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Sagen und alte Geschichten der Mark Brandenburg 28

Die Gründung von Charlottenburg und das alte Lietzow

Lietzow war ein altes wendisches oder katholisches Dorf. Als Friedrich I. das Schloss bauen und den Ort zu einer Stadt erheben wollte, kam er einst beim Schulzen Wolf, der gegen­über der Kirche wohnte, vorgeritten und ließ ihn sich heraus­rufen.

»Ich will Lietzow zu einer Stadt erheben«, sagte er, »und eine Pfälzerkolonie hier ansiedeln, ordentliche Leute. Den Lietzensee und die Steinberge – das Land nach der Wallstraße und der jetzigen Gohsebrauerei hin – das könnt ihr doch nicht gebrauchen, das müsst ihr hergeben; dafür werdet ihr aber auch Bürger. Von dem Land will ich 80 Stellen zu je 10 Morgen machen.«

Damit war die Sache abgemacht, der alte Schulze Wolf hatte es oft erzählt, dass er es so von seinem Großvater gehört habe.

Die Lietzower hatten überhaupt früher viel Land, aber sie konnten nichts Rechtes damit anfangen. Sie lebten hauptsächlich von Grütze, Erbsen und Fischen. Leinenwand fabrizierten sie sich selbst, und höchstens, dass sie eine Fuhre Steine oder Holz nach Berlin fuhren, wo sie dieselben für 4 Groschen ver­kauften. Ursprünglich bestand nämlich Lietzow nur aus 6 Bauer- und 8 Kossätengütern, das Bauerngut zwischen 180 – 200 Morgen etwa. (Neulich ist ein solches für ein paarmal hunderttausend Taler ausgeschlachtet worden.) Bis zu den Zelten erstreckte sich ihr Land. Zwischen den­selben und dem Kroll’schen Etablissement und der Chaussee, da lagen ihre Flachsfelder und da, wo nun der Kanal ist, das waren ihre Hegegärten. An der Heydt’schen Brücke war nach Süden die Grenze, Albrechtshof war Kirchenacker und wurde erst 1799 für 200 Taler und 2 Scheffel Roggen verkauft, die dann mit 120 Taler abgelöst wur­den. Nun hatte der Besitzer auch einige hunderttausend Taler dafür bekommen.

Die Potsdamer Eisenbahn hat auch Lietzowschen Kirchenacker erworben und gab noch 4 Taler Kanon, ja auch die Böhmische und die Dreifaltigkeit-Kirche in Berlin steht auf Lietzowschem Acker, und es ist erst kürzlich das Verhältnis vollständig gelöst worden. Auch nach Schöneberg hinüber war alles Haide, die ließ Friedrich I. herausschlagen, »denn«, sagte er, »ich muss Luft haben, das Holz könnt ihr bekommen.«

Und so geschah es. Der ganze Tiergarten war früher eine große Wildnis, dass selbst Königin Charlotte, als sie das Schloss baute, einmal dort von einigen Kerlen angefallen wurde.

Der Lietzower Kirchhof war eine große Dornhecke. Wenn einmal einer begraben werden sollte, mussten erst immer die Dornen weggehauen werden. Zäune kannte man damals nicht in Lietzow, nur der Kirchhof hatte einen Zaun. Da aber die Unterhaltung desselben den einzelnen Lietzowern oblag und diese ihrer Pflicht in sehr verschiedener Art und Weise nachkamen, bot der Kirchhofzaun einen sehr bunten Anblick. Vor jedem Haus lag ein großer Baumstamm, der diente als Bank, aber auch um den Flachs darauf zu brechen. Wenn die Lietzower noch heute all das Land hätten, wären sie halbe Millionäre. Von den Steinbergen sind die meisten Steine nach Berlin zum Aufbau der Friedrichsstadt gekommen.