Die wundersamen Märlein vom Berggeist Rübezahl – 7. Kapitel
Heinrich Döring
Die wundersamen Märlein vom Berggeist Rübezahl
Verlag C. F. Schmidt, Leipzig, ca. 1840
Siebentes Kapitel
Wie Peter mit Frau und Kindern sich zu der Riesenkoppe begab, um den Berggeist aufzusuchen
Als nun Peter wieder heimgekehrt zu den seinen war, die unterwegs eingekauften Lebensmittel auf dem kleinen Tisch in seiner Hütte ausbreitete und den vollen Geldbeutel freudig emporhielt, da war seine Frau ganz unerschöpflich in dem Lob der guten Vettern. Peter ließ seine liebe Anna in dem Glauben, dass ihre Verwandten es gewesen waren, die ihm in seiner Not geholfen und ihn außerdem freundlich empfangen und bewirtet hatten. So wohl zumute war es ihm lange nicht gewesen, als in diesem Augenblick, wo er Frau und Kinder einmal sättigen konnte.
»Nun hat uns Gott geholfen«, sprach er, »und nur an uns kann es liegen, wenn wir uns durch Arbeit und Fleiß nicht aus dem Druck der Armut erheben, der so lange schwer auf uns gelastet hat.«
Da ging nun Peter den seinen mit gutem Beispiel voran und war vom frühen Morgen bis zum späten Abend auf dem kleinen Grundstück beschäftigt, das er nebst einem Stier und dem nötigen Ackergerät und Saatkorn von einem Nachbarn erhandelt hatte. Anna spann fleißig und die Kinder schnitzten hölzerne Löffel und Quirle zum Verkauf auf dem Markt. Der Lohn ihres Fleißes blieb nicht aus; ja es schien ein wundersamer Segen auf dem Geld zu ruhen, das der arme Peter dem Berggeist verdankte. Lustig wogten die Ähren, oft dreifache Frucht tragend, auf dem sorgsam bestellten Acker. Fast übermäßig bezahlt wurde der Flachs, den Anna gesponnen hatte, und selbst der Kinder Holzarbeiten fanden schnellen Absatz. So vermehrte sich Peters kleine Habe, und als der Winter herankam, hatte er außer seinem Stier noch eine Kuh und drei Ziegen in seinem Stall. Wenn er nun seinen Reichtum betrachtete, vergaß er nie, im Stillen dem guten Berggeist zu danken, der ihm dazu verhalf.
Als nun das Jahr sich seinem Ende näherte und der Tag immer näher heranrückte, an welchem er das ihm geliehene Geld zurückerstatten musste, da freute er sich innig, durch Fleiß und Sparsamkeit die runde Summe von Hundertzwanzig Talern erübrigt zu haben. Es wollte ihm aber bedünken, dass nur der Segen, der auf Rübezahls Geld beruhte, ihm zu so reichlichem Gewinn habe verhelfen können, zumal in dieser kurzen Zeit. Umso mehr hielt er sich als ein ehrlicher Mann verpflichtet, die geliehenen hundert Taler pünktlich zurückzuzahlen.
Kaum graute der Morgen des Tages, an welchem der von ihm geliehene Wechsel fällig war, so weckte Peter schon Frau und Kinder.
»Kommt«, sprach er, »zieht euch schnell an und werft euch in euren Sonntagsstaat. Mein Darlehen muss ich heute dem guten Vetter zurückerstatten, da sollt ihr mich begleiten und wir wollen ihm alle recht herzlich danken.« Da kleideten Frau und Kinder sich schnell an und fort ging es mit raschen Schritten.