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Die Gespenster – Vierter Teil – 1. Erzählung

Die Gespenster
Kurze Erzählungen aus dem Reich der Wahrheit von Samuel Christoph Wagener
Allen guten Schwärmern, welchen es mit dem Bekämpfen und Ablegen beunruhigender Vorurteile in Absicht des Geisterwesens ernst ist, liebevoll gewidmet von dem Erzähler Friedrich Maurer aus dem Jahr 1798
Vierter Teil

Vorrede
oder, wenn man will, des vierten Teils der Gespenster
Erste Erzählung

Der Nachdrucker, ein warnendes Scheusal

So glücklich die Waffen auch sein mögen, schreibt mir einer meiner Freunde zu Leipzig, womit Sie die Gespenster bekämpfen und so laut Sie auch den spukenden Geistern aller Art den Krieg erklärt haben, so scheint doch eine Gattung von Unholden Ihrer Aufmerksamkeit bisher noch entgangen zu sein. Nachdrucker heißen diese durch ganz Deutschland spukenden Wesen, bei welchen Stehlen und rechtlich Erwerben eins ist. Sie alle wurden im Jahre 1792 zu Berlin teils gehängt, teils gerädert. Allein man ist es von Leuten, welche auf die Erhabenheit der Rabensteine hin zur Ruhe verwiesen worden sind, schon gewohnt, dass sie auch im Tode noch Unfug treiben und zum Beispiel die Reisenden erschrecken, deren Weg zur grauenvollen Mitternacht vor Hochgerichten vorüberführt. Was vollends die Sünder betrifft, von welchen hier eben die Rede war, so hat auch nicht einer von allen, welche vor acht Jahren jenen Lohn ihrer Taten dahinnahmen, aufgehört, weiter zu spuken und zu rauben!

Ja, Freund! Dieses unverbesserliche Nachdruckergewerk lässt auch unter der Last von Schande, die auf ihm liegt, das Stehlen nicht, treibt sein Unwesen zum Schrecken aller solchen Buchhandlungen nach wie vor fort und dokumentiert – wie sehr mich Ihre Gespenster das Gegenteil versichern mögen – so auf das Unwidersprechlichste das Dasein schadenfroher Poltergeister. Ich begnüge mich, Ihnen nur von dem einen dieser mir neulich aufgestoßenen spukenden Gesichter die flüchtigen Züge eines Umrissgemäldes zu zeichnen: Ich verwünschte eben beim Anblick eines nachgedruckten Exemplars Ihrer Gespenster jene um sich greifende laxe Moral unserer Tage, nach welcher man nun so oft fünfe gerade sein lässt; so gern, anstatt beide Augen weit aufzureißen, ein Ange zutun und bei so mancher in Schutz genommenen Schurkerei entschuldigend ruft: »Leben und leben lassen!«

Da trat plötzlich einer von jenen aufs Rad gefesselten Nachdruckern, spukend und frech im Tod, wie im Leben, mir unter die Augen. Dieser überraschende Anblick erweckte in mir die zweideutige Empfindung des Erstaunens und Entsetzens, denn ich glaubte, mehr als einen baren Widerspruch in versinnbildlichter Wirklichkeit zu bemerken.

Das Gespenst mit zerknickten Gebeinen und den Kopf unter dem Arm schlotterte, von zwei glühenden eisernen Krücken unterstützt, vor der Buchhändlerversammlung im hiesigen Paulino vorüber. Ein höllisches Feuer schien an der Schreckensgestalt zu zehren. Überall an derselben flimmerten die Titel nachgedruckter Bücher; überall rügte Flammenschrift verübten Bücherraub. Das Gesicht des vom Rumpf gesonderten Kopfes glühte wie Zinnober, als müssten die im Leben niemals erröteten Wangen nun den vormaligen gänzlichen Mangel an Schamröte abbüßen. Mir gerade gegenüber glomm an diesem Scheusal die Anschrift

Der
Gespensternachdrucker,
verdammt,
ein warnendes Scheusal
zu sein.

Aus dem offenen Mund des abgetrennten Kopfes ertönten wunderbar und grauenerregend die merkwürdigen Worte: »Was auch die Afterphilosophen der Erde zur Entschuldigung oder gar zur Rechtfertigung des Büchernachdrucks faseln mögen – nimmer werden sie ihre Trugschlüsse verantworten können! Wehe mir Verdammten, dass ich durch sie für die Hölle mich werben ließ!«

Mir schauderte die Haut über das Ganze des wundersamen Gesichts. Mitleid und Bedauern ergriff mich und ich fühlte mich von nun an geneigter als je, Menschen, die ich bisher geradezu verdammt hatte, nur als irrende Sünder zu betrachten, welche es nicht einmal wissen und glauben, dass sie die Hand nach fremdem Eigentum ausstrecken und so vom Teufel das Handgeld nehmen.

Nun entwich das warnende Gespenst, denn ich erwachte und bemerkte mit Vergnügen, dass die Erscheinung nichts mehr und nichts weniger war als die Ausgeburt eines unruhigen Schlafes.

Nachschrift des Herausgebers

Dass ich diesen künstlichen Traum an die Spitze der nachfolgenden Erzählungen ans dem Reich der Wahrheit stellte und sie uneigentlich die Erste nannte, darüber erbitte und erwarte ich von gütigen Lesern Verzeihung, sobald ich ihnen sage, dass mich hierzu unter anderen die Neugierde veranlasste, nach welcher man zu erfahren wünschen wird, ob der Nachdrucker durch Weglassung dieser ersten Erzählung die ganze Reihe derselben zerreißen und in Übereinstimmung mit dem angehängten Register bringen oder ob er, unverschämt ehrlich, sie mit nachdrucken werde.