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Die Virginier Erster Band – 6. Kapitel

William Makepeace Thackeray
Die Virginier
Erster Band
Wurzen, Verlags-Kontor, 1858
6. Kapitel

Die Virginier beginnen die Welt zu sehen

Nach der Abreise ihres unglücklichen geistlichen Beraters und Hauskaplans schien Madame Esmond ganz versöhnt mit ihrem Sohn; aber obwohl George nie mit seiner Mutter über das Zerwürfnis sprach, muss es schmerzlich auf des Jungen Geist gelastet haben. Denn bald nach den oben berichteten häuslichen Geschehnissen verfiel er in ein Fieber, während welcher Krankheit er mehrmals fantasierte. »Zerbrochen! Zerbrochen! Nie, niemals kann es wieder geheilt werden!«, schrie er dann auf, zum schweigenden Entsetzen seiner Mutter, die bei dem armen Kind wachte, wenn es sich schlaflos auf seinem mitternächtlichen Lager umherwarf. Seine Krankheit widerstand ihren Heilkünsten und wurde schlimmer trotz all der Geheimmittel, die die tüchtige Witwe in ihrem Kabinett bewahrte und so reichlich an ihre Leute austeilte. Sie musste sich einer weiteren Demütigung unterziehen, und eines Tages sah der kleine Mr. Dempster sie zu Pferde vor seiner Tür. Sie war auf ihrem Pony durch den tiefen Schnee geritten, um ihn zu bitten, ihrem armen Jungen zu helfen.

»Ich will meinen Groll begraben, Madame«, sagte er, »wie Euer Gnaden Ihren Stolz begraben haben. Wollte Gott, dass ich noch rechtzeitig komme, meinem lieben jungen Schüler zu helfen.« Damit steckte er seine Lanzette und seinen kleinen Vorrat an Medikamenten ein, rief seinen einzigen Negerjungen, damit er ihn begleite, schloss seine einsame Hütte zu und kehrte noch einmal nach Castlewood zurück. In derselben Nacht und noch einige Tage danach schien es ganz, als ob der arme Harry Erbe von Castlewood werden sollte; doch durch Mr. Dempsters Kenntnisse wurde das Fieber überwunden, die zeitweiligen Attacken ließen an Heftigkeit nach, und George wurde fast völlig wiederhergestellt. Ein Luftwechsel, sogar eine Reise nach England wurde empfohlen, aber die Witwe hatte sich mit den Verwandten ihrer Kinder dort entzweit und gestand zerknirscht, dass sie übereilt gehandelt hätte. Man entschloss sich zu einer Tour nach dem Norden und Osten des Landes; und die beiden jungen Herren, mit Mr. Dempster als ihrem Hofmeister und ein paar Dienern als Gefolge, reisten zu Schiff nach New York und von dort den herrlichen Hudson hinauf nach Albany, wo sie von den vornehmsten Gutsbesitzern empfangen wurden. Dann ging es in die französischen Provinzen, wo sie die besten Empfehlungen besaßen und von den französischen Kavalieren gastfreundlich bewirtet wurden. Harry kampierte mit den Indianern, ging auf Pelztierjagd und schoss Bären. George, der an der Jagd niemals Gefallen fand und dessen Gesundheit noch schwächlich war, wurde der ganz besondere Liebling der französischen Damen, welche gewohnt waren, sehr wenig junge englische Gentlemen zu sehen, welche die französische Sprache so fließend beherrschten, wie unsere jungen Herren.

Georg ganz besonders vervollkommnete seinen Akzent so, dass er sich fast für einen Franzosen aus­geben konnte. Dabei kam ihm auch, wie jedermann zugab, sein zierliches Äußere zu statten und er tanzte die Menuette mit der größten Eleganz. Er lernte die neuesten französischen Liedchen und spielte sie sehr schön auf seiner Violine, und würde sie auch gesungen haben, wenn seine Stimme nicht gerade damals, wie man zu sagen pflegt, in der Mauser gelegen hätte und von Diskant in Bass umgeschlagen wäre.

Zum großen Neid des armen Harry, der gerade auf einer Bärenjagd abwesend war, hatte er sogar eine Ehrensache mit einem jungen Fähnrich vom Regiment Auvergne, dem Chevalier de la Jabotiére, dem er einen Stich in die Schulter versetzte, worauf sich beide Gegner ewige Freundschaft schwuren.

