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Die Gespenster – Dritter Teil – 51. Erzählung

Die Gespenster
Kurze Erzählungen aus dem Reich der Wahrheit von Samuel Christoph Wagener
Allen guten Schwärmern, welchen es mit dem Bekämpfen und Ablegen beunruhigender Vorurteile in Absicht des Geisterwesens ernst ist, liebevoll gewidmet von dem Erzähler Friedrich Maurer aus dem Jahr 1798
Dritter Teil

Einundfünfzigste Erzählung

Ein Magiker beweist Kindern des Lichts, dass nicht alle Geisterzitationen bloße Maschinerien sind

In einer Residenz, die man in mancher Hinsicht einen Wohnsitz des Lichts nennen könnte, und in welcher alle Swedenborge und Schröpfer und Cagliostros und Pinettis ihr Grab finden würden – zu Berlin – wagte es im Jahre 1789 ein Reisender – Herr Philidor, ein Brabanter und Neffe des berühmten Schachspielers dieses Namens – Kindern des Lichts anschaulich beweisen zu wollen, dass nicht alle Geistererscheinungen aus der Mannigfaltigkeit des Betruges oder dem Mechanismus der Taschenspielerkünste zu erklären sein möchten.

Am Ende forderte der angebliche Physiker die Berliner am 8. März 1789 auf, es möchten vierzehn Herren nach einer vierzehntägigen Vorbereitung gegen Erlegung ebenso vieler Friedrichsd’or in seinem Zaubertempel Zeuge sein, wie ein echter Magiker allerdings der Geisterwelt zu gebieten habe. Es fanden sich bald die vierzehn Herren, deren jeder seinen Friedrichsd’or für einen solchen Preis mit Vergnügen opferte. Indessen ließen sie sich zuvor das Versprechen geben, ohne Nachteil der Gesundheit und mit ungeschwächten Sinnen dem Versuch beiwohnen zu können.

Vor dem Eintritt in das magische Zimmer mussten die Herren ihre Hüte, Mäntel und Stöcke ablegen; darauf wurden sie im 2. Stockwerk in ein länglich-viereckiges Zimmer mit geweißten Mauern und mit zwei Fenstern und einer Tür und in demselben auf einen mit Latten abgesonderten engen Platz geführt, auf welchem an beiden Ecken eine metallene Hand hervorstand. Nahe an der Tür, bei dem einen Ende des abgesonderten Platzes, stand ein Gehilfe des Künstlers. Im Zimmer war sonst nichts, als innerhalb einer auf dem Fußboden mit Kreide gezogenen Ellipse, ein zusammengeschlagenes, schwarzes Tuch, eine brennende Lampe und ein Rauchfass befindlich. Übrigens hielt der Zauberer am Anfang noch ein brennendes Wachslicht in der Hand. Seine Kleidung war ohne irgendeine Auszeichnung schwarz. Er fragte seine Gesellschaft im pathetischen Ton, ob sie fest entschlossen wären, Geister zu sehen und am Ende sich den Gesetzen unterwerfen wollten, welche er ihnen vorschreiben müsse. Beides wurde mit einer wenig Ernst versprechenden Spötterei bejaht. Er erinnerte sie nunmehr, dass er nicht, so wie Schröpfer, eine vierzehntägige Vorbereitung in der Diät zur Einweihung in diese Mysterien vorgeschrieben habe; dass er auch des sonst gewöhnlichen Hilfsmittels nicht bedürfe, zufolge dessen man sonst nur zwei oder drei Personen zuzulassen und solche den ganzen Tag über in demselben Zimmer einzusperren pflege, wogegen er seine Zuschauer nicht einmal kenne. Nur verlange er, dass niemand sich von der Stelle bewege, niemand etwas anfasse, keiner während der Operation spreche, noch weniger einem anderen seine Gedanken über das Gesehene mitteile. Sobald eines von diesen Gesetzen übertreten werde, stehe er nicht mehr für die überaus große Gefahr, welcher sie sämtlich dadurch ausgesetzt sein würden.

Ohne seinen Zuschauern die künftige Verschwiegenheit zu empfehlen, welche für ihn nützlicher als alle übrigen Vorschriften gewesen wäre, legte er nun das schwarze Tuch, wie zu der Feierlichkeit wesentlich nötig, auseinander und bedeckte damit den Fußboden längs der Zauberwand. Licht und Lampe wurden nun gelöscht und in der völligen Dunkelheit, da es acht Uhr abends war, und der Künstler auch die dichten Fenstervorhänge weislich niedergelassen hatte, benutzte er noch dazu das Rauchfass auf eine für die Augen seiner Zuschauer sehr empfindliche Art. Mit väterlicher Sorgfalt erinnerte er sie nochmals in jeder Pause an die große Gefahr, in welcher sie sich befänden, empfahl ihnen, sich die Hände zu geben, um nicht zu fallen, und den beiden, welche an den Ecken standen, die metallene Hand anzufassen, welche er in der Dunkelheit für eine abgestorbene Hand ausgab.

