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Slatermans Westernkurier 05/2024

Auf ein Wort, Stranger, erinnerst du dich noch an den Tutt-Everett-Krieg in Arkansas?

Das Grenzland im Westen der Vereinigten Staaten wurde während der Pionierzeit vor allen Dingen durch Gewalt geprägt, verursacht durch Indianerüberfälle, Gesetzlose, aber auch durch zahllose Bürgerwehren, die versuchten, die Gewalt zu kontrollieren und einzudämmen, und sich dabei oft auch außerhalb des Gesetzes stellten. Ein weiterer Faktor waren Fehden und politische Konflikte, die hauptsächlich aus Auseinandersetzungen zweier Parteien, meistens Familien oder Interessengruppen, resultierten, die ihren Ursprung zum Teil aus einem Missverständnis heraus oder aus kleinsten Beleidigungen hatten, die irgendwann einmal in grauer Vorzeit geschahen bzw. ausgesprochen wurden.

Gerade aus diesen entstammten teilweise über Generationen andauernde Vergeltungszyklen, die einen hohen Blutzoll forderten. Einer davon war der sogenannte Tutt-Everett-Krieg im kleinen Marion County in Arkansas, der inzwischen in Vergessenheit geraten ist, obwohl er während der Jahre 1844 bis 1850 mehr als zwei Dutzend Tote und unzählige Verletzte forderte.

Im Jahr 1836 wurde auf Betreiben des Gouverneurs und der Einwohnerschaft von Arkansas das Marion County gegründet, hinsichtlich der weiteren Entwicklung des Landes eigentlich eine gute Entscheidung. Eigentlich, doch leider stand dieses Vorhaben von Anfang an unter keinem guten Stern, da die Geschicke dieser Gegend bis dahin nicht von der Regierung aus der Hauptstadt, sondern hauptsächlich von den Familien der Tutts und der Everetts gelenkt wurden.

Die Tutts waren eng mit der Whig Partei verbunden, während die Everetts der Demokratischen Partei nahe standen. Dazu kam, dass es im ganzen Bundesstaat Arkansas keine engstirnigeren, jähzornigeren und gewaltbereitende Menschen gab als die Mitglieder dieser beiden Familien.

Es war daher nicht verwunderlich, dass es von nun an ständig Streit gab, als es um Wahlämter und die Kontrolle über den Landkreis ging.

Die Everetts lebten schon lange in dem Gebiet, das nun zu dem neuen County gehörte, und kontrollierten bereits die überwiegende Mehrheit der Gesetze und Behörden der Region. Die ursprünglich aus Kentucky stammende Familie bestand hauptsächlich aus großen, kräftigen und unduldsamen Männern, die keinem Ärger aus dem Weg gingen. John, Cimmeron, genannt Sim, Jesse und Bart waren die Rauflustigsten dieser streitbaren Familie.

Die Tutts dagegen, die ursprünglich aus Tennessee stammten, hatten sich vor vielen Jahren im Örtchen St. Joe im benachbarten Searcy County niedergelassen und sich dort eine ähnliche Machtposition wie die Everetts in ihrem Gebiet aufgebaut. Sie waren von den Plänen der Hauptstadtregierung wenig begeistert, schließlich sollten mehrere Ländereien des Searcy Countys, in denen sie das Sagen hatten, in das neue Marion County und damit in den Machtbereich der Everetts übergehen.

Angeführt vom Familienoberhaupt R. B. und seinen drei Söhnen Ben, Hansford und David, die allesamt als Spieler, Freunde des Wettens auf Pferderennen, Trinker und Raufbolde bekannt waren, gingen die Tutts augenblicklich daran zu versuchen, die Wählerschaft des neugeschaffenen Countys auf ihre Seite zu ziehen.

Ihre Chancen standen gut, denn sie hatten dabei einen nicht zu unterschätzenden Vorteil auf ihrer Seite, Hansford Tutt besaß nämlich ein Lebensmittelgeschäft und betrieb zusätzlich das einzige Wirtshaus in der ganzen Gemeinde. Seine Gäste, allesamt Männer, die gerne und oft einen tranken, schlugen sich natürlich komplett auf die Seite der Tutts. Zu diesen gehörten auch die Mitglieder des King Clans. Dieser Familienverband bestand aus den Brüdern Old Billy, dessen Söhne Jack, Loomis und Dick, James, der kinderlos war, sowie Hosea und seinen Söhnen Bill und Tom und dem Jüngsten der King-Brüder Solomon.

Gemeinsam mit den Tutts begannen die Kings augenblicklich damit, bei den Bewohnern des neuen Countys dafür zu werben, dass man die Whig Partei und ihren Kandidaten zum County-Vorsteher wählen sollte, genauso wie es der Everett-Clan tat, der für die Demokraten stand. Beiden Parteien ging es allerdings nicht darum, einen Mann für das Amt zu finden, der den Aufbau des neuen Countys, Wohlstand und Recht und Gesetz im Sinn hatte, sondern ihren Mann ins Amt zu bringen, um fortan schalten und walten zu können, wie es ihnen gefiel.

In kürzester Zeit hatte sich jeder der 300 wahlberechtigten Männer des Landkreises für die eine oder andere Seite entschieden, wobei sich niemand scheute, seine Meinung auch mit den Fäusten durchzusetzen, was natürlich immer öfter zu gewalttätigen Auseinandersetzungen führte. Eine dieser Auseinandersetzungen führte schließlich zu dem eingangs erwähnten Tutt-Everett-Krieg.

