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Slatermans Westernkurier 03/2024

Auf ein Wort, Stranger, heute geben wir uns die Sporen.

Wie (fast) jeder weiß, gehören Hut, Stiefel und Bandana, das große, meist diagonal gefaltete und im Nacken gebundene, taschentuchartige Halstuch, zur Standardausrüstung eines jeden echten Cowboys. Dass Sporen dazugehören, ist vielleicht auch bekannt, nicht aber, dass diese Berufsgruppe, die man einmal die wahren Aristokraten Amerikas nannte, sie als wichtiges, ja lebensnotwendiges Kleidungsstück betrachtete.

An alten Sprichwörtern ist immer etwas Wahres dran, und eines davon besagt, dass ein Cowboy lieber ohne Hosen als ohne Sporen reitet. Besser kann man die Bedeutung der Sporen für den Cowboy wohl nicht beschreiben.

Aber warum so viel Stolz und Freude für einen Gegenstand, der nicht mehr ist als ein Stück gusseisernes Metall? Um diese Frage zu beantworten, muss man tief in die Geschichte der Sporen, aber auch in die Welt der Cowboygesellschaft eintauchen.

Ursprünglich diente der Sporn den mittelalterlichen Rittern dazu, ein Pferd für Ungezogenheit oder Ungehorsam durch einen Stich in die Flanke zu bestrafen. Für den Cowboy war er dagegen ein Hilfsmittel, eine Art Hinweis- oder Unterstützungsinstrument – ein eklatanter Widerspruch in den Ansichten dieser beiden Reiterdynastien im Umgang mit Pferden, die historisch mehr gemeinsam haben, als man denkt. Die Ritter hatten ihre Blütezeit zwischen dem 11. und 13. Jahrhundert, während zur gleichen Zeit, um das Jahr 1000 n. Chr. in Irland auf den Rinderfarmen das Wort Cowboy aufkam. Ein Begriff, der sich im englischen Sprachraum immer mehr manifestierte und um 1640, als die Ritter längst Geschichte waren, mit den von Oliver Cromwell deportierten irischen Kriegsgefangenen nach Neuengland gelangte.

Ab 1750 wurde das Wort Cowboy allgemein für die Begleiter der Rinderherden in Virginia, Carolina und Georgia verwendet.

Natürlich hätte auch der Cowboy, wie die Ritter, mit den Sporen strafen und sicherlich auch misshandeln können, aber im Gegensatz zu den Lanzenreitern basierte sein Ehrenkodex auch auf Selbstachtung und Hilfsbereitschaft gegenüber jeder Kreatur. Seit es Cowboys gibt, verliert ein Mann für immer sein Gesicht, wenn sein Pferd sichtbare Sporenspuren aufweist oder gar durch die Sporen verletzt wird.

Nur die Bronco Buster, die auf bockenden Wildpferden ritten, machten bei der Zähmung der Tiere eine Ausnahme. Hier wurden die Achsseiten neben dem Spornrad mit Draht umwickelt, sodass das Rad unbeweglich war. Manche Broncosporen hatten auch einen sogenannten Bockhaken auf der Oberseite zwischen Fersenbügel und Spornrad, der dann unter den Sattelgurt geklemmt wurde. Beide Varianten bedeuteten für das Wildpferd, je mehr es sich gegen den Willen des Reiters wehrte, desto mehr Schmerzen, was zur Folge hatte, dass es schnell zahm wurde.

Doch genug der Ausführungen, kommen wir zurück zum eigentlichen Thema, den Sporen.

Wie sieht ein Sporn aus, wie wird er hergestellt?

 

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Der Sporn besteht aus einem meist gusseisernen Absatzbügel, der um den oberen Teil des Stiefelabsatzes gelegt wird. An den beiden offenen Enden dieses Bügels befinden sich, meist an einem kurzen, beweglichen Stahlband, sogenannte Halteknöpfe, an denen das Sporenleder und die Absatzketten befestigt werden. Das Sporenleder liegt fest auf dem Oberleder des Reitstiefels auf, die Ketten verlaufen vor dem Absatz unter dem Stiefelgelenk. Dadurch wird der Absatzbügel fest mit dem Absatz verbunden. Von der Mitte der Wölbung des Fersenriemens verläuft der Spornstachel, ein an seinem leicht nach unten gebogenen Ende geschlitzter Metallschenkel, in dem sich auf einer Achse das Spornrad dreht. An dieser Spornradachse befestigten die Cowboys sehr oft kleine perlen- oder glöckchenartige Metallornamente, im Volksmund Jingle Bells genannt, die beim Reiten oder Gehen hell erklangen.

In der Blütezeit der Cowboys waren manche Spornräder mit bis zu 16 cm Durchmesser recht groß, heute haben sie nur noch die Größe einer 2-Euro-Münze.

Der Cowboy Don A. Meadows sagte anno 1903 hierzu: »Man sagt im Norden, bei den Yankees und Pfeffersäcken, dass wir Cowboys Halbwilde sind, die möglichst geräuschvolle Sporen tragen, um die Ladys aufmerksam zu machen. Holy Shit, das sagen ausgerechnet Männer, die Korsetts unter ihren weißen Seidenhemden tragen, mit Schnurrbartbinden ins Bett steigen, sich die Haare vom Barbier in Wellen brennen und voll Pomade schmieren lassen, die sich die Hände maniküren lassen und aufdringlich wie ein ganzer Parfümladen duften. Sicherlich sind Männer eitel und Cowboys sind Männer. Aber sie sind bei Weitem ehrlicher als diese Duckmäuser und Leisetreter in Frack und Zylinder.«

Die gebräuchlichsten und bekanntesten historischen Spornarten waren der europäische Pryck-Sporn aus dem 9. bis 14. Jahrhundert, der sogenannte englische Sporn aus dem 14. bis 16. Jahrhundert. Es folgten der mexikanische Chihuahua-Sporn und der mexikanische Vaquero-Sporn und in der Zeit des amerikanischen Wilden Westens der Texas-Sporn, der kalifornische Sporn und der sogenannte OK-Sporn. Gerade in dieser Zeit wurde der amerikanische Sporn zunächst hauptsächlich mit Spornrädern ausgerüstet, die nach der Anzahl der Zähne der Spornräder benannt wurden. So gab es zwischen 1855 und 1890 das 5-Spornrad, das 6-Spornrad sowie das 9-, 10-, 16- und 20-Spornrad. Es folgten das so genannte 5-, 6- und 7-Zahn-Sternrad und ab 1879 das noch heute gebräuchliche Morgensternrad. Daneben gab es zwischen 1860 und 1910 noch spezielle Texas-Cowboy-Spornräder, anhand derer Experten genau feststellen konnten, aus welchem County der betreffende Reiter stammte.

Wie man sieht, sind Sporen nicht einfach nur Sporen, sondern fast schon eine Wissenschaft.

Sporen waren also nicht nur Ausrüstungsgegenstände der Cowboys, sondern auch Schmuckstücke. Versilbert, vergoldet, handgraviert, mit erhabenen Edelmetalleinlagen und Glöckchen, Perlen und geschnitztem Spornleder versehen, bereiteten sie ihrem Träger und natürlich auch den Damen ein diebisches Vergnügen.

Den Pferden allerdings weniger!

Quellenangabe:

• H.J. Stammel: Der Cowboy – Legende und Wirklichkeit von A bis Z, Bertelsmann Lexikon Verlag, Juli 1972, ISBN: 978-3570054383