Erst danach ist bemerkt worden, dass dabei ein Eisendraht auf dem Fußboden herabgehangen habe, zu dessen besserer Leitung der in dieser Gegend stehende Gehilfe des Künstlers dienen konnte. Die hierbei von einem erfahrenen Zuschauer mit Nachdruck gegebene Versicherung, dass durch die etwaige Anwendung eines zu empfindlichen elektrischen Schlages der Zauberer sich einer unangenehmen Erwiderung aussetzen würde, verstimmte zuerst den feierlichen mysteriösen Ernst, bei welchem allein eine Täuschung gedeihen kann. Sie schien indessen den Zeugen das stille, in sich gekehrte Wesen sehr natürlich beizubringen, welches er, als Schröpfens Schüler, billig im Anfang schon hätte annehmen sollen. Auch wurde den Zuschauern, durch ihre häufigen witzigen Bemerkungen, nun manche Grimasse entzogen, durch welche sonst der trotz aller Entwaffnungsvorsicht furchtsam gewordene Künstler die Farce vielleicht noch lächerlicher gemacht haben würde. Die unterlassene Anwendung der Elektrizität mag dabei wohl der geringste Verlust gewesen sein. Aber vielleicht hätte der Magus sodann noch das Beschwörungsbuch und andere Amulette, auch Blitz, Wind, Sturm, Regen, Hagel, Knall, drohende Bewegung und Sprache der Bilder und einige der übrigen Kunstgriffe, welche Akustik, Optik und magnetische Kraft darbieten, um Schrecken und Erwartungen zu erregen, zu Hilfe genommen.

Und dann, könnte man sagen, wäre eine eigenmächtige genaue Untersuchung des Mechanismus eine zweckmäßige Bestrafung des Betruges und für andere die sicherste Verwahrung gegen Leichtgläubigkeit gewesen. Nun hingegen war das Lachen des Witzes und Spottes doch ein treffliches Mittel gegen die sonst leicht mögliche Wirkung der nur zu bald in Aufruhr gebrachten Einbildungskraft und zugleich ein deutlicher Beweis der Unbefangenheit und Kaltblütigkeit der Zuschauer.

Die Beschwörung nahm nun mit gebieterischer, aber dumpfer und unverständlicher Stimme, nach einigem Hin- und Herschreiten im Kreis mit dem Zauberstab, den Anfang. Es waren fast dieselben heiligen Worte, denen auch Cagliostro nach dem Zeugnis der Frau von der Recke übernatürliche Kräfte beimisst; mit Jehova, dem Namen des beschworenen Geistes, und einigen französischen Formeln vermischt. Über dem Zimmer ertönte ein Donner, den man jedoch natürlicher in Schauspielhäusern zu hören pflegt; und das Lämpchen warf einige Funken von sich. Nach einigem Hin- und Herbewegen des Rauchfasses, und nach einigen in Ekstase auf die Zuschauer geworfenen Blicken, erschien auf ein lautes Esprit, parois! an der von den Zuschauern etwa zwölf Fuß entfernten weißen Wand, der Geist Voltaires in weißem langem Gewand, mit rundem Haar, fast in natürlicher Größe und etwa einen Fuß über den Boden schwebend. Wie gewöhnlich beurteilten die Zuschauer die Entstehung des Phantoms nicht auf gleiche Weise: Einigen schien es sich aus einem kleinen hellen, sich allmählich erweiternden Punkt zu bilden; andere glaubten, die ganze Figur mit einmal, und nur nach und nach erhellt, erblickt zu haben. Das Letzte entspricht den Mutmaßungen wegen des Mechanismus am besten.

Der Zauberer fragte, seines Verbotes vom Schweigen selbst uneingedenk, die Gesellschaft, ob sie den Geist erkannten und wie man, unter mehreren nichts weniger als schüchternen Beurteilungen, die fast nicht erkennbaren Gesichtszüge deutlicher zu sehen wünschte, entschuldigte er sich damit, dass er sich nicht anheischig gemacht habe, Körper zu zeigen.