 

*

 

Im Juni 1844 fand in Yellville, der Hauptstadt des neu gegründeten Marion Countys, eine öffentliche Debatte statt, in der beide Parteien ihre Argumente vortrugen, warum gerade sie die beste Wahl waren, um die Geschicke des Landkreises zu leiten. Die Diskussionen wurden immer hitziger, was nicht nur an dem flaschenweise ausgeschenkten Whisky lag, bis schließlich, als Worte nicht mehr fruchteten, Fäuste als Argumente eingesetzt wurden.

Die Anhänger beider Parteien schlugen mit Fäusten, Steinen und allem anderen, was ihnen in die Finger kam, wütend aufeinander ein. Erst, nachdem Alfred Burnes, ein Anhänger der Tutts, Cimmeron Sim Everett mit einer Hacke auf den Kopf schlug und alle glaubten, er hätte ihn getötet, endete das Handgemenge. Als Sim reglos auf dem Bauch lag, machte sich Burnes aus dem Staub. Obwohl Sim nicht tot war und auch die anderen Verletzungen der Schlägerei sich als relativ harmlos herausstellten, begannen beide Parteien von nun an nur noch schwer bewaffnet aus dem Haus zu gehen.

Schießereien und blutige Faustkämpfe wurden von nun an im County zur Regel und fast täglich gab es irgendwo Verletzte. Das öffentliche Leben war praktisch lahmgelegt und damit auch der wirtschaftliche Aufschwung des noch jungen Countys. Am 9. Oktober 1848 wurde deshalb in Yellville eine öffentliche Bürgerversammlung einberufen, um dem Kriegszustand im Land ein für alle Mal ein Ende zu bereiten. Doch dazu kam es nicht, denn noch bevor die Versammlung für eröffnet erklärt wurde, kam es zu einer wilden Schießerei.

Als sich der Pulverdampf verzogen hatte, waren mehrere Männer tot, unter ihnen auch Sim Everett. Zwei Tage später überfielen die Everetts und ihre Anhänger die Kings und töteten Old Billy King und seinen Sohn Loomis. Sein jüngster Sohn und ein Mann namens Cherokee Bob konnten schwerverletzt fliehen.

Die Lage im County geriet nun vollständig außer Kontrolle.

 

*

 

Jeder schlug auf jeden ein und jeder schoss auf jeden, bis Sheriff Jesse Mooney, der keiner der beiden verfeindeten Parteien angehörte, sich entschloss, diese Fehde endgültig zu beenden. Am 4. Juli 1849 ritten er und Constable Adams mit einer Gruppe zu Hilfssheriffs vereidigten Bürger nach Yellville, um dort endgültig aufzuräumen. Doch sowohl die Tutts als auch die Everetts bekamen Wind davon. Während sich die Tutts in Hansford Tutts Saloon verschanzten, verbarrikadierte sich die Everett-Fraktion hinter einem Gebäude auf der anderen Straßenseite.

Bevor Mooney dazu kam, mit den beiden Parteien zu reden, eröffneten diese auch schon das Feuer. Die Schießerei dauerte bis zum Nachmittag und endete erst, als den Männern die Munition ausgegangen war. Danach wurde der Kampf mit Stöcken, Steinen, Messern und anderen Dingen weitergeführt.

Als der Kampf endlich ein Ende gefunden hatte, waren zehn Männer tot. Unter ihnen Bart und Sim Everett, Jack King, Ben und David Tutt. Dave Sinclair, ein Freund der Tutts und der Mörder von Sim Everett, floh gleich nach dem Ende des Kampfes aus der Stadt. Er kam allerdings nicht weit. Freunde der Everetts hatten seine Flucht beobachtet, folgten ihm und erschossen ihn einen Tag später.

Als Jesse Everett, der zum Zeitpunkt der Schießerei in Texas weilte, vom Tod seiner Brüder erfuhr, kehrte er, so schnell er konnte, nach Arkansas zurück, um die Morde an ihnen zu rächen. Obwohl er mehrere Versuche unternahm, Hansford Tutt zu töten, war er erfolglos. Sheriff Mooney, der inzwischen erkannt hatte, dass der Tutt-Everett-Krieg noch lange nicht beendet war, schickte seinen Sohn Tom nach Little Rock, um nun auch den Gouverneur des Bundesstaates Arkansas um Hilfe zu bitten. Tom gelang es, den Gouverneur zu überzeugen, aber er kam nicht mehr nach Hause zurück.

Mehrere Wochen später wurde zwar der Kadaver seines Pferdes an der Mündung des Rush Creeks angespült, er selbst aber wurde nie gefunden.

Im September 1849 schickte John Sheldon Roane, der Gouverneur von Arkansas, General Allan Wood ins Marion County, um dort Nachforschungen anzustellen und gegebenenfalls eine Miliz aufzustellen, was dieser auch umgehend tat, in Yellville einmarschierte, das Kriegsrecht verhängte und Sheriff Mooney von seinen Pflichten entband.

Gouverneur Roane ordnete daraufhin die Verhaftung der Everetts und ihrer Anhänger an. Mehrere Männer landeten im Gefängnis von Yellville, während im County insgesamt sechs Wochen lang das Kriegsrecht herrschte.

Als jedoch der Winter kam, wurde die Freiwilligenmiliz abgezogen und aufgelöst, worauf die Everett-Anhänger ihre inhaftierten Freunde aus dem Gefängnis befreiten.

Im September 1850 wurde Hansford Tutt von Unbekannten erschossen und bald darauf verließen die noch verbliebenen Everetts das County.

Erst danach, sechs Jahre nach der Prügelei in Yellville, in der Sim Everett mit einer Hacke bewusstlos geschlagen wurde, kehrte der Frieden endgültig ins Marion County zurück.

Quellenhinweise:

www.legendsofamerica.com