Sagen der mittleren Werra 55
Vom Burgberg bei Brotterode
Dicht über dem unteren Teil von Brotterode, wo heute das Badehaus steht, erhebt sich der Burgberg, der besonders an seiner Südseite steile Felsenhänge hat. Auf dem Berg stand die Brunosburg, von der heute kaum noch einige Spuren sichtbar sind. Sie soll von einem Grafen Namens Bruno erbaut worden sein.
1. Auf der Brunosburg herrschte einmal eine sehr stolze und heftige Gräfin, der es ihr Gesinde nicht leicht recht machen konnte. So hatte sie eine Magd, welcher bloß das Amt oblag, der schönen Herrin das üppige goldene Haar zu strählen. Dieser war von einer gütigen Fee die Erfüllung dreier Wünsche zugesagt worden.
Nun geschah es einmal, dass sie die Gräfin strahlte und es dabei nicht ohne einiges Zausen abging. Da wurde diese zornig und gab der Dienerin viele harte und böse Worte.
Darüber vergaß sich das Mädchen und hob zu wünschen an: »Ich wollte, dass gleich das ganze Schloss mit allem, was darinnen, zwanzig Klafter tief in den Erdboden versinke!« Und kaum war ihr das letzte Wort über die Zunge, so saßen sie auch schon mit Mann und Maus drunten in der dunkeln Tiefe des Schlossberges.
Da aber wurden ihnen sehr bald Zeit und Weile lang, und weil der Magd nur noch der dritte und letzte Wunsch übrig war, denn den ersten hatte sie ebenso unüberlegt schon früher getan, so wünschte sie, dass sie doch nur von Zeit zu Zeit einmal an das Sonnenlicht dürfe, um zu sehen, wie es droben herging.
Von jener Zeit an lässt sie sich alle sieben Jahre auf dem Burgberg sehen, und manche wollen dann auch die Gräfin in ihrer Begleitung bemerkt haben.
2. Auch hat sich sonst, so erzählen sie zu Brotterode, auf dem Burgberge eine andere Jungfer mit aufgelöstem Flachshaar alle sieben Jahre sehen lassen. Noch wird die Stelle gezeigt, wo sie aus dem Felsen heraustrat. In diesem lag ein großer Schatz, den sie bis zu ihrer Erlösung bewachen musste. Die Jungfer stieg dann bis nahe zum Ort herab, der damals noch nicht über den alten Teich hinaus gebaut war. Sie trug einen roten Gürtel um ihr weißes Gewand und wurde von einem weißen Hündchen, an dessen Halsbändchen eine Schelle hing, begleitet. Manche, die ihr zufällig ausstießen, hörten dann leise die Worte: »Ein Knäblein von sieben Jahren mit schneeweißen Haaren, das kann mich erretten!«
Vor Zeiten ging auch einmal einer von Brotterode am Johannistag auf den Burgberg, da sah er auf seinem Weg an den Bäumen und Hecken überall glitzerndes Silber, Gold und Edelgestein, das wie Eiszapfen von den Ästen herabhing. Er war aber zu sehr erschrocken, als dass er zugegriffen hätte, sonst wäre er der reichste Mann in Brotterode geworden.