Frau von Mouchy, die Gemahlin des Gouver­neurs, sagte, gesegnet sei die Mutter, die einen solchen Sohn habe, und schrieb einen mit vielen Komplimenten über Mr. Georgs Benehmen angefüllten Brief an Madame Esmond. Ich fürchte, Mr. Whitfield wäre von der stolzen Freude der Witwe, als sie diese Nachricht von dem Mut ihres Sohnes erhielt, nicht sehr erbaut gewesen.

Als die Knaben nach Ablauf von zehn köstlich verlebten Monaten wieder nach Hause kamen, wurde ihre Mutter durch ihr verändertes und verbessertes Aussehen im höchsten Grade überrascht. Georg namentlich war so gewachsen, dass er nun ebenso groß war, wie sein jüngerer Bruder. Man konnte die Knaben kaum voneinander unterscheiden, beson­ders wenn ihr Haar gepudert war. Da jedoch diese Prozedur für das Landleben viel zu beschwerlich war, so trug jeder der jungen Herren in der Regel sein eigenes Haar – Georg sein rabenschwarzes und Harry seine mit einem Band gebundenen blonden Locken.

Der Leser, der so freundlich gewesen ist, die ersten Seiten der einfachen Lebensgeschichte des Knaben zu überfliegen, muss bemerkt haben, dass Mr. Georg Esmond von eifersüchtiger, argwöhnischer Gemütsart war, sehr edelmütig, sanft und jeder Unwahrheit unfähig, und obschon zur Rache zu groß­mütig, doch kaum imstande, eine Beleidigung zu verzeihen.

Georg verließ das väterliche Haus mit keiner freundlichen Gesinnung gegen einen ehrenwerten Mann, dessen Name später einer der berühmtesten in der Welt wurde, und er kehrte von seiner Reise zurück, ohne seine Meinung von dem Freund seiner Mutter und seines Großvaters im Geringsten geändert zu haben. Mr. Washington sah, obwohl damals eben erst mündig geworden, doch viel älter aus und fühlte sich auch älter. Er legte stets außerordentliche Einfachheit und unerschütterlichen Ernst an den Tag.

Er hatte schon von früher Jugend an die Angelegen­heiten seiner Mutter und seiner Familie verwaltet und genoss bei all seinen Freunden und den Guts­besitzern seiner Grafschaft mehr Vertrauen als viele Leute, die noch einmal so alt waren wie er.

Mistress Mountain, Madame Esmonds Freundin und Gesellschafterin, welche an den beiden Knaben und ihrer Gönnerin trotz vieler Zwistigkeiten mit den Letzteren und ihrer täglichen Drohungen, das Haus zu verlassen, mit inniger Liebe hing, war eine höchst amüsante, drollige Briefschreiberin und pflegte an die beiden Knaben auf ihren Reisen zu schreiben.

Nun aber war Mistress Mountain dabei auch von ziemlich eifersüchtiger Gemütsart. Ganz beson­ders hatte sie einen großen Hang zum Heiratsstiften und bildete sich ein, jeder habe die Absicht, jede zu heiraten. Es konnte sich kein unverheirateter Mann in Castlewood blicken lassen, ohne dass Mistress Mountain glaubte, er habe ein Auge auf die Herrin des Hauses geworfen. Sie behauptete mit Bestimmtheit, der verhasste Mr. Ward habe die Absicht, der Witwe den Hof zu machen, und glaubte, die Letztere fände Gefallen an ihm. Sie wusste, dass Mr. Washington Lust hatte zu heiraten, war überzeugt, dass ein so schlauer junger Mann sich nach einer reichen Frau umsehen würde, und was den Unterschied des Alters betraf, so kam ja nichts darauf an, dass der Major – diesen Rang bekleidete er in der Miliz – fünf­zehn Jahre jünger war als Madame Esmond. Der­gleichen Heiraten waren ja in der Familie schon vorgekommen und Myladys Mutter so und so viel Jahre älter gewesen als der Oberst, da sie ihn heiratete. Und als sie ihn geheiratet hatte, war sie so eifersüchtig, dass sie den armen Obersten niemals aus den Augen lassen wollte. Der arme Oberst – erst nahm ihn seine Frau und dann seine kleine Tochter unter den Pantoffel! Ganz gewiss artete diese ihrer Mutter nach und heiratete auch wieder. Madame war ein sehr kleines Weibchen, in ihrem höchsten Kopfputz und höchsten Schuhen kaum fünf Fuß hoch, während Mr. Washington ein großer, langer Mann von sechs Fuß zwei Zoll war. Große lange Männer aber heirateten allemal kleine Frauen, und deshalb sei mit Gewissheit anzunehmen, dass Mr. Washington ein Auge auf die Witwe habe.

