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Dämonische Reisen in alle Welt – Kapitel IX, Teil 2

Johann Konrad Friederich
Dämonische Reisen in alle Welt
Nach einem französischen Manuskript bearbeitet, 1847.

Kapitel IX, Teil 2

Kennst du das Land, wo nur der Geldsack blüht,
Wo man nur für das Feilschen und den Schacher glüht,
Wo Finsternis die Nullgesichter stets umschwebt,
Weil man nur für den Schacher und den Wucher lebt!

»Obwohl Teufel, so will ich mich hiermit doch feierlich verwahrt haben, dass ich mit der Beschreibung der Republik Al-Quitschi-Quatschi irgendeine der noch bestehenden deutschen, Schweizer- oder anderen Republiken gemeint habe. Al-Ouitschi-Quatschi liegt wirklich da, wo ich es bezeichne; indessen sollte es mich dennoch gar nicht wundern, da, wie schon gesagt, man in deinem Vaterland, lieber Michel, das Wort Esel nicht aussprechen darf, ohne dass Dutzende diesen Titel für sich in Anspruch nehmen, und es ist sogar ein denkbarer Fall, wenn Hamburg und Bremen, Lübeck und Frankfurt am Main, Basel-Stadt und Basel- Land, Bern und Genf etc. etc. sich um die Ehre streiten, Al- Quitschi-Quatschi zu sein und zu heißen. In Satans Namen, des Menschen Wille ist sein Himmelreich, de gustibus non est disputandum, ich aber will für meinen Teil mich hiermit auf das Feierlichste verwahrt haben, irgendeine dieser allervortrefflichsten Freistaaten unter Quitschi-Quatschi auch nur im Entferntesten verstanden zu haben, und wäre imstande, demjenigen böswilligen Subjekt, das mich einer so großen Gottlosigkeit fähig hielt, einen Injurien- und Calumntenprozess an den Hals zu werfen, den ich womöglich in besagtem Freistaat selbst anhängig machen würde, damit dessen Erben, Kinder und Kindeskinder bis in das zehnte Glied sich noch an demselben ergötzen könnten und daran zu kauen, id est, zu zahlen und die Quitschi-Quatschi Rechtsverdreher und Rabulistenbrut zu füttern hätten.«

»Zum Henker mit der langen Vorrede, zur Sache! Sonst verliere ich die Geduld.«

»Oho, Freund Michel, hübsch ruhig, du wirst es mir noch in alle Ewigkeit danken, dich mit diesem merkwürdigen Staat ge­nauer bekannt gemacht und dich in Stand gesetzt zu haben, der­einst eine ausführliche, getreue historisch-topographisch-statistische und mitunter auch recht humoristische und komisch-tragische, das Lachen und Weinen befördernde, mit lustigen Anekdoten und Schnur­ren reich verzierte und lehrreiche Beschreibung dieses barbarisch- kultivierten afrikanischen Freistaats, in den selbst die berühmten Reisenden, Gebrüder Lander und Eduard Rüppel, noch keinen ih­rer Füße gesetzt haben, herauszugeben und dadurch nebst ansehn­lichem Honorar auch eine literarische Unsterblichkeit zu erlangen. Es wird freilich kein kleines Stück Arbeit und eine schwer zu lö­sende Aufgabe sein, eine der Wahrheit ganz getreue und richtige Schilderung dieser Republik zu entwerfen; aber tröste dich, lieber Michel, ich kenne einen kohlraben- und pechschwarzen Handelsmann derselben, Sarasbambum genannt, der sich im Besitz eines alt­äthiopischen Manuskriptes befindet, welches dir die Lösung dieser Aufgabe gewaltig erleichtern wird, dessen Benutzung er dir gegen gehörigen Zins vom Zins der Zinsen pro libido oder ad libiduni gestatten wird, und in welchem du die merkwürdigsten Begebenheiten dieser hoch-, weit-, breit- und langberühmten Republik mit großer Genauigkeit ausgezeichnet findest. Es wird sich auch einige Mühe und Geduld kosten, das Werk aus der altäthiopischen Sprache in wenigstens lesbares, wenn auch nicht gelehrtes Deutsch zu übertragen. Aber denke an die Belohnung, die deiner harrt, besonders wenn du es irgendeinem hochweisen Magistratus widmest.

