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Nick Carter – Band 12- Eine gestörte Hochzeit – Kapitel 6

Nick Carter
Amerikas größter Detektiv
Eine gestörte Hochzeit
Ein Detektivroman

Chicks Abenteuer in einem Cab

Die drei Detektive hatten die Tür schon erreicht, als Merton sagte: »Ich werde Sie hier verlassen müssen. Meine Tätigkeit hält mich hier fest.«

Chick und Patsy schüttelten ihm die Hand und dankten ihm für seinen wertvollen Beistand. Während sie noch an der Tür zusammen sprachen, kam ein junger Mann mit einer Dame in das Lokal hinein.

In einiger Entfernung blieben sie plötzlich stehen, drehten sich hastig um und gingen wieder zurück.

Dies hatte Patsy bemerkt, und es wurde ihm klar, dass das Paar jemanden drinnen gesehen hatte, dem sie auszuweichen wünschten.

Er sah sie an der Ecke in eine angelegentliche Unterhaltung vertieft, in welcher der Mann dem Mädchen etwas zu befehlen schien, dem sie sich hartnäckig widersetzte. Dann bemerkte er, wie sie an der Straßenecke ihren Hut abnahm. Als sie wieder in das Licht trat, sah Patsy zu seinem größten Erstaunen, dass ihre Haare jetzt eine dunkle Farbe hatten, während sie vorher blond gewesen waren.

»Sie trägt eine Perücke«, sagte Patsy zu sich selbst. »Ich möchte wissen, warum sie das tut.«

Die zwei standen noch eine kurze Zeit an der Ecke, und es schien, als ob die Dame etwas zurückweise, was ihr der Mann auftrug. Dann aber riefen sie einen Cab und fuhren davon.

Patsy kehrte zu Chick und Merton zurück, welche noch zusammen gesprochen hatten, während er seine Beobachtung gemacht hatte.

Chick nahm Patsys Arm und ging mit ihm den Broadway hinunter, während er sagte: »Wir haben heute Nacht viel Wichtiges entdeckt.«

»Meinst du«, fragte Patsy, »dass der junge Engländer, von dem Alice sprach, Ellison gewesen ist?«

»Darüber habe ich auch schon nachgedacht«, erwiderte Chick. »Wenn es so ist, ist es für uns eine wichtige Entdeckung.«

»Wir müssen ausfindig machen, ob Ellison im letzten September eine Nachtfahrt unternommen hat – und«, fügte Patsy hinzu, »ob er viel nach Philadelphia gereist ist.«

»Das ist richtig«, stimmte Chick zu. »Ich denke nicht, dass wir Nutzen davon haben, wenn wir Lannigan und die Dame von heute Nacht noch weiter verfolgen.«

»Ich bin anderer Meinung«, sagte Patsy. »Wir könnten doch zufällig noch auf Lannigans Komplizen stoßen.«

»Gut«, meinte Chick, »da werden wir zurückgehen und warten, bis die beiden das Lokal verlassen.«

Sie gingen schnell zurück, bis sie die Ecke erreichten, wo Patsy seine Beobachtungen gemacht hatte.

Hier wurden sie plötzlich von einer weiblichen Stimme angerufen und bemerkten, dass eine Dame aus dem Fenster eines Cabs ihnen lebhaft zuwinkte. Obwohl sie sich im Schatten befand, war Patsy der Meinung, es sei die Dame, welche er beobachtet hatte, als sie die Perücke absetzte.

Die beiden Detektive traten an den Wagen heran, und die Dame wandte sich zu Chick mit den Worten: »Ich möchte Sie einen Augenblick allein sprechen.«

Patsy ging zur Seite, und Chick trat näher heran.

»Ich kenne Sie«, sagte die Dame.

»Aber ich weiß nicht, wer Sie sind«, antwortete Chick.

»Das ist auch nicht nötig, und ich wünsche es auch nicht einmal.«

»Was wünschen Sie von mir?«, gab Chick kurz zurück.

»Ich weiß, Sie sind ein Gehilfe Nick Carters, heißen Chick Carter und suchen Herrn Ellison, welcher so plötzlich aus dem Sanbornschen Haus verschwand. Wollen Sie nicht in den Wagen hereinkommen? Wir können dann besser miteinander sprechen«, fuhr sie fort, als der Angeredete sie erstaunt anblickte.

