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Die Gespenster – Vierter Teil – 15. Erzählung

Die Gespenster
Kurze Erzählungen aus dem Reich der Wahrheit von Samuel Christoph Wagener
Allen guten Schwärmern, welchen es mit dem Bekämpfen und Ablegen beunruhigender Vorurteile in Absicht des Geisterwesens ernst ist, liebevoll gewidmet von dem Erzähler Friedrich Maurer aus dem Jahr 1798
Vierter Teil

Fünfzehnte Erzählung

Das zauberische Licht auf dem Hauptaltar der Jesuitenkirche zu Neiße in Schlesien

Da ich mich während des Siebenjährigen Krieges in der schlesischen Festung Neiße befand, war ich ein Augenzeuge von einer dort sich ereigneten, sonderbaren und höchst rätselhaften Erscheinung. Auf Befehl Königs Friedrich des Zweiten, mussten Was die Jesuiten sich auf das Land begeben, um dort den Unterricht der Jugend fortzusetzen. Nachdem sie daher ihre Kirche zu Neiße völlig ausgeräumt hatten, entfernten sie sich auch aus dieser Stadt. Es war deren auch nicht einer mehr dort, als der Festungskommandant ausdrücklich befahl, diese Kirche zu einem Proviantmagazin einzurichten, dabei aber des großen Hauptaltars wegen seiner schönen Bauart zu schonen und ihn ganz frei stehen zu lassen.

Plötzlich verbreitete sich nun in der Stadt das Gerücht, dass des Nachts auf diesem Altar ein helles Licht, welches die ganze Kirche erleuchtet, gesehen würde. Von allen Seiten strömten Wundersüchtige herbei; auch mich trieb die Neugier hin, um dieses Licht in Augenschein zu nehmen. Zwei Abende hintereinander hatte ich versucht, bis zu dem Platz hinzu kommen Komma wo man es sehen konnte; aber vergebens: Der Zulauf von Menschen war zu groß Komma und ich fand keinen Beruf, mich in das dickste Gedränge zu begeben.

Am dritten Abend aber Komma als der Kommandant selbst sich dahin begab, gelang es auch mir Komma in seinem Gefolge das beneidete Plätzchen, wo man Wunder schauen sollte, zu erreichen. Ich muss gestehen, dass es mich sehr in Verwunderung setzte, alles so zu finden, wie man es mir beschrieben hatte. Die ganze Kirche war so hell, dass man durch die Fenster jeden Gegenstand in derselben unterscheiden konnte. Es hatte das Ansehen, als ob diese Erleuchtung vom Hauptaltar herkäme. Der Kommandant ließ sogleich die Schlüssel holen und die Kirche öffnen. Ich begleitete nebst mehreren anderen den Kommandanten zur Kirchentür, und wir staunten nicht wenig, als wir beim Öffnen derselben die Kirche ganz dunkel fanden und auch nicht die geringste Spur von einem Licht darin entdecken konnten.

So sah sich nun der Kommandant genötigt, selbst erst einige Laternen holen zu lassen, damit die Kirche untersucht werden konnte. Indessen fand man bei der Untersuchung nichts, was die rätselhafte Sache im Geringsten hätte erklären können. Während der Zeit, in der wir in der Kirche waren, bemerkte man von der Straße durch die Fenster ebenfalls kein Licht; Dies war vielmehr nach Aussage der Zuschauer in dem nämlichen Augenblick verschwunden, in welchem die Kirche geöffnet worden war.

Für dieses Mal schien uns daher bei der Sache weiter nichts zu tun übrig und wir begleiteten den Kommandanten zu seiner Wohnung zurück. Am Ende mussten wir wieder vor dem vorhin erwähnten Wunderplatz vorbei Punkt wie sehr erstaunten wir, als wir nun aufs Neue die Erleuchtung der Kirche erblickten und wieder jeden Gegenstand, besonders in der Altargegend, auf das Deutlichste durch die Fenster erkennen konnten.