»Jetzt habe ich es satt, Asmodi, ich glaube, du hältst mich zum Besten!«

»Menschlein, werde mir nicht zornig, sonst … doch noch ein paar Augenblicke Geduld, ich will dich nur mit der Lage, Größe, dem Klima etc. dieses Landes bekanntmachen, von dem Nebligen magst du dich dann selbst überzeugen. Also:

Die Republik Al-Quitschi-Quatschi liegt am Tage im Sonnen- und bei der Nacht im Mondschein, nota bene, wenn diese wohltätigen Gestirne gerade scheinen, sonst aber ist sie immer in argen Nebel und dicke Finsternis gehüllt, außerdem aber liegt die­ser kleine barbarisch-kultivierte Maulwurfsstaat mitten in einem hochkultivierten, großen und schönen Land, das sich im Herzen Afrikas befindet, und zwar in der heißesten und unbekanntesten Gegend dieses Weltteils, nicht sehr entfernt von den Höhen der Ruwenzori oder den Mondbergen. Al-Quatschi, wie es der Kürze wegen auch oft genannt wird, ist beinahe der kleinste Teil dieses großen, schönen, herrlichen, aus mehreren größtenteils gut organisierten monarchischen Staaten bestehenden Landes, das man mit dem allgemeinen Namen Thumbindschin bezeichnet. Das Ge­biet dieser Republik, die Haupt- und einzige Stadt gleiches Na­mens, sowie ein halbes Dutzend Dörfer nebst einigen Fragmenten und Meierhöfen inbegriffen, ist kaum eine Quadratstunde groß, und folglich im Vergleich der größerer Staaten Afrikas und Eu­ropas ein Maulwurfshaufen, der jedoch von einem Teil seiner glücklichen Bewohner für die Welt, oder wenigstens für das irdi­sche Paradies der Welt angesehen wird, das er freilich auch gerade für diesen Teil der Bevölkerung, nämlich den der auf Kosten seiner Mitbürger ein bequemes Schlaraffenleben führt, indem er über das Wohl und Wehe dieses Maulwurfshaufens und des halben Hunderttausend seiner geduldigen Gemüter, d. h. Einwoh­ner, entscheidet, dann wohl auch sein mag.

Diese Republik ist ringsum von mehreren monarchischen Staa­ten umgeben, und die Grenzen derselben sind so nahe bei der Hauptstadt, dass sie sich nach allen vier Weltgegenden nicht über Schussweite erstrecken.

Der Name Al-Quitschi-Quatschi ist etwas schwierig zu ver­deutschen, er bedeutet ungefähr so viel wie eine Herrschaft der Ochsen und Maulwürfe oder Ochsen- und Maulwurfsregiment und Ver­waltung, ließe sich auch durch Ochsenheim, Ochsenfurt etc. wieder­geben. Dieser Name ist aus der sonderbaren Sitte entstanden, weil sich dort das gehörnte und hochgeehrte Vieh, namentlich auch die Büffel, deren Paradies dieser Staat ist, ganz besonderer Vergünstigungen zu erfreuen haben und oft in solchem Anse­hen stehen, dass man sie den gewöhnlichen Einwohnern der Stadt nicht nur vorzieht, sondern ihnen nicht selten die wichtigsten Ämter und Posten des Staates anvertraut, ja man hat nicht wenig Bei­spiele, dass sie als Häupter desselben erkoren wurden und jahrelang als solche figurierten.