Was konnte klarer sein als diese Deduktion? Diese klugen Meinungen teilte Mistress Mountain ihrem Sohn, wie sie Georg nannte, mit, der sie aber um des Himmels willen bat, den Mund zu halten. Sie sagte, dies wolle sie tun, aber ihre Augen könne sie nicht immer verschließen, und sie erzählte hundert Umstände, welche sich in der Abwesenheit des jungen Herrn ereignet hatten und die nach ihrer Meinung dazu dienten, sie in ihren Ansichten zu bestärken.

Georg fragte in finsterem Ton Mistress Mountain, ob sie diese niedlichen Vermutungen auch seinem Bruder mitgeteilt habe. Sie antwortete mit Nein und meinte, Georg sei ihr Sohn, Harry dagegen der Sohn seiner Mutter.

»Er ist ihr der liebste und du bist mir der liebste, Georg«, rief Mistress Mountain. »Und über­dies, wenn ich ihm dies sagte, so wüsste es in der nächsten Minute deine Mutter. Der arme Harry kann einmal nichts verschweigen und dann würde ein schöner Zank zwischen Madame und mir ent­stehen!«

»Euch aber, Mistress Mountain, bitte ich drin­gend, dies ja zu verschweigen«, sagte Mr. Georg mit großer Würde, »sonst zanke ich mich auch mit Euch. Weder gegen mich noch gegen sonst einen Menschen dürft Ihr eine so abgeschmackte Vermu­tung aussprechen.«

Abgeschmackt! Warum denn abgeschmackt? Mr. Washington sei fortwährend bei der Witwe. Sein Name sei fortwährend in ihrem Munde. Sie werde es nie müde, ihren Söhnen seine Tugenden als nachahmenswertes Beispiel aufzustellen. Sie zöge ihn bei allem zu Rate, was ihre Besitzung und die Bewirtschaftung derselben beträfe. Sie kaufe kein Pferd und verkaufe kein Fass Tabak, ohne ihn erst um seine Meinung zu fragen. Ein Zimmer in Castlewood werde sogar regelmäßig Mr. Washingtons Zimmer genannt. Er ließe sogar Kleider und seinen Koffer hier zurück, wenn er fortginge.

»Ach, Georg, Georg, es wird ein Tag kommen, wo er nicht wieder fortgeht!« stöhnte Mistress Mountain, die natürlich allemal wieder zu dem Gegenstand zurückkehrte, von dem ihr zu sprechen unter­sagt wurde.

Mittlerweile nahm Mr. Georg gegen den Günst­ling seiner Mutter einen kalthöflichen Ton an, über den die ehrliche Frau sich nicht wenig ärgerte, obwohl er darüber weiter nichts sagte. Nur zuweilen ergingen sie sich in beißenden Sarkasmen, durch welche er aber hindurchbrach wie durch ebenso viele Dornensträucher auf jenen Jagdausflügen, welche er mit Harry Warrington so oft unternahm, während Georg sich in seine Zelle zurückzog, Mathematik, Französisch und Lateinisch studierte und sich immer sehr in die Einsamkeit verschloss.

Harry hatte mit einigen anderen Jagdfreunden – es steht zu fürchten, dass die Bekannten des junges Mannes nicht alle so empfehlenswert waren, wie Mr. Washington – das Haus verlassen, als Letzterer sich einfand, um einen Besuch in Castlewood abzustatten. Er war dieses Mal gegen die Hausherrin so besonders freundlich und wurde von ihr mit so auffallender Herzlichkeit empfangen, dass Georg Warringtons Eifersucht beinahe zu einem offenen Bruch geführt hätte.

