kanal geschleppt wurde.

Er wusste, dass das Ziel zweifellos Staten Island oder vielleicht ein Punkt am gegenüberliegenden Ufer war.

Der Detektiv konnte sich gut vorstellen, was die Verbrecher vorhatten.

Sie suchen einen Ort, an dem sie sich zur Ruhe setzen können, dachte er. Sie haben Angst, dass es ihnen in New York zu heiß wird.

Tatsächlich wurde der Kahn nach Staten Island geschleppt.

In einer kleinen, windgeschützten Bucht ging er vor Anker.

Dann dampfte die KITTY CLARK davon und ließ ihre Fracht zurück.

Das alles sah Old King Brady von seinem Schlepper aus. Dann sagte er zum Kapitän der BAXTER: »Setzen Sie mich an der Landspitze ab. Fahren Sie weiter und arbeiten Sie sich die Küste hoch.«

»Jawohl, Sir!«

Der Detektiv bezahlte den Schlepperkapitän.

Die Überfahrt hatte zwei Stunden gedauert. An einer günstigen Stelle wurde der Detektiv an Land gebracht.

Old King Brady wusste, dass der Sturm jetzt stärker wurde.

Äußerste Vorsicht war geboten. Aus den Augenwinkeln beobachtete er die Baxter.

Dann kletterte er vorsichtig einen steilen Hang hinauf. Von oben konnte er die Bucht sehen, in der das Boot vor Anker lag.

Er sah, dass ein kleines Boot abgelegt hatte.

Darin saßen die beiden Schiffer Carter und Hurl.

Aufmerksam beobachtete er die beiden Männer. Sie verließen das Boot und machten sich auf den Weg zu einem kleinen Weiler, der nicht weit entfernt lag.

Der Detektiv nutzte die Gelegenheit, seine Verkleidung zu wechseln.

Er nahm die Gestalt eines wohlhabenden Landbewohners an und schlenderte gemächlich in die Stadt, den Verbrechern auf den Fersen.

Sie gingen geradewegs auf ein Telegrafenamt zu.

Dort blieben sie eine Weile. Als sie wieder herauskamen, machten sie sich auf den Rückweg zum Kahn.

Der Detektiv kam schnell dahinter.

Mutig betrat er das Telegrafenamt und sagte zum Telegrafisten: »Zwei Männer waren eben hier und haben eine Nachricht geschickt.«

»Nun?«, fragte der Telegrafenbeamte, ein Mann mittleren Alters.

»Wären Sie so freundlich, mir die Nachricht zu zeigen, die sie geschickt haben?«

Der Telegrafist sah überrascht aus.

»Natürlich nicht«, antwortete er. »Das ist gegen das Gesetz.«

»Nicht, wenn es von einem Diener des Gesetzes im Dienste der Gerechtigkeit verlangt wird«, erwiderte Old King Brady und zeigte auf seinen Stern.

Der Telegrafist starrte ihn an.

»Sie sind ein Detektiv?«

»Ja.«

»Und diese Männer?«

»Das sind Gauner.«

»Dann zeige ich Ihnen die Depesche.«

Der Beamte drückte sie Old King Brady in die Hand.

Der Text lautete:

Dixy Bent, Esq,
Hotel Metropolis, West Street, New York: Alles ist bereit. Wir haben das Salzpferd. Kommen Sie in die Stadt, wenn wir von Ihnen hören. Telegrafieren Sie uns.
Carter und Hurl.

Der Detektiv studierte die Worte und versuchte, zwischen den Zeilen zu lesen.

Aber er war verwirrt.

»Was ist das für ein Spiel?«, murmelte er. »Warum spricht man vom Salzpferd?

Was ist das für ein Geheimnis?«

Er war völlig verblüfft. Je tiefer er in die Sache eintauchte, desto verwirrender wurde sie.

»Es gibt immer einen Weg, es zu verstehen«, murmelte er. »Ich gehe besser nach New York zurück. Ich habe hier alles getan, was ich konnte. Vielleicht hat Harry etwas herausgefunden. Es wird Zeit, dass wir uns zusammentun.«

So ging er zur Fähre und nahm das erste Schiff nach New York. Spät am Abend kam er an.

Überall suchte er nach Young King Brady. Aber ohne Erfolg.

Den ganzen nächsten Tag suchte der alte Detektiv die Wall Street ab. Aber er konnte Young King Brady nicht finden.

Als es Abend wurde, hatte Old King Brady eine Spur. Er sah Dixy Bent vom Broadway in die Wall Street laufen.

Im Nu war der alte Detektiv hinter ihm her.

Er erhaschte noch einen Blick auf ihn, bevor er vor einem prächtigen Bürogebäude aus braunem Sandstein stand.

Doch als er dort ankam, war Bent verschwunden.

Eine Stunde lang suchte Old King Brady nach ihm.

Die Straße war fast leer.

Er bemerkte ein Schild an dem Gebäude.

Es war das von Sharpe & Dunn, den Maklern, die für Mr. Hardman arbeiteten. Er fragte sich, ob das etwas mit Bents Anwesenheit in der Nähe zu tun hatte.

Wenn an diesem Abend an der Wall Street etwas Unlauteres vor sich ging, wollte Old King Brady es wissen.

Also ließ er sich in einem Hauseingang in der Nähe nieder und wartete geduldig.