Das Klima ist in diesem Ländchen ziemlich mild und die Luft wäre wie fast in ganz Thumbindschin rein und gesund, wenn sie die Quitschi-Quatscher, besonders in den engeren Straßen ihrer Stadt, nicht durch allerlei Unrat und Verunreinigung, unerträg­liche Gerüche aller Art verpesteten und sie dadurch oft zum Er­sticken dumpf, dick und schwül gemacht würde, ein Übel, das einzig und allein der zu großen Nachlässigkeit und dem zu großen Schmutz der Reinlichkeits- und Reinigungsbehörden zu verdanken ist. Die­sem Umstand mag es mit zuzuschreiben sein, dass man hier so viele grüngelbe und griesgrämige und so wenig frisch und gesund blühende Gesichter, besonders in der sogenannten vornehmen Welt sieht. Eine braungelbe lederartige Haut scheint dort bei gewissen Klassen so beliebt wie bei den chinesischen Damen die kleinen Füße. Sie ist das Zeichen der Vornehmheit, der herrschen­den Familienaristokratie. Je mehr ein Individuum das Aus­sehen hat, als litte es an affreusem Leibschneiden oder dem Misere, desto größer ist seine Vornehmheit und auch Dummheit, da dies in der Regel in Quitschi- Quatschi gleichbedeutend ist, und er kann umso sicherer auf ein einträgliches Amt und eine fette Sinekure zählen. Aber man sucht den faulen Kern in einer mög­lichst glänzenden Schale zu verbergen, man behängt und belastet sich, besonders die vornehmen Quitschi-Qualscherinnen, mit schweren Stoffen und Gewändern, Schmuck und Zierat aller Art, und da heißt es mit vollem Recht: von außen beglissen und von innen be… Wenn die guten Frauen wüssten, wie sehr eine solche mit Samt und Seide, Gold und Juwelen, Federn und Blumen herausgeputzte Hässlichkeit noch zehnmal hässlicher hervor glotzt, sie würden sich gewiss lieber in bescheidene, einfache, die Aufmerksam­keit weniger erregende Gewänder hüllen. Doch das hier Gesagte gilt nur von der dortigen geldaristokratischen Büffelkoketterie, anders verhält es sich mit den nicht zu derselben gehörenden Einwohnern, unter denen man in rauer Hülle nicht selten einen wertvollen Brillant findet.«

»Das Gemälde, das du mir von Ouitschi-Quatschi ent­wirfst, ist eben nicht sehr anziehend und nicht gemacht, die Lust zu einer Reise dahin anzuregen.«

»Doch ist der Aufenthalt dort recht unterhaltend, und die Sonderbarkeit dieses einzig in seiner Art organisierten Staates verdient schon, dass man ihn näher kennenlernt.

»Nun so lass uns endlich dahin abfahren.

Asmodi spitzte plötzlich ganz gewaltig seine Teufelsohren, dem Michel ein Pst! zurufend.

»Nun was gibt es?«, fragte dieser.

»Es geht in diesem Augenblick wieder ganz gewaltig über uns her.«

»Wo das?«

»Sie haben soeben eine geheime Beratung in einer alten Ratsstube auf dem Römer zu Frankfurt am Main, wo sich ein Ausschuss eingefunden hat, und cs ist von nichts Geringerem die Rede, als unsere Auslieferung von der französischen, englischen, württembergischen etc. Regierung, wo wir uns eben befinden, zu begehren, und wenn sich das nicht machen lässt, uns auf eine recht pfiffige Art zu fangen.«

»Zum Henker, der Beratung möchte ich beiwohnen!«

»Das steht bei dir.«

»Aber vorerst unsichtbar.«

»Auch das.«

»Wohlan, fort, und von da nach Ouitschi-Quatschi!«

Husch waren die beiden Luftsegler wieder durch den Kamin entwischt und fuhren gleich darauf durch einen Römerschornstein in das Frankfurter Rathaus hinein.

In einer abgelegenen staubigen Stube dieses vielwinkligem Gemäuers hatten sich zu einer geheimen Sitzung versammelt 1) der einjährig wohlregierende zweite Bürgermeister Reisbrei, ein Zweiundvierzigteil der Frankfurter Souveränität, nebst sonst noch al­lerlei; 2) der Konrad Dietrich Harpax-Rummelpuff, sein Vetter, Major bei der Bürgermiliz, Exhäuptling einer Schmugglerbande, Bankier on detail und Wucherer en gros, auch Gewürzkrämer und Papierspekulant; 3) der Exkonsul en second Reinrah, der Polizeivorstand des Jahres und 4) der lange Pfeiffer, Beisitzer des Polizeivorstandes.

»Gucke Se ämohl, ob ach die Tier recht zugemacht is«, sagte Dietrich-Harpax zum langen Pfeiffer, »daß mer ach net be­horcht un gestört wern kann.«

Pfeiffer probierte die Stubentür und sagte: »S’iS ganz gut zu, Herr Major Rummelpuff!« Und begab sich wieder auf seinen Platz.

Kaum saß er, so öffnete und schloss sich die Tür. Michel und Asmodi waren unsichtbar eingetreten.

»No was is dann des widder vor ä dummer Spaß, Sie sin mer ach der rechte Zumächer, Sie«, sagte Harpax zum Pfeiffer.