Chick gab Patsy ein Zeichen, ihm, wenn möglich, zu folgen, und rief laut: »Gute Nacht, alter Junge, morgen sehen wir uns wieder.«

Er stieg in den Wagen und nahm Platz. Patsy ging die Straße hinauf, nahm einen anderen Cab und fuhr hinterher.

Inzwischen sagte die Dame zu Chick: »Befehlen Sie dem Kutscher fortzufahren, wohin ist gleich, nur irgendwohin, wo wir nicht bemerkt werden können.«

Der Detektiv gab dem Kutscher die nötigen Weisungen. Nachdem er dies getan hatte, fragte er die Dame, was sie ihm zu sagen habe.

»Ich wollte Sie fragen, ob Sie schon Genaueres über Herrn Ellison wissen.«

»Nein«, antwortete Chick lebhaft, »wir haben unsere Untersuchung kaum erst begonnen.«

»Wissen Sie, warum er so plötzlich verschwand?«, fragte die Unbekannte.

»Nein«, entgegnete Chick. »Wenn wir das wüssten, hätten wir ihn schon gefunden.«

»Das wird Ihnen auch große Schwierigkeiten machen. Sie versuchen Aufklärung zu finden, indem Sie die Ladew verfolgen. Ich denke nicht, dass es Ihnen Nutzen bringen wird, denn Ellison ist mit ihr seit geraumer Zeit zerfallen.«

»Dann kannte er sie also und stand in Verkehr mit ihr?«, gab Chick zurück.

»Von seiner Seite aus war es nur eine törichte Liebelei«, äußerte die Dame in bitterem Ton.

Sie hielt einen Moment inne und fuhr fort: »Diese Frau ist eine schamlose Person, und sie lief ihm auf Schritt und Tritt nach, sodass er nicht von ihr loskommen konnte. Er war gezwungen, mit ihr zu brechen, als seine Verlobung mit Miss Sanborn bekannt wurde.«

Chick war heimlich entschlossen, auf alle Fälle zu ermitteln, ob die Unbekannte Briefe an Nick geschrieben hatte. Er wusste, dass sie zu ihm gesagt hatte, er würde ihren Namen nicht erfahren, aber er war entschlossen, durch List sein Ziel zu erreichen.

»Wem wollten Sie schaden, als Sie Nick Carter die beiden Briefe heute früh schrieben?«, fragte er brüsk.

Erschrocken wandte sich die Dame um. »Was meinen Sie? Welche Briefe?«

»Die Briefe, welche Nick Carter von dem geplanten Raub in Kenntnis setzten und ihn benachrichtigten, dass eine Frau der Grund zu Ellisons Verschwinden sein müsse.«

»Woher wollen Sie wissen, dass ich die Briefe schrieb?«, stieß die Unbekannte hervor.

»Ich weiß es nicht«, antwortete Chick, »jedoch weiß ich, dass sich Nick klar ist über den Schreiber des Briefes.«

»Kennt er mich?«

»Nick kennt jeden«, antwortete Chick geheimnisvoll. »Er ruhte nicht eher, nachdem er die Briefe erhalten hatte, als bis er wusste, wer sie geschrieben hatte.«

»Und er fand es heraus?«

»Natürlich.«

»Und ich war es?«, fragte sie höhnisch.

Chick merkte, dass er sich doch verrechnet hatte.

Plötzlich stieß die Dame hervor: »Wenn Sie das alles so gut wüssten, würden Sie mich auch kennen, und das ist nicht der Fall.«

Hierauf konnte Chick nichts erwidern, und es war ihm klar, dass die Dame ihre Selbstbeherrschung wieder gewonnen hatte und dass er sie nicht noch einmal überlisten konnte.

So änderte er seine Taktik und fragte weiter: »Welches Interesse haben Sie an der Sache?«

»Würde eine so geheimnisvolle Geschichte nicht jeden interessieren?«, gab sie zur Antwort, seiner Frage ausweichend.

»Woher kennen Sie mich eigentlich?«, fragte Chick, ein anderes Thema anschlagend.

