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Jim Buffalo – 19. Abenteuer – Kapitel 1

Jim Buffalo,
der Mann mit der Teufelsmaschine
Veröffentlichungen aus den Geheimakten des größten Abenteurers aller Zeiten
Moderner Volksbücher-Verlag, Leipzig, 1922
Ein Blick in die Zukunft
Das 19. Abenteuer Jim Buffalos
1. Kapitel

Nächtlicher Besuch

In dunkler Nacht raste ein Wagen ohne Pferd über die Landstraße. Dieser Wagen seltsamster Konstruktion machte einen gespenstischen Eindruck.

Er sah aus, als ob in ihm eine Höllenmacht innewohne. Sein Schatten war lang und unheimlich, seine Geräusche, die er von sich gab, unterschieden sich sehr scharf von anderen Wagen dieser Art.

Oftmals blitzten Funken an den Wänden dieses Wagens auf, die den einsamen Wanderer, welcher auf der Landstraße dahinging, erschrecken ließen.

Wie ein flüchtiges Phantom, von irgendeiner unheimlichen Kraft getrieben, eilte dieses Gefährt dahin.

Wo befand sich der Lenker dieser Maschine? War er wahnsinnig geworden? Hatte er die Gewalt über das Steuer verloren? Wie sah der Mann aus, der sich erkühnen konnte, mit einer derartigen Geschwindigkeit, die den Raum spielend überwand, dahinzujagen?

War dieses Gefährt eine Höllenmaschine, die auf die Welt gekommen war, um den Teufel über die Oberfläche bei finsterer Nacht spazieren zu fahren und die Menschen zu erschrecken?

Doch plötzlich machte der Wagen rockartige Bewegungen. Er schleuderte hinüber und herüber und stand. Er stand mitten auf grünem Plan, den das Mondlicht durch die Äste in helles Silber tauchte.

Und das Seltsamste an diesem Wagen war, dass er mitten zwischen den Bäumen stand. Wie war er mit dieser ungeheuren Geschwindigkeit, ohne dass er mit den Stämmen kollidierte, auf die Wiese gelangt?

Doch dies war ein Geheimnis, welches wahrscheinlich nur derjenige lüften konnte, der diesen Wagen von innen aus lenkte.

Ein hochgewachsener Mann mit einem kühnen Gesicht sprang heraus.

Dieser Mann war interessant in seinem ganzen Aussehen. Er hatte ein prall sitzendes Gewand unter dem weiten Mantel, den er nun abwarf. Die Lederkappe hüllte den oberen Teil des Kopfes ein, ließ aber das Gesicht des Mannes frei.

Es war ein sympathisches Antlitz, ein Gesicht, welches großes Vertrauen in dem erweckte, der es sah.

Unsere Leser werden bereits erraten haben, dass der Mann, der da mitten in der Nacht auf grünem Wiesenplan landete, ein alter Bekannter von uns war, nämlich der kühne und unerschrockene Besitzer der Zeitmaschine Jim Buffalo.

Unser Held war inmitten der Nacht aus dem Schlaf geweckt worden. Eine innere Stimme schickte ihn in der Zeitmaschine auf diese Tour und er folgte dieser Stimme, wusste er doch, dass ein Höherer ihn lenkte, dass ein Allmächtiger sein Tun und Lassen bestimmte, einer, der ihm, dem Irdischen, die Zeitmaschine anvertraut hatte.

Und die war in die richtigen Hände geraten.

Jim Buffalo sah sich um.

»Seltsam, kein Haus, kein Licht«, murmelte er kopfschüttelnd. »Was soll das zu bedeuten haben? Warum bin ich hier?«

Er blickte sich nochmals suchend um. Und da verschwand der Mond plötzlich hinter den Wolken und ringsherum war grausige Finsternis. Schon wollte sich Jim Buffalo wieder in die Zeitmaschine begeben, um weiterzufahren, als er durch die Bäume ein Licht schimmern sah.

Er schloss die Augen.

Er sah ein wunderhübsches Mädchen im Geist und dieses Mädchen kniete vor einem Betstuhl und schien ihr Leid einem Höheren anzuvertrauen.