Pfeiffer: »Der Deibel wäs was des is, ich hab doch Gott verdamm mich recht zugemacht, Herr Major Rummelpuff.«

Harpax: »Ich will nortS selbst gucke.«

(Harpax geht an die Tür und findet sie zwar zu, aber nicht verschlossen.)

»Hab ichs net gesagt, Sie sinn mer ach ä rechter Verschließer, un noch gar ä polizeilich Person, de Richel muss mer vorschiebe, so – jez kann kä Deibel mehr erein.«

(Ein Gelächter erschallt.)

Harpax: »No was is dann des widder vor ä Jux, mer lacht net wann mer so wichtige Geschäfte vorhot.«

Pfeiffer: »Des wäs der Deibel, ich hab net gelacht, mer wähnt es spukt.«

Bürgermeister Reisbrei: »So halt ämol des Maul mit dem anfällige Geschwätz, s’is Zeit, dass mer anfange zu berate, ich hab noh mehr zu tun als des, und um halb zwölf Uhr da wart mei Fra uff mich, ich muss mit er zum Zuckerbäcker geh un Dörtercher bestelle, heind Obend kimmt ä Bremer Freund zum Be­such zu uns.«

Harpax: »Un ich hab ah net viel Zeit, mei Fra will gleich nach dem Esse nach Darmstadt zu ihre Verwandte rase, un ich muss er vorher noh ebbes Zucker un Kaffee einpacke vor ihre Ver­wandte, da kann ich mei Profitche dran schneide, die wiege mer net nach.«

Reisbrei. Un recht viel Stanercher (Steinchen) drunner tun, net wohr, wie mir ämohl, du bist mer ä sauberer Vetter; awer jetz ins Guckuksname mache mer, dass mer an die Hauptfach kumme, also: Wie fange mers an, dass mer die zwa Deibelskerls, den Michel un Asmodi am beste fange?«

Harpax: »Ich mahn, cs wär am beste, mer schreibt an de König in Paris, dass er sche von seiner Polizei fange lässt un an uns ausliwert, se halte sich doch am meiste in der Deibelsstadt Paris uff, un hawe mer se, dann wolle mer se!«

Reisbrei: »Vetter, des verstehst du net, an König kenne mer net schreiwe, der bekimmert sich nix drum, mer misse sich an sein Minister wenne, ich glab am beste an den Kizot oder wie er hast, was mähne Sie, Herr Polizeivorstand?«

Polizeivorstand: »Ich mahn, des hilft nix, die liwem se uns doch net aus, do is nix zu mache, das Ärgste, was mer mit gro­ßer Mühe bewerke könnt, wär, dass se se vielleicht aus dem Land verweise tun, un dann gehe se am End doch noh net fort, wie’s die vom Vorwärts gemacht hawe, die hot mer a nausgewisse un se sitze heind (heute) noh drin.«

Erkonsul Reinrah: »Un wann se se ach änausweise, wos hilfts, dann gehe se nach England odder in die Schweiz un maches noh zehnmol ärger. Na so geht’s net.«

Reisbrei: »No was solle mer dann anfange?«

Harpax: »Mir steht der Verstand stille, wisse Se dann nix, Pfeiffer? Se sinn ja doch sonst net so dumm …«

Pfeiffer (Mit einem verschmitzten Gesicht): »Ich was was, des hilft gewiss!«

Reisbrei: »No äraus dermit, was is es?«

Harpax: »Gewe S’es fun sich.«

Pfeiffer (listig): »Mer misse an Michel schreiwe, dass mer’n des nächst Johr zum Borgemaster mache wolle, dann kimmt er gewiss gleich.«

Reisbrei: »Ach wie anfällig, glawe Se dann, so was glabt er?«

(Abermaliges Gelächter)

Reisbrei: »No wos is dann des widder vor an anfälliger Spaß?«

Harpax: »Ich glab des sinn die Sachsehäuser driwe uff dem Amt, die sich utze. Un wann ers ach glabl, der Michel, so kimmt er doch net, ich kenn an besser; seh, der macht sich grad so viel aus äre Frankforter Borgemasterstell, wie ich aus äre faul Zwiwel, un wann’s in der Welt was gibt, aus dem ich mir nix mache, so is es des. Ich was es besser, des Os hat sich immer iwwer die Borgemaster un die ganz Frankforter Obrigkeit lustig gemacht, des kennt er mer glabe, meine Herre, ich hab jo lang mit äm zu tun gehabt.«