Der Besuch war aber ein Abschiedsbesuch, wie es sich ergab. Major Washington stand im Begriff, eine lange und gefährliche Reise bis nach der westlichen Grenze von Virginien und darüber hinaus anzutreten. Die Franzosen hatten seit einiger Zeit wie­derholte Einfälle in unser Gebiet gemacht. Sowohl die Re­gierung in England als auch die von Virginien und Pennsylvanien wurden unruhig über diesen aggressiven Geist der Herren von Kanada und Louisiana.

Einige unserer Ansiedler waren schon durch bewaffnete Franzosen aus ihren Niederlassungen ver­trieben worden und die Gouverneure der britischen Provinzen wünschten diesen Einfällen ein Ziel zu setzen oder doch auf jeden Fall Protest dagegen zu erheben.

Es beliebte uns damals, unsere amerikanischen Kolonien infolge eines Gesetzes zu behaupten, welches wenigstens bequem für die war, welche es gemacht halten. Die demselben zu Grunde liegende Maxime war, dass jeder, der die Küste besäße, ein Recht auf das ganze Binnenlandgebiet bis zum Stillen Ozean hätte, sodass die britischen Freibriefe die Grenzen der Kolonien bloß von Nord nach Süd fest bestimmten, dagegen aber von Osten nach Westen gänzlich frei ließen. Die Franzosen aber hatten ihre Kolonien nach Nord und Süd und trachteten danach, sie durch den Mississippi und St. Lorenz und die großen dazwischen liegenden Seen und Flüsse zu verbinden, welche sich westlich von den britischen Be­sitzungen befanden.

Im Jahr 1748 blieb, obwohl von den beiden europäischen Königreichen der Frieden unterzeichnet wurde, die koloniale Frage unentschieden, um wieder aufgeworfen zu werden, sobald eine der beiden Par­teien stark genug dazu wäre. Im Jahr 1753 kam es an dem Ohio River zwischen den britischen und französischen Ansiedlern zu einem Zusammenstoß.

Allerdings gab es auch noch andere Leute außer den Franzosen und Briten, welche glaubten, dass sie auch ein Recht auf das Gebiet hätten, um welches die Kinder ihrer weißen Väter sich zankten, nämlich die eingeborenen Indianer und eigentlichen Herren des Bodens. Die Logiker von St. James und Ver­sailles beliebten jedoch klüglich die streitige Sache als eine europäische, aber nicht als eine Rothaut-Frage zu betrachten, indem sie den Indianer bei dem Argu­ment ganz aus dem Spiel ließen, dabei aber seinen Tomahawk so verwendeten, wie es gerade in ihrem Kram passte.

Eine Gesellschaft, die Ohio Company genannt, welche von der virginischen Regierung Ländereien längs dieses Flusses erworben hatte, sah sich in ihren Niederlassungen durch französische Militärabteilungen überfallen, welche die Briten mit roher Gewalt ver­trieben. Letztere wendeten sich um Schutz an Mr. Dinwiddie, Vizegouverneur von Virginien, welcher sofort beschloss, einen Abgesandten an den franzö­sischen kommandierenden Offizier am Ohio zu schicken, mit dem Verlangen, dass die Franzosen sich ihrer Einfälle in das Gebiet seiner Majestät des Königs Georg enthalten sollten.

Der junge Mr. Washington ergriff begierig die Gelegenheit, sich auszuzeichnen, welche sich hier darbot, und erbot sich, seine Heimat und seine länd­lichen und Berufsbeschäftigungen in Virginien zu verlassen, um die Botschaft des Gouverneurs an den französischen Offizier zu überbringen.

In Begleitung eines Führers, eines Dolmetschers und einiger Diener machte im Herbst des Jahres 1753, den indianischen Spurwegen folgend, der uner­schrockene junge Abgesandte die Reise von Williamsburg fast bis an die Ufer des Eriesees und fand den französischen Kommandanten in Fort le Boeuf.

Die Antwort dieses Offiziers war kurz. Er hatte Befehl, den Platz zu behaupten und alle Eng­länder von demselben zu vertreiben. Die Franzosen erklärten offen ihre Absicht, von dem Ohio Besitz zu nehmen.

