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Nick Carter – Band 13 – Der geheimnisvolle Nachbar des Detektivs – Kapitel 9

Nick Carter
Amerikas größter Detektiv
Der geheimnisvolle Nachbar des Detektivs
Ein Detektivroman

Auf der Fährte des Meisters

Der Schlag, welcher Nick Carter niedergeworfen hatte, konnte ihn jedoch nicht der Sinne berauben.

Er wusste, dass er von Devereaux mit einer Waffe auf den Kopf geschlagen worden war, war aber nicht imstande, die Art des Schlages oder der Waffe festzustellen.

Als er fiel, hatte er den unklaren Gedanken, dass es eine ihm unbekannte Waffe gewesen sein könnte. Tatsächlich war es ein Luftgewehr, dessen Kugel nicht tötete, sondern nur betäubte.

Er hätte sich auch erhoben, wenn nicht ein Mann eingetreten wäre, der ihm ein mit Chloroform getränktes Tuch auf das Gesicht zu pressen versuchte. In diesem Bemühen wurde jener von Devereaux unterstützt.

Nick wendete alle Tricks an, die ihm zur Verfügung standen, um sich gegen die Einwirkung des Chloroforms zu schützen.

So wurde er nicht völlig bewusstlos, obwohl er machtlos gegen das war, was die beiden Männer mit ihm vorhatten.

Die Schurken glaubten, er sei gänzlich bewusstlos, hoben ihn auf und trugen ihn zum nächsten Zimmer, dann durch ein anderes hindurch, die Treppe hinab in einen Hof, wo Nick vollständig besinnungslos wurde.

Vorher hatte er aus der Tasche noch eine Handvoll Papierstückchen genommen, aus denen auch der Ball bestand, den er zum Fenster hinausgeworfen hatte.

Diese hatte er, unbemerkt von den zwei Männern, die ihn trugen, nach und nach herunterfallen lassen, ehe er die Sinne verlor.

Der Revolverschuss des Meisters war von Chick und Patsy wohl gehört worden.

»Der Meister ist in Gefahr«, flüsterte Patsy erregt, indem er quer über die Straße rannte.

Chick kam ihm nach, und die beiden gingen die wenigen Stufen zur Haustür hinauf und begehrten Einlass.

Niemand öffnete auf ihr Klingeln und Klopfen, und die Tür war fest genug, um allen Bemühungen zu widerstehen, dieselbe einzudrücken.

Patsy sprang über das eiserne Treppengeländer und gelangte vor eines der niederen Fenster, die nach der Straße hinausgingen, sah aber, dass es mit einem eisernen Gitter versehen war.

Er bemerkte, dass es an der einen Seite locker war, und versuchte es herauszureißen, aber seine Kraft reichte nicht aus.

»Chick«, rief er leise.

Chick, welcher sah, womit Patsy sich abmühte, sprang ebenfalls über das Geländer und näherte sich seinem Kollegen. Mit vereinten Kräften rissen sie das Gitter aus seinen Befestigungen und hatten nun nur noch das Glas zu entfernen.

Ohne Verzug drückte Patsy die Scheibe ein und entfernte auf dieselbe Weise die schweren Riegel, die das Fenster von der inneren Seite schlossen.

Ohne Weiteres kletterten sie durch die entstandene Öffnung und gelangten in ein Zimmer mit einfacher Ausstattung. Die Tür, die zum Vorsaal führte, war offen, und sie stießen auf die Treppe, welche zum oberen Stockwerk führte.

Als sie den Fuß der Stufen erreichten, kam ein Mann herabgestürmt, augenscheinlich in der Absicht, sich ihnen entgegenzustellen, aber Chick fasste ihn um den Leib, hob ihn auf und schmetterte ihn zu Boden, dass der Mann besinnungslos liegenblieb.

Die beiden sprangen die Treppe hinauf und suchten das Zimmer, wo sie ihren Meister vermuteten.