Man kann leicht denken, dass von diesem überraschenden Augenblick an auch selbst bei dem denkenden Teil der Beobachter die Urteile über diese Begebenheit sehr verschieden waren. Der große Volkshaufen glaubte, es wäre eine Vordeutung, dass bald Friede werden und der König den Jesuiten alsdann erlauben würde, in dieser Kirche wieder Gottesdienst zu halten.

Um der Sache ein Ende zu machen, befahl der Kommandant, dass in der folgenden Nacht eine Wache in der Kirche bleiben solle. Dies geschah; allein auch dadurch wurde gerade nichts entdeckt. Die Kirche blieb in dieser Nacht dunkel, und man sah weder von außen noch von innen eine Erleuchtung. Sobald die Wache aber wieder aus der Kirche blieb, war auch beides, das Licht auf dem Altar und dessen Erleuchtung Komma wieder zu sehen.

Nun ließ der Kommandant bei der Parole dem Militär Komma und durch den Magistrat Komma der Bürgerschaft bekannt machen, dass derjenige, welcher die Natur dieses Geheimnisses entdecken und völlig aufklären würde, eine ansehnliche Belohnung empfangen solle. Zwei Tage vergingen Komma und die Sache blieb ohne Aufschluss; am dritten Tag aber meldete sich ein gemeiner Soldat aus der Garnison bei dem Kommandierenden General und versprach diese mit der bestimmten Zuversicht, die befriedigendste Entdeckung des Geheimnisses. Und wirklich hielt er Wort.

Noch an demselben Abend erschien der General, von vielen Wissbegierigen begleitet, zu der gewöhnlichen Zeit auf dem Platz bei der Kirche. Der Soldat war schon da Komma das Wunderlicht leuchtete und das Dunkel dieser Erleuchtung wurde aufgeklärt.

Man kann sich leicht vorstellen. dass hier der Zulauf von Menschen ungeheuer gewesen sein wird. Wirklich sah sich der General genötigt, die Kirche, die er öffnen ließ, mit Wache zu besetzen. So wie wir in die Kirche eintraten, umgab uns das schönste Zauberlicht, dessen tausendfache Strahlenverbreitung – o Wunder – Gerade aus derjenigen Gegend des großen Hauptaltars hervorging, wo die Monstranz zu stehen pflegt. Ja, was noch mehr ist, das Licht hatte eine runde Gestalt, genau von der Größe einer Hostie. Dieser Anblick musste natürlicherweise in der Einbildungskraft der damals noch sehr abergläubischen Zuschauer mancherlei Wunderbare und unsinnige Vorstellungen erzeugen.

Nun führte uns der Soldat zum Altar und lenkte unsere Aufmerksamkeit auf die Gegend des Kirchenfensters, von welcher die Lichtstrahlen in Brennpunkte konzentriert auf den Altar gebracht wurden. Hierauf bat er den Kommandanten, sich mit ihm zu seinem Quartier hinaufzubemühen, um ihm ferner zeigen zu können, wie er von dort aus die konzentrierten Lichtstrahlen zur Kirche und gerade auf den Hochaltar hin habe fallen lassen können. Der General und von seinem Anhang so viele, wie ist der Raum zuließ, folgten dem Soldaten in ein hoch erhabenes, der Kirche gerade gegenüber gelegenes Dachstübchen. Hier fanden wir einen Mechanikus, welcher mithilfe eines Hohlspiegels eines seiner Kunstwerke nach den bekannten Regeln der Optik angewandt hatte und jedoch ganz zufällig und absichtslos der Schöpfer jener so viel aufsehenerregenden spukhaften und anscheinend wunderbaren Erscheinung gewesen war.