Jim Buffalo bestieg die Zeitmaschine. Es summte und die Funken blitzten. Dann flog die Zeitmaschine wieder über das Gelände, bis sie zum zweiten Mal stand.

Jim Buffalo sprang gewandt heraus. Er hatte einen Blick über einen nächtlichen Garten, in dessen Hintergrund sich ein Haus zeigte. Und das Fenster, welches er vorhin gesehen hatte, zeigte sich nun viel deutlicher.

Der Herr der Zeitmaschine machte ein paar Griffe im Inneren und sah sich dann nach einer Tür in dem Haus um.

Er glaubte sie in dunklen Umrissen aus dem Dunkel der Nacht hervorschimmern zu sehen.

Mit einem Satz war er über das Gitter geklettert und schritt auf die Tür zu.

Er horchte. Da er im Inneren ein langanhaltendes Husten, welcher anscheinend aus Männerbrust kam, vernahm, klopfte er.

Ein schlürfender Tritt näherte sich der Tür.

Bevor die Tür geöffnet wurde, beugte sich der Besucher zu einem kleinen Messingschild herab und las den eingravierten Namen.

Dr. Alfons Mortimer.

Er blickte nunmehr auf die Tür. Ein Schlüssel wurde im Schloss gedreht.

»Wer ist draußen?«, fragte eine müde Stimme, die sicherlich einem alten Mann angehörte. Die Tür war von innen durch eine Sicherheitskette gesperrt und hatte nur so viel Raum gelassen, dass eine Hand hindurchgesteckt werden konnte.

»Ein Mann, der um Unterkunft für die Nacht bittet«, sagte Jim Buffalo. »Ich habe meinen Kraftwagen draußen stehen. Es ist eine Reparatur an demselben zu machen, die ich bis zum Tag verschieben muss.«

»O, das ist schlimm«, sagte der Mann mitleidig. »Aber ich kann Sie nicht einlassen«, setzte er bestimmt hinzu. »Sie müssen in Ihrem Wagen bis zum Tag schlafen. Das Werkzeug will ich Ihnen dann gern zur Verfügung stellen.«

Jim Buffalo machte ein verwundertes Gesicht.

»Sie scheinen Angst vor mir zu haben«, erwiderte er. »Beleuchten Sie mein Gesicht. Und wenn Sie Menschenkenner sind, dann werden sie sich sagen müssen, dass ich nichts Böses wider Sie im Schilde führe.«

Und wirklich blitzte eine elektrische Lampe im Inneren des Hauses auf und der Strahl erhellte einen Moment das Gesicht Jim Buffalos.

Aber er selbst konnte nun auch den Mann sehen, der ihm den Einlass in das Haus verweigerte. Er war alt, hatte einen langen, weißen Bart und einen schwermütigen Blick.

Es wurde sofort wieder dunkel.

»Verstehen Sie mich nicht falsch, Sir«, sagte der Alte bittend. »Ich habe gewiss ein Herz für alle, die kein Unterkommen haben, aber es geschieht zu Ihrer eigenen Sicherheit, wenn ich Sie nicht einlasse, denn hier im Haus herrscht eine ansteckende Krankheit. Speise und Trank will ich Ihnen gern geben, wenn Sie hungrig und durstig sind.«

Jim Buffalo schüttelte den Kopf.

Er schien das alles nicht zu begreifen. Das ganze Haus kam ihm recht geheimnisvoll vor. Außerdem vernahm er vom oberen Stockwerk her die Stimme einer betenden Frauensperson: »Und vergiss uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben …«

»Ich fürchte mich nicht vor ansteckenden Krankheiten, alter Mann«, sagte Jim Buffalo. »Ich bin gegen Ansteckung gefeit.«

»Sie sind gegen Ansteckung gefeit?« Es klang maßlos erstaunt. Doch dann warnte der alte Mann weiter. »Seien Sie nicht vermessen und dringen Sie nicht weiter in mich, denn ich würde sonst vielleicht meinen Widerstand zu Ihrem Schaden aufgeben.«

»Sie selbst wohnen doch ebenfalls in dem Haus und es schadet Ihnen nichts?«

»Ich bin ein alter Mann. Wenn mir etwas geschieht, dann habe ich nicht mehr allzu viel Leid auf dieser Welt zu tragen. Meine Laufbahn ist bald beendet.«

»Ich bitte Sie noch einmal, lieber Herr, lassen Sie mich ein«, drängte Jim Buffalo.