Sie versuchten, die Tür zu öffnen, diese war aber verschlossen; mit einer Kraftanstrengung gelang es ihnen jedoch, sie einzudrücken.

Das Erste, was sie bemerkten, als sie hineintraten, war Nicks Hut, und auf dem Fußboden, nicht weit davon, lag sein Revolver.

»Das ist das richtige Zimmer«, flüsterte Chick.

Sie durchsuchten den Raum und bemerkten niemanden, auch im nächsten Zimmer nicht.

Patsy kehrte noch einmal um, und seine scharfen Augen entdeckten kleine Stückchen Papier auf dem Fußboden.

»Chick«, rief er erfreut. »Der Meister hat uns eine Spur zurückgelassen.«

Chick kam hastig nach und bestätigte Patsys Entdeckung.

Sie gingen nun der Spur nach, welche sie in ein zweites Zimmer und die Treppe hinunterführte.

»Hier hinunter ist er gegangen«, erklärte Patsy.

Sie gingen nun die Treppe hinab und befanden sich schließlich in einem kleinen, dunklen Gang, an dessen Ende sich eine Tür befand.

Patsy versuchte, sie zu öffnen, fand sie aber verschlossen.

Chick nahm seine Taschenlampe zur Hand, bei deren Licht sie bemerkten, dass die Tür nur verriegelt war. Diese öffnend, fand Chick ein Stückchen Stoff an einem Nagel hängen.

Er untersuchte es beim Schein der Laterne und bemerkte: »Es ist ein Stück aus dem Rock des Meisters.«

»So ist es«, bestätigte Patsy.

Chick sah den Nagel in der Tür an und sagte: »Der Nagel ist ziemlich weit unten.«

»Was meinst du damit?«, gab Patsy zurück.

»Wenn ein Mann durch eine Tür geht und kommt mit derselben in Berührung, so geschieht das gewöhnlich mit den Armen oder mit den Schultern.«

»Dann haben sie ihn hinausgetragen«, sagte Patsy hastig.

»Er ist betäubt worden«, fügte Chick hinzu.

Sie gingen in den Hof, in den die Tür führte, und sahen ein eigentümliches Geländer auf der Mauer, und durch den wilden Wein, der sich daran in die Höhe rankte, war der Hof gegen die ihn umgebenden Häuser verborgen.

»Hier hielten sie sich nicht auf«, meinte Chick.

»Konnten sie ihn denn nicht wieder in das Haus zurückgetragen haben?«, fragte Patsy und sah ins Haus hinein.

Ein Blick überzeugte ihn, dass das nicht der Fall war, und er kehrte zu Chick zurück, der die Mauer auf der einen Seite genau untersuchte.

Als Patsy Chicks Vorhaben bemerkte, ging er zu der Mauer auf der anderen Seite und tat dasselbe. Beide untersuchten sie nun, bis sie in der Mitte zusammentrafen.

»Ich sah keine Öffnung«, sagte Chick, »und sie können einen Mann von des Meisters Gewicht kaum über die Mauer und durch das Gitter gehoben haben.«

Er wollte gerade umkehren, als eine einfache Linie in der Mauer seine Aufmerksamkeit in Anspruch nahm. Er ließ das Licht seiner Laterne darauf fallen und fand nicht nur diese eine, sondern noch mehr solche Linien, die von verschiedenen Punkten ausgingen und sich in der Mitte vereinigten.

»He«, rief Patsy, »das sieht aus wie eine Öffnung.«

»Was meinst du, Kleiner?«, rief Chick zurück.

Patsy legte seine Hand auf die Stelle, wo die Linien sich zu begegnen schienen, und bemerkte, dass der Raum nachgab.

Er lehnte sich mit seinem ganzen Körpergewicht dagegen und befand sich sogleich auf der anderen Seite der Mauer, während sich die Öffnung wieder schloss und Chick zurückblieb.

Aber Chick, welcher gesehen hatte, wie Patsy hineingekommen war, kam auf dieselbe Weise hinüber.

»Ein kluger Trick«, sagte er zu Patsy.

