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Slatermans Westernkurier 04/2024

Auf ein Wort, Stranger, heute wollen wir an die letzten Überlebenden der Piscataway erinnern.

Die Piscataway sind ein algonkinischer Stamm, der mit den Lenape/Delaware verwandt ist, aus deren Vorfahren sie hervorgegangen sind. Obwohl der indianischen Sprachfamilie der Algonkin im Osten zahlreiche Bauern und Waldstämme wie die Delaware oder die Winnebagos angehören und sich ihre Zugehörigkeit bis weit in den Westen hinein auch auf die Volksgruppen der Cheyenne, Arapahoe, Atsinas, Blackfeet, Chippewas und Crees erstreckt, blieben sie einzig und allein lediglich dem Volk der Nanticoke verbunden. Ein Umstand, der wohl daher rührt, dass sie mit ihnen in prähistorischer Zeit vereint waren und zusammen einen einzigen großen Stamm bildeten.

Frei übersetzt bedeutet ihr Name »Die Menschen dort, wo der Fluss eine Biegung macht.«

Sie waren sesshafte Jäger und Bauern, deren Stammesgebiet sich zwischen dem Potomac River und dem Westufer der Chesapeake Bay in Maryland erstreckte.

Sie lebten in festen Dörfern in der Nähe von Gewässern, die mit Kanus befahrbar waren. Wie es bei den algonkischen Völkern üblich war, bestanden ihre Siedlungen aus mehreren einzelnen Häusern, die durch eine Blockpalisade geschützt waren. Die Häuser selbst waren rechteckig und typischerweise etwa 10 Fuß hoch und gut 20 Fuß lang und mit tonnenförmigen Dächern versehen, die zum Schutz vor Regen und Schnee mit Baumrinde oder gewebten Matten bedeckt waren. In der Mitte des Hauses befand sich eine Feuerstelle und darüber ein sogenanntes Rauchloch.

Die Frauen im Dorf ernteten Mais, verschiedene Bohnensorten, Melonen, Kürbisse und Zeremonientabak, die sie angepflanzt hatten, und sammelten Beeren, Nüsse und Wurzeln zur Nahrungsergänzung. Die Männer gingen mit Pfeil und Bogen auf die Jagd, um Bären, Elche und Hirsche, aber auch Kleinwild wie Eichhörnchen, Rebhühner, Biber oder wilde Truthähne zu erlegen. Zusätzlich machten sie sich noch mit ihren Kanus in den nahen Gewässern auf die Suche nach dort lebenden Fischen, Austern und Krabben.

So lebten sie, ohne Hungersnöte, Neid oder Heimtücke zu kennen, bis zu jenem schicksalhaften Tag in Frieden und Eintracht, an dem sie zum ersten Mal mit dem weißen Mann in Kontakt kamen.

 

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Man schrieb das Jahr 1608, als Kapitän John Smith und William Claiborne als erste weiße Männer ihren Fuß auf das Land der Piscataway setzten. Zu dieser Zeit befanden sich die Piscataway auf dem Höhepunkt ihrer Macht. Sie waren die größte und mächtigste Stammesnation im Land zwischen der Chesapeake Bay und dem Potomac River. Ihr Territorium umfasste die heutigen Countys Charles, Prince George und St. Mary und erstreckte sich bis nach Norden zum Baltimore County und nach Westen bis zu den Ausläufern der Appalachen.

Smith, Claiborne und ihre Begleiter behandelten die Ureinwohner mit Respekt, sodass sie den Piscataway als freundliche und friedfertige Weißgesichter in Erinnerung blieben, als sie ihre Jagdgründe einige Zeit später wieder verließen. Danach waren weiße Männer in den Wäldern von Maryland nur noch selten anzutreffen.

Das änderte sich jedoch schlagartig, als im Jahr 1634 die Schiffe Ark und Dove mit Leonard Calvert, dem Jesuitenpriester Andrew White und Dutzenden von Kolonisten an Bord vor der Küste von Maryland ankerten. Die Piscataway waren den ersten Siedlern gegenüber freundlich und halfen ihnen, sich an das neue Land anzupassen, nicht ahnend, dass diese nur die Vorboten einer wahren Flutwelle englischer Einwanderer waren, die sie schon bald aus ihren angestammten Jagdgründen hinausspülen würde.

Verlief das Nebeneinander zwischen Rot und Weiß in den Anfangsjahren der weißen Kolonialisierung noch so einvernehmlich, dass der Jesuitenmissionar 1640 den katholischen Katechismus sogar in die Piscatawaysprache übersetzte und im Gegenzug viele der Ureinwohner dem christlichen Glauben beitraten, zeigten sich schon bald die ersten Risse im freundschaftlichen Bündnis der beiden Völker.

Die Zahl der ankommenden Kolonisten wurde immer größer und das Land demzufolge immer knapper. Ab 1660 begannen die weißen Siedler dann in das Stammesgebiet der Piscataway einzudringen, ihr Land zu roden und es urbar zu machen. Konflikte waren damit vorprogrammiert und es dauerte nicht lange, bis es die ersten Toten gab.

1666 unterzeichnete Lord Baltimore dann den ersten einer Reihe von Verträgen zum Erwerb von Land von den Piscataway. Aber schon dieser Vertrag wurde, wie alle folgenden, immer wieder gebrochen, bis die Piscataway schließlich endgültig vertrieben waren. Sie zogen sich in weiter westlich gelegene Gebiete zurück, die aber bereits von anderen, dort ansässigen Stämmen beansprucht wurden, was natürlich zu Kämpfen führte. Das, sowie das Vordringen von immer mehr Europäern der verschiedensten Nationen ließ mehrere Gruppen des Piscatawaystammes bis nach Kanada ziehen. Andere Zweige des zurückgebliebenen Volkes wurden durch die ständigen Stammeskämpfe und Infektionen durch die von weißen Siedlern eingeschleppten Krankheiten dahingerafft und starben nach und nach in den folgenden Jahren aus. Die Auswirkungen der 1670 ausgebrochenen Pockenepidemie waren dabei am schlimmsten.