Der alte Mann schien zu zögern.

»Und wenn Sie doch krank werden? Wenn Sie – nein, ich kann und darf Sie nicht einlassen«, brach er erregt ab.

»Sie werden es doch tun«, sagte Jim Buffalo zwingend. »Sie müssen es tun, denn ich bin hierher bestellt.«

»Von wem?«, klang es erstaunt zurück.

»Davon reden wir später. Ich werde Sie aufklären. Jetzt öffnen Sie bitte.«

»Die Verantwortung falle auf Sie«, gab der Alte achselzuckend zurück. »Ich habe Sie gewarnt.«

Jim Buffalo trat in das wunderbare eingerichtete Vestibül des Hauses. Kostbare Gefäße mit Blumen, die einen berauschenden Duft verbreiteten, standen umher. Breite dicke Läufer dämpften den Schall der Schritte. Eine große Treppe führte nach oben. Merkwürdigerweise war mitten auf dieser Treppe ein starkes Eisengitter angebracht.

»Wollen Sie Ihren Wagen nicht in den Hof bringen?«, fragte der Alte, der sichtlich ein im Dienst ergrauter Diener des Hauses war.

»Ja, das werde ich tun.«

»Gedulden Sie sich einen Augenblick, ich werde den Schlüssel zur Pforte holen.«

Jim Buffalo aber trat noch einmal ins Dunkel des Gartens zurück. Er sprang über das Gitter und als der Alte mit der Laterne und den Schlüsseln zurückkehrte, da prallte er erschrocken zurück, denn dicht bei der Haustür sah er einen seltsam gebauten Wagen stehen. Es war die Zeitmaschine. Wie war sie in den Garten gelangt?

Der Alte ging zur Pforte. Sie war verschlossen. Er hatte plötzlich ein heimliches Grauen vor dem nächtlichen Besucher. Wortlos ging er ins Haus. Jim Buffalo folgte ihm und einige Minuten später saßen sie sich in einem Zimmer zu ebener Erde gegenüber.

Der Alte hatte ein Glas Wein und einen Imbiss vor Jim Buffalo hingestellt. Er sah schweigend zu, wie jener aß und trank.

»Wo ist Ihr Herr?«, fragte Jim Buffalo, nachdem er sich gesättigt hatte.

Der Alte zeigte nach oben.

»Warum befindet sich in der Mitte der Treppe die eiserne Tür?«, fragte Jim Buffalo weiter.

Der Alte zögerte mit der Antwort. Dann erwiderte er stockend: »Darüber muss ich die Antwort verweigern.«

Jim Buffalo schwieg. Er dachte nach.

»Wer ist die junge Dame im Haus?«, fragte er weiter.

»Ah, Sie kennen Miss Mortimer?«, fragte der Alte überrascht.

»Ja und nein«, lautete im Buffalos Antwort.

»Wie soll ich das verstehen?« Der Alte machte ein unglückliches Gesicht.

»Hier scheint das Leid umzugehen«, sprach Jim Buffalo. »Wollen Sie sich nicht mir anvertrauen? Ich möchte Ihnen helfen, wenn ich es kann.«

»Uns kann niemand helfen«, klang es tonlos zurück.

»Vielleicht doch, alter Mann?«

»Wer sind Sie, fragte der Alte kopfschüttelnd.

»Man nennt mich Jim Buffalo.

Der alte Mann stand auf. Er machte ein überraschtes Gesicht.

»Der sind Sie? Dass ich nicht daran gedacht habe. So ist das geheimnisvolle Fahrzeug draußen die Zeitmaschine?«

»Well, Sie haben es erraten.«

»Ich habe nun Vertrauen zu Ihnen und will Ihnen das Unglück dieses Hauses mitteilen.«