Deutsche Märchen und Sagen 165
Johannes Wilhelm Wolf
Deutsche Märchen und Sagen
Leipzig, F. A. Brockhaus, 1845
216. Spuk am grünen Teich
Am grünen Teich an der Straße, die zu dem Saß van Gent führt, hörte man alle Nächte jemand seufzen und kärmen und die Vorübergehenden fragen: »Wo muss ich liegen? Wo muss ich liegen?«
Da kam einmal ein Trunkenbold vorbei, der hörte auch das Gerufe und antwortete lachend: »Ei, so leg dich auf des Teufels Nacken!«
Da brauste es plötzlich in der Luft und gleich darauf war es ganz still. Seit der Zeit hat man die Stimme nicht mehr gehört.
217. Der Grenzpfahl
Zwischen Lokeren und Zele wohnte ein Bauer, dessen Land von des Nachbars Land mit einem Pfahl geschieden war. Von Zeit zu Zeit verrückte der Bauer den Pfahl ein wenig und stahl also dem Nachbarn langsam ein großes Stück.
Der Bauer starb, aber er konnte keine Ruhe im Grab finden und man hörte ihn jede Nacht jämmerlich schreien: »Ohoho! Ich habe den Pfahl verrückt! Ohoho! Ich habe den Pfahl verrückt!«
Ein trunkener Zelener hörte das und rief: »Ach, Narr du, dann setze ihn wieder auf die alte Stelle!« Damit war der Geist erlöst und man hörte ihn fürder nicht mehr.