Und mit dieser rauen Antwort musste der Bote von Virginien unter Gefahren und Schwierigkeiten durch einsame Wälder und über gefrorene Flüsse zurückkehren, seinen Kurs nach dem Kompass richten und des Nachts im Schnee beim Waldfeuer campieren.

Harry Warrington verwünschte sein Missgeschick, dass er wegen eines Hahnenkampfes von zu Hause abwesend gewesen war, während sich ihm Gelegenheit zu so viel edlerer Kurzweil dargeboten, und nach seiner Rückkehr von seiner Expedition, die er mit heldenmütiger Energie und Einfachheit ausgeführt hatte, stand Major Washington bei der Lady von Castlewood in größerer Gunst als je. Sie stellte ihn ihren beiden Söhnen zum Vorbild auf.

»Ach, Harry«, pflegte sie zu sagen, »wenn ich mir denke, dass du auf Hahnenkämpfen und Wett­rennen herumgelaufen bist, während der Major draußen in der Wildnis war, die Franzosen beobachtete und mit den gefrorenen Flüssen kämpfte. Ach, Georg! Lernen und Studieren mag etwas sehr Schönes sein, aber ich wünschte, mein ältester Sohn täte etwas für den Dienst seines Landes.«

»Ich wünsche ja auch nichts Besseres, als nach England zu gehen und eine Anstellung zu suchen, Mutter«, sagte Georg. »Du wirst doch nicht wollen, dass ich unter Mr. Washington in seinem neuen Regiment dienen oder Mr. Dinwiddie um ein Patent angehen soll?«

»Ein Esmond kann nur von dem König ein Patent annehmen«, sagte die Mutter, »und ehe ich den Vizegouverneur Dinwiddie um eine Gunst ersuchte, würde ich lieber betteln gehen.«

Mr. Washington errichtete damals ein Regiment, so wie er es mit dem dürftigen Sold und Schutz der virginischen Regierung zusammenbringen konnte, und beabsichtigte mithilfe dieser Kriegsleute den fran­zösischen Eindringlingen ein peremptorischeres Veto entgegenzustellen, als der einsame Gesandte zu tun imstande gewesen war.

Eine kleine Streitmacht unter einem anderen Offizier, dem Oberst Trent, war bereits nach dem Westen mit dem Befehl abgesandt worden, sich so zu verschanzen, dass sie imstande wäre, jedem Angriff des Feindes zu widerstehen. Die franzö­sischen Truppen, den unseren an Zahl weit überlegen, stießen auf die englischen Vorposten, welche sich auf einer Stelle an der Grenze von Pennsylvanien ver­schanzten, wo nun die große Stadt Pittsburg steht.

Ein virginischer Offizier mit nur vierzig Mann war nicht imstande, einer zwanzig Mal überlegenen Anzahl von Kanadiern zu widerstehen, welche vor seinen noch unvollendeten Befestigungen erschien.

Man ließ ihn unbehelligt wieder abziehen und die Franzosen nahmen von seinem Fort Besitz, vollen­deten es und tauften es dann mit dem Namen des Gouverneurs von Kanada, Du Quesne.

Bis zu dieser Zeit war noch kein eigentlicher kriegerischer Streich gefallen. Die Truppen, welche die feindseligen Nationen repräsentierten, standen ein­ander gegenüber – die Musketen waren geladen, aber noch niemand hatte Feuer! kommandiert.

Es war daher seltsam, dass in einem Urwald von Pennsylvanien ein junger virginischer Offizier einen Schuss abfeuerte und dadurch einen Krieg erweckte, welcher sechzig Jahre dauern sollte, der sein eigenes Land überzog und sich bis nach Europa ver­pflanzte, der Frankreich um seine amerikanischen Kolonien brächte, die englischen von England losriss und die große westliche Republik schuf; der über die alte Welt hinwegraste, als er in der neuen erlosch und von allen den Myriaden, die bei diesem ungeheuren Kampf beteiligt waren, den Preis des größten Ruhmes dem Mann ließ, welcher den ersten Streich geführt hatte.

