Der Märkische Eulenspiegel 6
Der Märkische Eulenspiegel
Seltsame und kurzweilige Geschichten von Hans Clauert in Trebbin
Niedergeschrieben von Oskar Ludwig Bernhard Wolff
Leipzig, 1847
Überarbeitete Ausgabe
Hans Clauert, Schlosser aus Trebbin
Wie Clauert heimzieht und sich verheiratet
Da nun Hans Clauert seine Beute wohl geraten war, sodass er sich in ganz kurzer Zeit und mit gutem Gewissen achtzig Taler verdient hatte, da gedachte er seinem Vater einen frommen Sohn nach Hause zu bringen. Er verschickte deshalb seine Trompete und kehrte nach Trebbin zurück. Sein Vater war darüber aufs Höchste erfreut, dass er einen solchen Beutel voll Geld mit nach Hause brachte, und überredete seinen Sohn in den Ehestand zu treten, in der tröstlichen Hoffnung, Hans werde die alte Haut abgezogen haben und sein Geld gut anzulegen wissen. Dies tat Clauert auch aufs Beste, wie aus den nachfolgenden Geschichten zu ersehen ist.
Wie Clauert mit der Braut von Trebbin nach Treuenbrietzen fuhr und auf dem Weg seine Hofleute zählte
Kurze Zeit darauf begab es sich, dass Valten Luffe aus Treuenbrietzen Margaretha, die Tochter des Bürgermeisters Peter Müller zu Trebbin, heiratete. Als nun der Tag herankam, wo man die Braut von Trebbin nach Treuenbrietzen führen sollte, wie es in jenem Land Sitte ist, wurde unter anderen auch Clauert zur Hochzeit eingeladen und machte dabei einen Reiter. Nach seiner Gewohnheit hing er ein großes Jägerhorn auf den Rücken, um vielleicht ein Lachen damit anregen zu können. Dies kam ihm denn auch auf der Fahrt sehr zustatten. Denn als die Leute von Treuenbrietzen der Braut entgegengeritten kamen und einen geehrten Mann bei sich hatten, der sich, um die Braut aufzunehmen, auf eine herrliche Rede vorbereitet hatte, war diesem doch gegenüber dem fremden Volk der Muth so sehr entfallen, dass er nichts Ordentliches hervorzubringen imstande war.
Clauert bemerkte bald, dass der Mann erschrocken war; deshalb sagte er zu ihm: »Mein guter Freund! Haltet ein wenig inne mit der Rede, ich muss herumblasen und meine Hofleute zählen, damit ich nicht etwa einen derselben verloren habe.«
Sogleich fing er an auf seinem Horn zu blasen und sprengte drei bis viermal um die Wagen herum, fortwährend blasend, bis er glaubte, der Redner werde sich erholt und seine Rede wieder gefasst haben.
Da hörte er auf zu blasen und sagte: »Lieber Freund, meine Ritter sind noch alle da; habt Ihr nun etwas zu reden, so mögt Ihr es vorbringen.«
Unterdessen hatte der Redner sich besonnen, hielt darauf eine schöne Rede und empfing die Braut samt ihren Freunden und Verwandten. So zogen sie zusammen nach Treuenbrietzen, wo die Hochzeit in Freuden begonnen und Clauerts Hornblasen von allen Gästen gewaltig belacht wurde.
Weil nun zu Treuenbrietzen die Sitte war, dass, wenn einer von den Ratsfreunden oder Kindern derselben Hochzeit hielten, sie am dritten Tag der Hochzeit hinaus in ihre Meierei ritten, wo sie frische Milch oder sonst eine Mahlzeit bestellen ließen, und jede Mannsperson dabei eine Frau oder Jungfrau hinter sich auf sein Pferd nahm, so hatte Clauert auch eine vornehme Jungfrau hinter sich aufgesetzt. Als sie nun wieder in die Stadt zurückritten, geschah es, dass Clauert seinem Pferd die Sporen gab und in vollem Galopp in die Stadt hineinsprengte.
Da fing die Jungfrau an zu schreien: »Ach Clauert, Clauert! Reitet langsam oder ich werde vom Pferd fallen.«
Clauert aber antwortete ihr: »O liebe Jungfrau, ich kann das Pferd nicht halten, greift schnell herum und haltet Euch am Sattelknopf fest!«
Die Jungfrau hatte in ihrer Angst vergessen, dass Clauert keinen Sattel auf dem Pferde hatte, und griff deshalb eilends mit beiden Händen nach dem Sattelknopf. Als sie bemerkte, dass der Sattel ganz fehlte, schrie sie immer heftiger, sie werde fallen.
Clauert aber sagte zu ihr, sie solle ihn nur fest umklammern, so werde sie nicht fallen. Dies tat denn die Jungfrau, und so sprengte Clauert mit den anderen Herren und seinen Mitgesellen fort, bis sie vor dem Haue ankamen, in welchem die Hochzeit gefeiert wurde. Da hielt er an und zeigte den Gästen, wie die Jungfrau ihn zärtlich umarmt hätte, damit sie nicht vom Pferd gefallen wäre. Da schämte sich die Jungfrau so sehr, dass sie eilig nach Hause lief und nicht wieder zur Hochzeit kam. Hatten nun die Hochzeitsgäste Clauerts Hornblasen zuvor hin-länglich belacht, so war dieses Reiten jedem noch viel lächerlicher. So wurde also die Hochzeit in aller Fröhlichkeit vollendet und jene Leute hätten Clauert später wohl oftmals gern wieder bei sich gehabt, wenn sie guter Dinge waren.