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Sagen und alte Geschichten der Mark Brandenburg 24

Die Müggelsberge und die Prinzessin vom Teufelssee

Im Osten von Köpenick bildet die Spree und die Dahme eine Insel, auf welcher sich der Höhenzug der Müggels­berge hinzieht. Dicht mit Wald bestanden, bieten sie von ihren freieren Spitzen aus eine prächtige Fernsicht. Nach Norden streckt sich in voller Breite der Müggelsee hin; an seinem Ostende, wo die Spree in denselben eintritt, ragt der Turm von Rahnsdorf hervor, und weiter hinüber zieht sich ein blauer Streifen von Wald am Horizont hin, und im Osten und Süden überall nichts als Wald, durch den nur hier und da der Wasserspiegel der Dahme hervorglitzert. Nur nach Westen hin erinnert es an die Kultur der Menschen und die Gegenwart, denn nicht weit davon liegt Köpenick mit seinem Schloss, und am fernen Horizont sieht man bei hellem Sonnenschein die Türme und Schorn­steine Berlins in voller Breite sich ausdehnen. Auf den Bergen und im Wald, da lebt aber noch die Vergangen­heit; ein gutes Stück märkischer Sage ist hier haften geblieben.

Zu Zeiten, heißt es, lässt sich auf den Müggelsbergen ein Getöse von Jagdhörnern und Gebell von Hunden hören; es ist die wilde Jagd, von der man überall in der Mark noch weiß, wo Wald ist, die über die Berge zieht. Besonders aber spricht man viel von der Prinzessin am Teufelsfee. Einige sagen zwar, sie ließe sich auf dem Schloss sehen; dort sehe man öfter des Mittags oder des Nachts im Mondschein ihren weißen Schleier oben von der Plattform, wo die Kegelbahn ist, herabwehen und höre oft auch deutlich ein Klappen, als ob jemand die Treppe mit ihren vielen Stufen hinabginge. Das ist aber nicht richtig oder ist etwas anderes, denn die Prinzessin hat ihr Wesen am Teufelsfee. Der liegt am Nordabhang eines der letzten Berge tief im Waldesdunkel. Wenn im Som­mer die weißen Wasserlilien darauf schwimmen und die Sonne durch die Bäume scheint, dann macht er sich ganz schön, sonst aber sieht er mit seinem dunklen, fast schwarzen Wasser, rings vom Moorgrund umgeben, inmitten der dunk­len Fichten ganz unheimlich aus. Die Leute sagen auch, er sei unergründlich; und so oft man es auch versucht hat mit den längsten Stangen und Ketten, man ist noch nie auf den Grund gekommen. Dort also soll das Schloss der Prinzessin versunken sein. Andere meinen, es sei in den Berg gesunken, und wo in der Nähe des Teufels­sees noch jetzt ein großer Stein liege, dort ginge es hinab; da sähe man sie auch oft des Abends als altes Mütterchen am Stab gebückt hervorkommen, ein Kästchen schieren Gol­des trage sie in der Hand, das solle der erhalten, der sie erlöse, denn wegen Untreue, behauptet man, sei sie von ihrem Bräutigam verwünscht worden. Besonders aber lässt sie sich am Teufelssee selbst sehen, da treibt sie entweder als ein Schwan auf dem Wasser oder sitzt als schöne Jungfer am Ufer und wäscht sich und kämmt ihre langen, blonden Haare, und namentlich kommt sie, heißt es, all­jährlich am Johannistag herauf, denn das ist der Tag, wo sie erlöst werden kann. So sah sie einmal ein kleines Mädchen aus Köpnick. Das hatte mit seiner Mutter Bee­ren im Wald gesucht, war aber von ihr abgekommen und irrte nun weinend am Teufelssee umher. Da hat es dann die Prinzessin mit sich hinunter genommen in ihr Schloss und reich beschenkt wieder entlassen.