»Aber ein sehr alter«, gab dieser zurück.

»Well, was nun?«, fragte Chick.

»Sie haben den Meister hier durchgetragen.«

»Und in das Haus hier drüben«, fügte Chick hinzu.

Die zwei jungen Detektive sahen sich das Haus von außen an.

Von ihrem Platz aus schien es vier Stockwerke hoch zu sein, denn es zeigte vier Reihen Fenster.

Keines derselben war erleuchtet, noch schien jemand das Haus zu bewohnen.

»Die Front des Hauses geht nach der 9th Street hinaus«, äußerte Patsy.

»Und befindet sich gegenüber dem Stuyvesant Place«, fügte Chick hinzu.

»Bleiben wir denn hier stehen?«, fragte Patsy ungeduldig.

»Irgendwie müssen wir in das Haus hineinkommen«, erwiderte Chick entschlossen.

Sie gingen auf die Tür zu, die wahrscheinlich zu dem unteren Stockwerk führte, und versuchten, sie zu öffnen.

Sie war aber fest verschlossen.

Die beiden sahen sich nun die Fenster an. Diese waren jedoch mit eisernen Gittern versehen; zu fest, um sich ohne Weiteres entfernen zu lassen.

»So können wir nichts gewinnen«, sagte Chick seufzend.

Sie gingen zurück und sahen an der Mauer einen langen Fahnenmast liegen.

Patsy rief Chick zu sich. Die beiden hoben den Mast in die Höhe und legten ihn gegen das Haus, an einen kleinen Vorsprung.

Wie eine Katze kletterte Patsy in die Höhe und Chick direkt hinter ihm her.

Die Fenster, die hier hinausgingen, waren durch Holzläden verschlossen. Diese öffneten sich beim ersten Versuch, aber hier waren die Fenster auch mit eisernen Gittern versehen.

»Hier können wir nicht hinein«, flüsterte Patsy.

Chick sah nach der zweiten Fensterreihe hinauf.

»Ich glaube nicht, dass da oben auch Gitter sind, deshalb müssen wir versuchen hinaufzukommen.«

»Also versuchen wir es«, sagte Patsy, kletterte höher hinauf, das niedrige, flache Dach eines Nebengebäudes erreichend.

Er legte sich flach nieder und tastete nach dem Fenster der zweiten Etage. Mit einer Hand reichte er hinunter an das eine Gitter und rief Chick zu: »Dieses hier ist locker.«

Sie bemühten sich nun zusammen, den Riegel zu entfernen, und hoben das Gitter zu sich herauf.

»Halte mich an den Beinen«, sagte Patsy, und als Chick das tat, beugte er sich so weit vor, dass er gefallen wäre, hätte sein Kamerad ihn nicht gehalten.

»Ziehe mich wieder zurück«, rief Patsy.

Als er wieder oben stand, reichte er Chick beide Hände und flüsterte: »Halte mich an den Handgelenken fest, ich werde mit den Füßen versuchen hinunterzugelangen.«

Chick fragte nicht, sondern tat, was der andere wünschte, und Patsy, von Chick gehalten, streckte den einen Fuß hinunter.

Chick hörte ein Geräusch, als wenn man ein Schiebefenster zurückstößt.

Patsy nahm nun auch den anderen Fuß herunter, und Chick wusste, dass Patsy einen Weg gefunden hatte.

»Ich habe eine Öffnung, Chick«, rief Patsy. »Lass meine Hände los. Du kannst denselben Weg nehmen.«

Patsy verschwand. Chick folgte nach, und als er mit den Füßen die Öffnung fand, fühlte er, wie ihn Patsy hineinzog.

Nun befanden sich beide in völliger Finsternis. Sie hörten eine Stimme, augenscheinlich aus dem anstoßenden Zimmer. Aber sie konnten nicht verstehen, was gesagt wurde. Darauf entfernten sich die Schritte.

Chick nahm seine Taschenlampe, um zu sehen, wo sie sich befanden.