Er ahnte nicht den Ruhm, welcher seiner harrte. Als schlichter Gentleman, begierig, seinem König zu dienen und seine Pflicht zu tun, erbot er sich frei­willig zu den ersten Dienst und vollzog ihn mit bewundernswürdiger Treue. In dem nächstfolgenden Jahr übernahm er das Kommando der kleinen Ab­teilung Provinzialtruppen, mit welchen er abmarschierte, um die Franzosen zurückzutreiben.

Er stieß auf ihre Vorhut, gab Feuer auf sie und tötete ihren Anführer. Hierauf musste er sich mit seinen Truppen selbst zurückziehen und sah sich genötigt, der überlegenen französischen Streitmacht gegenüber zu kapitulieren.

Am 4. Juli 1754 marschierte der Oberst mit seinen Truppen zu dem kleinen Fort hinaus, in wel­chem er sich eilig verschanzte und welches sie Fort Necessity nannten, überließ den Platz dem Sieger und machte sich auf den Heimweg.

Sein Kommando war beendet, sein Regiment wurde nach dem fruchtlosen, ruhmlosen Marsch und der erlittenen Niederlage aufgelöst. Traurig und niedergeschlagen erschien der junge Offizier nach einiger Zeit wieder bei seinen alten Freunden in Castlewood.

Er war noch sehr jung. Ehe er seinen ersten Feldzug antrat, hatte er sich vielleicht übertriebenen Hoffnungen auf Erfolg hingegeben und dieselben auch ausgesprochen.

»Ich war unwillig, als ich von Euch schied«, sagte er zu Georg Warrington, indem er ihm die Hand bot, welche der Jüngling begierig ergriff. »Ihr schienet mich und mein Regiment zu verachten, Georg. Ich dachte, Ihr lachtet über uns, und Euer Spott machte mich unmutig. Ich prahlte zu sehr, was wir alles tun würden.«

»Nein, Ihr habt Euer Bestes getan, Georg«, sagte der Jüngling, welcher seine frühere Eifersucht über dem Unglück seines alten Kameraden ganz ver­gaß. »Jedermann weiß, dass hundertfünfzig halb verhungerte Leute mit kaum noch einigen Schüssen Munition sich nicht einer fünf Mal überlegenen voll­kommen bewaffneten Streitmacht gegenüber halten können, und wer Mr. Washington kennt, der weiß auch, dass er seine Pflicht tun würde. Harry und ich sahen die Franzosen voriges Jahr in Kanada. Sie gehorchen nur einem Willen; in unseren Pro­vinzen dagegen hat jeder Gouverneur seinen eigenen. Es waren königliche Truppen, welche die Franzosen gegen Euch schickten.«

»O, dass einige von den unseren hier wären!«, rief Madame Esmond, den Kopf emporwerfend, »ich versichere Euch, einige gute englische Regimenter würden diese Weißröcke bald zu Paaren treiben.«

»Ihr habt von den Provinzialtruppen eine geringe Meinung, und jetzt, wo wir so unglücklich gewesen sind, darf ich allerdings auch nichts sagen«, entgegnete der Oberst düster. »Als ich früher hier war, machtet Ihr viel Aufhebens von mir. Wisst Ihr nicht mehr, was für Siege Ihr mir prophezeitet – und wie ich wahrscheinlich selbst bei Eurem guten Wein prahlte? Alle diese schönen Träume sind nun vorüber. Es ist freundlich von Euch, Mylady, einen armen geschlagenen Mann so zu empfangen, wie Ihr ihn empfanget.«

Und der junge Soldat ließ den Kopf hängen.

Georg Warrington mit seinem außerordentlich empfindsamen Herzen wurde durch die Gemütsbewegung und den Kummer des jungen Mannes über seine Niederlage gerührt. Er stand schon im Begriff, etwas freundlich Tröstendes zu Mr. Washington zu sagen, wenn nicht seine Mutter, mit welcher der Oberst eben gesprochen, selbst geantwortet hätte.

»Es wäre gütig von uns, Euch zu empfangen, Oberst Washington! Ich habe niemals gehört, dass, wenn Männer unglücklich sind, unser Geschlecht weniger freundlich gegen sie wäre.«

Und sie machte dem Obersten einen sehr artigen

Knicks, welcher ihren Sohn stracks noch viel eifersüchtiger machte, als er jemals gewesen war.