Polizeivorstand: »No so arg hot ers awer doch noh net ge­macht als wie der Klinger und der Börne.«

Harpax: »Was hawe dann die gemacht?«

Reinrah: »Des wisse Se net ämol? Ei, Sie sinn mer ach ä schöner Frankforter Borger, und Sie wolle a Patriot sei, un wisse net, dass der Klinger in seim verdammte Faust dem ganze Senat un de Borgemaster Ochsehörner, Hirschgeweih un Eselsohre uffgesetzt hat? Un der Börne, der hat gar drucke lasse, dass a Mensch net so tief sinke könnt und ä Senator in Frankfort wern; un der Göthe hat uns sei Borgerrecht mit äm recht maliziöse Schreiwe zurückgeschickt.«

Harpax: »Des war ach all so famöhs Ofezeug!«

Reinrah: »Des Ärgst is, dass es lauterFrankforter Gewächs is, des uns die Streich mächt, freilich lauter Frankforter Unkraut, des uff unserm Mist net gedeihe kann.«

Harpax: »Un wann se glawe. der Michel hat’s noh net so arg gemacht, dann sinn se ach err; er hot mer ämol selbst ins Gesicht gesogt, er wär in der halwe Welt herum kumme und hät doh niemand gefunne, der so dumm un so ä Nixkenner gewese wär, doß mer net uff der Stell än Frankforter Borgemaster oder Senator draus hät mache kenne. Des is doh ach ka Kumplement vor uns, so a Blamahsch!«

Reisbrei: »Des verstehst du net, Vetter, er werd ebe nor lauter gescheute un geleerte Leut habe kenne lerne.«

Pfeiffer: »O na, so hot er’s net gemahnt; der selige Miltenberg hot mer ämol verzählt, er hät ämol obends im englische Hof Spargel mit Schinke gesse, un da wär der Michel ach da gewese un hat Straßborger Gänslewerpastet gefresse un hät zu so äm annern Os gesagt, ich glab gar, es war ä Franzos: Er ätt immer Angst, wann er mit seim Kutscher in die Stadt fahre tät – er hot damals uff dem Land gewohnt, – un do hat an der anner gefragt, warum? Do hat erm zur Antwort gewe: Ei der Kerl is so dumm, dass wann se’s merke, so nemme se mern weg un mache nen zum Borgemaster in Franksort!«

Reisbrei: »O du verdammt Stickstäubeohs, hätte mer dich nor hier!«

Harpar: »Ja hätte mern, wie wollte mern zwiwele!«

Reinrah: »Ja hätte mern, aber der Habich un der Hättich des sinn zwaerla.«

Harpax: »Des wäs mer schon lang. Ich hab em gnug von meine Sachsehäuser uffpasse lasse, wie er hier war, se hawen awer net erwische kenne. Du häst än packe solle, Vetter, wie de noh bei der Polizei warst.«

Reisbrei: »Schwätz net so anfällig, Vetter, du bist doch ganz allähn an dem verfluchte Spuk schuld; häst du mich net so infam belöge un häst mer net gesagt, er derft die Bücher net in Pforzheim rausgäwe, weils im Kuntrakt stünd, und hast du mich net beschwätzt, dass ich se in Frankfort verbotte hab, ohne den Michel nor anzuhöre, dann hät uns der Deibelskerl mit samt seim Asmodi in Ruh gelasse, un nu kömmts hinne drei eraus, dass du ein selbst die Schein gewe hast, dass er die Bücher hat ärausgewe kenne, wo er will. So host du mich in Dreck geführt, jetz kannst de mer ach widder heraushelfe, dann ohne dich hätt ich so kan dumme Strach gemacht, un der lässt uns jetz ka Ruh bis er sei Recht hat. Des war gar ka schöner Strach von dir, Vetter Diet­rich, dein nächste Blutsverwandte so in de Patsch zu bringe.«

Reinrah: »Un mich derzu; ich war damals der zwet Borgemaster un hab des Dings des Verbot gar net ämol gelese. Ja, Herr Major Rummelpuff, so derft se mer net noch ämol kumme, des sag ich Ihne, Se hawe de ganze Senat und die Gerichte derzu blamiert.«

Pfeiffer: »Un mich mit.«

Reisbrei: »Ja, Vetter, des is wohr, durch dich ganz allan sinn mer in des Schlammassel kumme un wisse uns net mehr ärauszu helfe, da stehe die Ochse am Berg, un des kann uns noh sauer uffstoße, der Eselsstrach, dann was kann mer mit em Deibel anfange? Des hawe mer dir zu verdanke.«