Das Phantom schien sich im Profil etwas rechts zu bewegen und würde ohne den dicken Rauch wie ein Schattenspiel ohne Farben oder wie eine vergrößerte, jedoch weiße ombre chinoise geschienen haben. Es verschwand, nachdem der mitleidige Zauberer durch klägliche Beschwörungen und fast epileptische Verdrehungen von den Zuschauern die Bestrafung ihres ärgerlichen Unglaubens abgewandt hatte. Einige glaubten, es bei einer allmählichen Verkleinerung sich zurückziehen, andere nach einer nach und nach bewirkten Verdunklung gleichsam auslöschen gesehen zu haben.

Ganz unabsichtlich brachte der Geisterbanner nun zur zweiten Erscheinung Friedrich den Großen in Vorschlag, welcher denn auch allgemein genehmigt wurde. Hierauf, unter denselben Gaukeleien, mit einem Federhut, in Uniform (so viel man aus der verblichenen bläulichen Farbe des Kleides urteilen konnte), und noch dazu mit völlig zugewandtem Gesicht zu erscheinen sich herabließ, aber in der ätherischen Luft etwas kleiner geworden war.

Darauf verschaffte Herr Philidor seiner Gesellschaft zufolge einer vorherigen Abrede die Bekanntschaft des Vaters eines in der Gesellschaft befindlichen Engländers, wozu er sich sehr wohl hatte vorbereiten können. Der Geist war, nach dem Schnitt des Kleides zu urteilen, in englischer Offiziersuniform, nicht völlig in Lebensgröße und mit sehr irdischen Fehlern im Bau und in der Proportion des Körpers begabt. Da der Künstler so wenig die Person dieses Verstorbenen gesehen, als dessen Bildnis vor den Oeuvres de Voltaire oder den Oeuvres posthumes de Frédéric II. gefunden hatte, so waren die Gesichtszüge völlig unkenntlich. Auch verriet es wenig Feinheit der Kunst, dass er nicht einmal den Vornamen des Verstorbenen vorher erforscht hatte, daher man beim Aufrufen des Familiennamens die Erscheinung des ganzen Geschlechts oder aller Namensverwandten erwarten konnte.

Das Augenscheinliche der Täuschung und die unangenehme Wirkung des stets verdickten Rauches auf die Nerven hatten den Zuschauern die Lust zur Verlängerung der Posse genommen, zumal, da dieser echte Theurg sich bloß auf gute Geister einschränken zu müssen vorgab. Vergeblich wollte er ihnen noch den König Heinrich IV. aufdringen, welcher wahrscheinlich hinter der Zauberwand bereits den Aufruf erwartete. Man gönnte ihm aber gern diese Neuheit zu einer zweiten Vorstellung, welcher er sich auch ohne höhere Befehle vor leichtgläubigeren Jüngern nicht entzogen haben würde.

Was den Mechanismus betrifft, so ist solcher wohl nicht von den in Funks natürlicher Magie angeführten drei Arten gewesen. Wenn erstens zwischen die Wand und ein helles Licht ein Bild gesetzt worden wäre, so würde dies auf die Wand einen Schatten geworfen haben. Hier war aber die Erscheinung weiß und der übrige Teil der Wand dunkel. Zweitens: Bei einer Hinwerfung des Bildes in den Rauch mithilfe der Laterna Magica hätte es keiner Wand bedurft und das Auge der Zuschauer sich auch nicht selbst im Rauch befinden müssen. Drittens: Die Vorstellung von Bildern durch Hohlspiegel geschieht bekanntlich auch im Freien und erfordert überdies größere und kostbarere Werkzeuge, wie sie ein herumreisender Optiker zu haben pflegt.

Wahrscheinlich hat man hier daher das Bild aus der Laterna Magica auf die Wand fallen lassen, welche wohl aus Pergament oder aus einem in Öl getränkten starken Papiere bestand. Man fand nachher große Schnitzel von schwarzgefärbtem Papier, woraus vermutlich die Hauptfiguren geschnitten waren. Das schwarze Tuch hat zu besserer Zurückwerfung der Lichtstrahlen gedient. Zur Anbringung des optischen Werkzeuges war, wie man nachher herausgefunden hatte, eine Tür ausgehoben, welche in eine an das Zimmer stoßende Kammer führte, wo ein Licht war.

Bei einem bequemeren Lokal und bei genauerer Beobachtung des Rituals und Hinwegräumung all dessen, was Verdacht erweckte, würde die Täuschung erträglicher gewesen sein. Nun möchte man sie aber fast für den ersten Versuch halten, zu welchem sich der Künstler aus dem Kardan, Porta, Wiegleb und Funk die Materialien gesammelt haben mochte.