»Sind Sie nicht eine berühmte Persönlichkeit, und kennt nicht jedermann Chick Carter, den intelligenten Kollegen Nick Carters?«

»Nein«, antwortete er, »ich bin nicht so bekannt in Ihren Kreisen, dass Sie mich daher kennen.«

»Was meinen Sie damit?«, gab die Unbekannte lebhaft zurück.

»Ich meine, dass Sie mich heute das erste Mal sahen, und zwar bei Sanborn, wo Sie als Gast anwesend waren.«

»Sahen Sie mich dort?«, fragte sie betreten, und Chick wusste, dass er diesmal richtig kalkuliert hatte.

»Nicht, dass ich wüsste«, versetzte Chick. »Es ist schlimm, dass ich eine solch reizende Dame nicht bemerkt habe.«

»So etwas will ich nicht hören«, sagte sie scharf, und nachdem sie einen Moment gewartet hatte, fuhr sie fort: »Ja, ich war dort, und zwar war ich eine von den wenigen, die um Ellisons Flucht wussten.«

Während Chick darüber nachdachte, ob jene sich vielleicht unter den Brautjungfern befunden hätte, fragte sie plötzlich: »Wissen Sie, in welcher Weise Ellison das Haus verließ?«

Chick überlegte, dass es gut sei, diese Frage direkt zu beantworten, und entgegnete: »Wir denken, dass er, verhüllt durch ein großes Cape, welches ein anderer Mann getragen und ihm gebracht hatte, das Haus unerkannt verließ, und dass Ellison eine Perücke und einen falschen Bart benutzt hat, um diesem anderen Mann zu gleichen.«

»Wer war der Mann?«

»Das wissen wir nicht.«

»Blieb er im Haus, nachdem Ellison gegangen war? Wurde er nicht gesehen?«

»Nein, er verließ das Haus durch ein Fenster, welches in den hinteren Garten hinausführt.«

»Wie sah er denn aus?«, fragte sie interessiert weiter.

»Es war ein Mann mit einem schwarzen Spitzbart«, gab Chick zur Auskunft, »dunklen Augen, dichten, schwarzen Augenbrauen und langen, schwarzen Haaren.«

Die Dame hatte in Gedanken versunken dagesessen, und Chick unterbrach ihren Gedankengang. »Stand dieser Mann in irgendwelcher Verbindung mit dem Diebstahl?«

»Das denke ich nicht«, war die freimütige Antwort. »Das gehört zu einer gänzlich verschiedenen Sache.«

»So meinen Sie nicht, dass der geplante Raub mit Ellisons Flucht zusammenhängt?«

»Nein«, sagte sie. »Der geplante Diebstahl war eine Folge davon, dass Ellison gewisse Leute kannte.«

Sie hielt plötzlich inne. Chick fest anblickend, sagte sie mit einem schelmischen Lächeln: »Sie haben mich überlistet. Ich will Ihnen gestehen, dass ich die beiden Briefe geschrieben habe. Ich erfuhr zufällig von dem Plan, die Brautgeschenke zu rauben, und versuchte, ihn zu verhindern, indem ich Mr. Carter benachrichtigte.«

»Das ist Ihnen auch gelungen«, erklärte Chick trocken.

»Ich weiß sonst weiter nichts von jenen Leuten.«

»Würde Ihnen daran gelegen sein, Ellison zu finden?«, fragte Chick ganz unvermittelt.

»Ja, ich bin …« Sie hielt inne und sah Chick fest ins Auge, als sie weitersprach: »Ich weiß nichts mehr, was für Sie von Wichtigkeit sein könnte. Wenn ich noch mehr erfahren sollte, werde ich es Mr. Carter unverzüglich mitteilen. Nun gehen Sie und lassen mich weiterfahren.«

Im guten Glauben, dass er nichts mehr erreichen würde und dass Patsy nicht weit sein konnte, verabschiedete er sich von der schönen Unbekannten und stieg aus.

Der Cab mit dem geheimnisvollen Passagier fuhr schnell in der Richtung zu dem unteren Broadway davon.

Plötzlich sah Chick einen zweiten Wagen demjenigen der Dame folgen, und aus dem Fenster desselben winkte jemand mit der Hand.

Sofort vermutete Chick Patsy in dem Wagen. Nach der Ecke eilend, rief er einen vorüberfahrenden Cab und befahl dem Kutscher, dem anderen Wagen zu folgen, ihm gute Bezahlung versprechend.