Harpax: »No mer kann mer ach ämol än Eselsftrach ver­zeihe, ich hab mich schon genug drüwer geärgert, und ich will’s uff ä anner Art widder gut mache, ich hab erst noch vorn Johr uff mei Koste unser groß Trummel mit neue Fell überziehe losse.«

Reisbrei: »Halt nors Maul da devoh, du hast uns derfür ach schon genug das Fell üwer die Ohre gezoge; du kannst schon ämol ä groß Trummelfell bezahle.«

Harpax: »Hör Vetter, ich verbitt mer all die Sticheleie, du wast, ich bin ä guter Kerl, awer ich lass ebens net uff mer herumtrummele; Gott verdamm mich, Vetter, wann ich bös werde dann … schlag ich mir die Faust in mei aige Fress.«

Reinrah: »Friede, meine Herrn, zu was ist des Streiten, damit macht mer nix widder gut, was geschähe is, is geschähe, un so kriche mer die zwa Deibelskerl mei Lebstag net. Ich wisst ä besser Mittel, die Bursche zur Raison zu bringe, als se zum Borgemaster zu mache.«

Reisbrei: »Un das wäre?«

Reinrah: »Der Herr Major Dietrich Harpax Rummelpuff muss den Michel herausfordere, und des uff Pistole, dann kimmt er gewiss.«

Reisbrei: »Was mähnst du, Vetter, der Rat scheint mer net so übel.«

Harpax: »Dass ich ä Narr wär; wann Ihr so große Lust habt Euch zu schieße, so fordert Ihr en heraus, ich lass es bleiwe.«

Reisbrei: »Awer wann mer ä Major von der Stadtwehr is, muss mer ach ämol losschieße kenne, sonst hät ich die Brüh von der Majorschaft.«

Harpax: Ich bin ka Major worn davor dass ich mich schieße soll, ich kummandier un marschier vor meim Bataillon de 18te Ok­tober, un des is genug.«

Pfeiffer: »Wisse Se was, fordere Se’n nor heraus, un wann er kimmt, dann wolle mern schon das Schieße vertreiwe, mer setzen gleich uff de Constablerwacht.«

Harpax: »Un wann Ihr zu spät kommt, dann hat er mich geschosse, na Prostemahlzeit, so fett speise mer net, der Konrad Dietrich Harpax-Rummelpuff is ka so Narr.«

Pfeiffer: »Davor wollt ich schon gutstehe, ich tät en fange eh er geschosse hat, awer ich glab des Oe käm net uff unser Ge­biet, er werd sich nor uff em neutrale Gebiet schieße wolle.«

Reisbrei: »Mer könnten uff des Bockemer Gebiet bestelle, an de Grenzgrobe, un dann könnt sich mei Vetter uff die Frankforter Seit un der Michel uff die Churhessisch Seit stelle, un so könne se uff änanner losschieße.«

Pfeiffer: »Des wär gar net notwennig, ich loß ä Schling uff die Churhessisch Seit lege, un wann der Michel kimmt, dann ziehe mern mit am Strick bums uff die Frankforter Seit, un dann hawe mern, wann en der Herrr Major Pummelpuff nor äraus fordere will, dass er sich stellt.«

Harpax: »Höre Se, meine Herrn, des sinn mer lauter Flause, ämol vor allemol, ich schieß net un ich forder ach net äraus, so ka Schote bin ich net. Der kennt kumme, schieße, un doch net in die Schling gehe.«

Pfeiffer: »Ja dann was ich net, was mer anfange soll, der Kerl is ewe so schwer zu fange wie der Abdal-Kater. Mer lasst en ewe lafe, wann mern net kriege kann.«

Reisbrei: »No da wäre mer so weit wie vorher ach, des war net der Müh, dass mer zusammekomme sinn; ich muss fort, mei Fra wart uff mich.«

Harpax: »Un mei ach.«

Pfeiffer: »No mer wolles noh ämol überlege, vielleicht find sich doch noh was, über Nacht kimmt Rat, mer wolle über acht Tag widder zusamme komme.«

Harpax: »Mir ach recht, Adjeh meine Herrn.«

Reisbrei: »Ich empfehl mich.«

(Beide gehen nach der Tür zu, vermögen sie aber nicht zu öffnen.)