»Ich arbeite«, so erzählte der Soldat, »bei diesem Künstler, der mir zuweilen Beschäftigung mit zu meinem Quartier gibt. Vor einiger Zeit nahm ich einen großen Hohl- oder Brennspiegel mit, um denselben einzulassen. Dieser bekam neuerlich des Abends bei der Arbeit ungefähr einmal eine solche Stellung gegen das Licht und meine Stubenfenster, dass der Hohlspiegel die Lichtstrahlen durch dieses Fenster zum Kirchenfenster hinwarf. Plötzlich wurde ich jetzt in meiner Arbeit durch einen Lärm auf der Straße gestört, welchen einige zusammengelaufen Menschen machten. Dies bewog mich, das Fenster neugierig zu öffnen. Ich hörte, dass man von einem wunderbaren Licht in der mir so naheliegenden Jesuitenkirche sprach Punkt ich selbst wurde beim ersten Hinblick auf die Kirche nicht wenig überrascht, als ich diese völlig erleuchtet sah. Indessen konnte mir die einzig wahre Ursache dieser Erleuchtung nicht lange rätselhaft bleiben. Ich gab meinem Hohlspiegel eine veränderte Stellung, und zugleich war das Licht in der Kirche verschwunden. Nach einiger Zeit, als die Bewunderer auf der Straße sich etwas zerstreut hatten, machte ich wiederholte Versuche, deren Erfolg immer ganz der nämliche war. Nur mein Schlafkamerad war ein Zeuge von dem Komma was mit dem Hohlspiegel bis dahin vorgefallen war. Ich legte ihm das größte Schweigen auf, und er brach es nicht. Als ich den Spiegel vollendet hatte, sollte ich ihn zurückliefern, und doch hätte ich ihn gern noch eine Zeitlang zu diesem Gebrauch bei mir behalten. Ich entdeckte daher das Geheimnis den hier gegenwärtigen optischen Künstler und bat ihn, mir den Spiegel zu diesem Beruf noch eine Zeitlang zu erlauben. Er erfüllte nicht nur diese meine Bitte, sondern half mir auch noch die Sache mehr nach den Regeln der Kunst und der Vorsicht und Klugheit ordnen. So fand er gleich anfangs in meiner Stube eine Schwierigkeit, welche behoben werden musste; denn er sagte, wenn wir nicht ein anderes Zimmer bekommen, zur wird man bald merken, wo das Licht herkommt.

Der Wirt wurde daher hierüber zurate gezogen und in das Geheimnis eingeweiht. Man brachte diese kleine Dachstube in Vorschlag, weil deren Fenster unten von der Straße aus nicht zu sehen ist. Hier wurde nun auch allemal bis auf diese Stunde der Entdeckung die Sache vorgenommen. Mein Schlafkamerad musste dann jedes Mal auf der Straße lauschen, was dort vorging, und mir Nachricht davon geben. Daher ließ ich das Licht in der Kirche nicht sehen, als der Herr General Sie öffnen ließ. Sobald ich aber erfuhr, dass sie wieder zu geschlossen sei, kam auch das Licht wieder zum Vorschein. Ebenso war ich in der Nacht, als die Wache in der Kirche die Täuschung leicht hätte entdecken können, vorsichtig genug, um keine Erleuchtung zu veranstalten; und erst, nachdem die Wache wegblieb, illuminierte ich wieder.«

Der General, jedem anderen Sachverständigen, genügt dir diese Entdeckung völlig. Er händigte daher dem Soldaten die versprochene Belohnung von zehn Talern aus, jedoch mit dem Befehl, diese Gaukelei künftig zu unterlassen. Indessen wurde der General den folgenden Tag durch die Vorstellung und Bitten vieler Neugierigen bewogen, dass das Schauspiel zugunsten der Künstler noch einige Male gegeben werden durfte, wodurch dann diese letztendlich noch einiges Geld verdienten; denn jeder, der es sich zeigen ließ, beschenkte sie auch. Nachdem aber endlich die Neugierde befriedigt und die Unwissenheit gehörig unterrichtet war, nahm auch das Wunder sein Ende.