Turnier- und Ritterbuch – Teil 7.4.
Heinrich Döring
Turnier- und Ritterbuch
Verlag von E. F. Schmidt, Leipzig
Sitten und Gebräuche des Rittertums im Mittelalter
Ludwig der Springer
Viertes Kapitel
Wie Ludwig auf der Veste Giebichenstein gefangen saß
Es begab sich aber, dass Kaiser Konrad starb, und Ludwig an ihm ein mächtiges Haupt verlor, das ihm immer Hold gewesen war und ihn geschützt hatte. Obwohl nun bereits fünf Jahre seit der Ermordung des Pfalzgrafen Friedrich von Sachsen verflossen waren, so erneuerten doch dessen Verwandte und Freunde bei dem neuen Kaiser die Klage, die kein Gehör bei seinem Vorgänger gefunden hatte. Ludwig aber hütete sich gar wohl vor dem Kaiser zu erscheinen, als dieser ihn hatte vor sich laden lassen. Er suchte sich der kaiserlichen Haft zu entziehen, die ihm drohte, und hatte seitdem keine bleibende Stätte, sondern verweilte bald auf dieser, bald auf jener Burg. Es lauerten aber überall des Kaisers Mannen auf den Grafen von Thüringen, und so geschah es, dass er, aller Vorsicht ungeachtet, von ihnen gefangen und zu der Veste Giebichenstein gebracht wurde.
In seinem öden Kerker hatte er dort bereits zwei Jahre und acht Monde geschmachtet, als er von des Kaisers Heimkehr Kunde erhielt, der lange außerhalb des Landes gewesen war. Es wollte ihm aber bedünken, als habe er wenig Tröstliches von des Kaisers Richterspruch zu erwarten, und er fürchtete für sein Leben. Oft hatte ihm, wenn er aus seinem Kerker auf die Fluten der Saale und auf die grünen Auen am jenseitigen Ufer hinabschaute, seiner Freiheit Verlust schmerzlich ergriffen. Tag und Nacht hatte er vergeblich auf Mittel gesonnen, wie er aus seiner traurigen Haft entkommen könnte. Aber schwere Fesseln belasteten ihn, und er sah sich obendrein von sechs Rittern bewacht, die ihn, wo er ging und stand, scharf beobachteten.
Es begab sich aber, dass Ludwig eines Tages einen Schreiber verlangte, dem er seinen letzten Willen mitteilen wollte, denn er meinte, da der Kaiser wieder heimgekehrt in sein Land, werde nun sein letztes Stündlein wohl bald schlagen, und es täte Not, sein Haus zu bestellen. Da willfahrte man seinem Gesuch und ließ auch einen seiner Diener in seinen Kerker ein, den er an seine Gemahlin, die holde Adelheid, senden wollte, um ihr zu berichten, wie trüb es ihm bisher ergangen war, und welch ein Los ihm wohl bevorstehen würde. Es befahl aber Ludwig seinem Diener heimlich, mit seinem Leibross, einem weißen Hengst, von ihm selbst Schwan genannt, zu einer bestimmten Stunde am Ufer der Saale zu halten und mit dem Ross, wie zur Schwemme, in den Strom zu reiten.