Harpax: »No was is dann des widder vor än Utz? Pfeiffer, was hawe Se dann gemacht, mache Se ämol die Tür uff.«

Pfeiffer bemühte sich nun, die Türe aufzumachen, konnte es aber nicht zustande bringen. Alle Übrigen probierten es, und es ge­lang ihnen nicht besser, sie zerrten nun samt und sonders mit aller Gewalt an der Tür, dass sie endlich krachend aufsprang, aber das sämtliche Personale des geheimen Konzils rücklings zu Bo­den und auf die Allerwertesten warf, sich dann aber sogleich wieder schloss. Alle sahen sich betroffen einander an und versuchten sich gegenseitig aufzuhelfen, aber auch diese Bemühung war vergeblich, und Harpax rief aus: »O Vetter, Vetter, das geht net mit rechte Dinge zu!«

Es ertönte abermals ein schallendes Gelächter, und Michel und Asmodi standen nun handgreiflich vor den noch am Boden Liegenden. Ersterer nahm sofort das Wort und sprach:

»Wohlan, meine Herren, da Sie uns auf eine so pfiffige Art fangen wollten, hier sind wir, halten sie uns ja fest; vorerst aber werden Sie die Güte haben, noch einen Tanz nach meiner Pfeife aufzuführen.«

Michel pfiff nun einen wahrhaft höllischen Tanz auf einer Bockspfeife, und die ehrbaren Herren begannen sogleich einen wü­tenden Sankt Veitstanz auf den Allerwertesten herumzurutschen, wobei es denn jeden Augenblick zu den komischsten Karambolagen, Berührungen, Zusammenstößen mit den Schädeln, die einen gewal­tig hohlen Klang von sich gaben, kam, und wobei sie die belusti­gendsten Purzelbäume schlugen. Nach einer guten Viertelstunde lagen sie endlich wie leblos mit stieren Kalbsaugen am Boden.

Michel hielt nun den hochweisen Herren noch eine derbe Strafpredigt und sagte ihnen unter anderen, dass sie sich vor den Spukereien Asmodis nur dann sichern könnten, wenn sie fortan genau ihre Pflicht und Schuldigkeit täten, wie es ihr Amt erfordere, mit der strengsten Gerechtigkeit und Unparteilichkeit handelten, nie mehr zum Vorteil eines Freundes, Bekannten oder Verwandten himmelschreiendes Unrecht gegen andere verübten, das Geschehene aber nach Kräften wiedergutzumachen suchten und auf ihnen zugeschickte Briefe gehörige und passende Antwort erteilten, wie es ebenfalls ihre verfluchte Schuldigkeit sei, da sie deshalb von der Bürgerschaft, deren Diener sie seien, mit schwerem Geld bezahlt würden, indem es Monarchen nicht verschmähten, an sie ehrerbietig gerichtete Schreiben der Geringsten ihrer Untertanen huldvoll zu beantworten. An ihren Wischen wäre blutwenig gelegen, aber die Ordnung fordere es!

Sodann wandte er sich noch be­sonders an den Dietrich Harpax Rummelpuff und sprach zu diesem: »Und du bald überreifer Höllenbraten, der du dich und die deinen mit dem Schweiß und dem Gut, das du anderen gestohlen und vorenthältst, mästest, sei versichert, dass ich dich noch ganz besonders zu züchtigen wissen werde, wenn du nicht bald der Stimme deines sackweiten Gewissens Gehör gibst und denen, die du betro­gen, gerecht wirst; auch wird dir mein Freund Asmodi jenseits ein gutes Plätzchen in seinem Reich bewahren. Ich aber werde auch auf Erden für deine Unsterblichkeit sorgen und dir ein Werk deduzieren, das bereits im Manuskript fertig da liegt und alle deine Groß- und Heldentaten haarklein berichtet, dass auch dein teu­rer Vetter Reisbrei seine Freude daran haben soll. Hiermit Gott befohlen!«

Michel und der Teufel fuhren nun wieder zu einem Römerschornstein hinaus, einen so gewaltigen Pech- und Schwefeldampf hinter sich zurücklassend, dass das geheime Konzil dem Ersticken nahe und der ganze Römer in ungewöhnlich starke Nebelwolken gehüllt war, die sogar in den großen Ratssaal und den Kaiser­saal drangen und den eben sitzenden Rat etwas benebelten.