 

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Für den Hauptteil des Stammes begann nach dem Ende der Pockenepidemie ein fast dreißig Jahre andauerndes Martyrium aus Krieg, Vertreibung und ständiger Flucht.

Nachdem die Engländer ständig versuchten, alle Stämme aus ihren Heimatländern zu vertreiben, floh des Rest des Stammes 1680 in den Zekiah Swamp, einer schier undurchdringlichen Sumpflandschaft im Charles County in Maryland. Dort wurden sie jedoch ständig von den ansässigen Irokesen angegriffen, bis es ihnen gelang, einen Friedensvertrag auszuhandeln. Trotzdem gestaltete sich das Zusammenleben der verfeindeten Stämme mit der Zeit als immer schwieriger und so überquerten die Piscataway 1697 schließlich den Potomac River und ließen sich im Fauquier County in Virginia nieder. Die dortigen weißen Siedler waren alarmiert und versuchten die Piscataway zunächst friedlich dazu zu überreden, wieder nach Maryland zurückzukehren. Als der Stamm ablehnte, machten ihnen die Weißen das Leben so unerträglich, dass sie nach kaum zwei Jahren nachgaben und 1699 nach Norden auf die heutige Heater’s Island im Potomac River zogen.

Dort blieben sie bis 1722.

Dann forderte die Amerikanische Revolution ihren Tribut von den indianischen Stämmen, die sich alle mit der einen oder anderen Seite verbündet hatten. Am Ende des Krieges waren alle ihre Dörfer zerstört. Die Piscataway blieben davon nicht verschont. Der Stammesverbund löste sich nach und nach auf, als die einzelnen Familienclans damit begannen, sich in alle Winde zu zerstreuen, um endlich irgendwo eine Heimat zu finden, in der sie in Frieden leben konnten.

Verschiedene Gruppen reisten nach Michigan, andere in Teile Kanadas, wo sie von den lokalen Stämmen aufgenommen wurden und nach und nach in ihnen aufgingen. Der größte Teil von ihnen wanderte jedoch nach Pennsylvania aus, wo sie sich mit dem Stamm der Haudenosaunee vermischten und Schutz bei den dortigen weißen Christen suchten. Die Zurückgebliebenen verteilten sich auf die Städte und Dörfer im Süden Marylands, fügten sich im Laufe der Jahre in die lokale Struktur des Landes ein und führten fortan ein kaum beachtetes Leben.

All diese Ereignisse führten in ihrer Summe letztendlich dazu, dass die Piscataway bereits eine Generation später nicht nur aufhörten als eigenständiger Stamm zu existieren, sondern auch ihre Identität als Volk verloren hatten.

 

*

 

In den 1970er Jahren, unmittelbar nach der Ära der Bürgerbewegungen, inspirierte die panindianische Bewegung indigene Gruppen im ganzen Land dazu, ihre Rechte und Identitäten zurückzufordern und für Anerkennung in einer Gesellschaft zu fordern, die sie jahrhundertelang an den Rand gedrängt hatte. Die letzten Nachkommen der Piscataway, die in Maryland nahezu tagtäglich herabgesetzt und diskriminiert wurden, sahen eine Gelegenheit, ihre traditionelle Lebensweise endlich wiederzuerlangen. Mehrere Einzelpersonen und Gruppen, die zunächst unabhängig voneinander arbeiteten, leiteten schließlich gemeinsam den langen Prozess der Stammesanerkennung durch den Staat ein. Da das meiste von ihrer Geschichte im Lauf der Zeit verlorengegangen war, verbrachten diese Menschen, die sich inzwischen Piscataway Nation nannten, Jahrzehnte damit, ihre Kultur aus schriftlichen Aufzeichnungen und mündlichen Überlieferungen neu zusammenzusetzen.

Obwohl die Regierung der Vereinigten Staaten keine Aufzeichnungen über ihr Volk führte, verfügte die Katholische Kirche, deren Vorfahren ihr angehörten, über zahlreiche Familienunterlagen und andere Informationen, die schließlich dazu beitrugen, sie als Mitglieder des Stammes der Piscataway zu identifizieren. Dennoch dauerte es noch Jahrzehnte, in denen die Mitglieder der Piscataway mit dem Staat und insbesondere der Maryland Commission on Indian Affairs zusammenarbeiten mussten, um die öffentliche Anerkennung ihres Stammes zu erreichen.

Nicht weniger als kulturelle Anerkennung, Akzeptanz und der Zugang für Bundesmittel für Bildung, Wohnung und Gesundheit standen auf dem Spiel.

Es dauerte bis zum Januar 2012, als man die Repräsentanten der letzten Piscataway bei einer Zeremonie in Annapolis, Maryland, per Präsidialerlass offiziell anerkannte und bestätigt wurde, dass sie ein eigenständiges Volk mit einer langen Kulturgeschichte in Maryland sind, die Jahrhunderte zurückreicht und sie ein Recht auf ihre Forderungen hatten.

Diese Gruppe, die letzten Nachkommen eines abertausend Köpfe zählenden Stammes, besteht heute nur noch aus knapp 200 Seelen.

Es wäre zu wünschen, dass diese Kolumne mit dazu beitragen kann, dass man die Letzten dieses Volkes nicht vergisst.

Quellennachweis:

Noch mehr Informationen gibt es unter piscatawaytribe.org