Es hat ihm auch nichts geschadet, wie jenem anderen Kind, das sich auch am Teufelssee verirrt hatte, und zu dem der Wassermann als ein freundlicher, alter Mann gekommen war und es gespeist hatte. Das hat sich immer wieder nach dem See und dem Mann, der ihm so schönes Essen gebracht hat, zurückgesehnt und ist bald gestorben. Dem hatte es der Wassermann angetan.

Was nun aber die Prinzessin anbetrifft, so muss, wer sie erlösen will, diese in der bestimmten Nacht um 12 Uhr nach Köpenick hinein und dreimal um die große Kirche herum­tragen. Einmal hat es auch schon einer versucht, aber es ist ihm nicht geglückt. Es war ein Fischer aus dem Kietz von Köpenick, den soll die Prinzessin im Traum gerufen und ihm alles gesagt haben, was er tun müsse. Andere sagen, als er seine Netze am hellen Mittag einmal ausgeworfen hatte, da sei ein mit vier Pferden bespannter Wagen, auf dem eine große weiße Gestalt gesessen, von den Müggelsbergen heruntergekommen; die Pferde hätten aber keine Köpfe gehabt. Das sei die Prinzessin gewesen, und da habe sie ihm alles angegeben. Vor allem habe sie ihm aber gesagt, er solle sich ja nicht umsehen und kühn zugehen, es komme, was da wolle, dann werde ihm auch nichts geschehen. Zur bestimmten Zeit stellte er sich auch ein, und zuerst ging alles ganz gut. Schlangen und anderes Ungetüm kamen ihm in den Weg, er trat auf sie, als wäre es nichts, und schritt weiter. Allerhand Blendwerk kam ihm entgegen, ein großer Wagen mit Mäusen bespannt und andere Ungeheuerlichkeiten, es rührte ihn nicht. Doch immer schwerer wurde die Prinzessin, so federleicht sie zuerst gewesen; schon war er glücklich nach Köpenick hineingekommen und hatte den Gang um die Kirche angetreten. Es kümmerte ihn nicht, dass die wilde Jagd ihm entgegenkam. Wirre Gestalten, die Köpfe unter dem Arm, mit feurigen Augen; da – bald war er am Ziel, – leuchtete es hinter ihm, als wenn ganz Köpenick in Flammen stände. Erschrocken saht er sich um, da entglitt ihm die Prinzessin, alles war verschwunden, er hörte nur noch ihr Wimmern, mit dem sie wieder versank, und zugleich traf ihn ein Schlag, der ihn niederwarf, dass man ihn besinnungslos dort fand, und er nur noch wenige Tage lebte. Das war schon lange her, und seitdem hat es keiner wieder versucht. Überhaupt hat die Prinzessin sich immer seltener sehen lassen, aber richtig ist es doch nicht am Teufelsfee, und passieren tut doch gelegentlich immer noch etwas dort. Es ist noch nicht lange her, da war ein­mal ein Mann aus Köpenick am Johannisabend nach Müg­gelsheim – der Pfälzer Kolonie, welche jenseits der Berge liegt, gefahren, sodass es finster war, als er zurückfuhr. Wie er nun an den Teufelssee kam, stutzten seine Pferde plötzlich und wollten nicht weiter, sodass ihm ganz unheim­lich zumute wurde und er sie nun mit aller Gewalt antrieb. Da bäumten sie sich hoch auf und liefen im ge­streckten Lauf davon. Ob die Prinzessin dagewesen war, wusste er nicht genau anzugeben, aber in den Fichten ließ sich ein wunderbares Getöse hören, und allerhand seltsame Gestalten flogen zwischen den Bäumen dahin, sodass er Gott dankte, als er endlich glücklich nach Hause kam. Von solchen Prinzessinnen oder weißen Frauen, die sich sehen lassen, erzählt man auch sonst noch viel in der Mark an den verschiedensten Stellen; das stammt noch aus der alten Heidenzeit her, wo unsere Vorfahren an derartigen Spuk glaubten und viele solche Erzählungen hatten.