Secret Service Band 1 – Kapitel 16
Francis Worcester Doughty
Secret Service No. 1
Old and Young King Brady Detectives
Black Band
Oder: Die zwei King Bradys gegen eine unnachgiebige Bande
Eine interessante Detektivgeschichte aus dem Jahr 1899, niedergeschrieben von einem New Yorker Detektive
Kapitel 16
Old King Brady gelingt eine waghalsige Rettungsaktion
Old King Brady war dieser Aufgabe vollkommen gewachsen, daran wird der Leser nicht zweifeln.
Er hatte seine Pläne sehr geschickt und sehr sorgfältig ausgearbeitet.
Diesmal wollte er nicht versagen.
Er hatte keinen Zweifel daran, dass sein Scheitern als Fahrer der Droschke darauf zurückzuführen war, dass die beiden Ganoven seine Identität erahnt hatten.
Sicherlich war es eine gütige Fügung des Schicksals, die ihn auf die Spur von Partland gebracht hatte. Letzterer hatte ihn mit Sicherheit auf den richtigen Weg gebracht.
Old King Brady machte nun einen großen Umweg und erreichte das Flussufer in einiger Entfernung unterhalb des Pavillons.
Er konnte die Umrisse der Gretchen an dem kleinen Kai erkennen.
Noch während er sie beobachtete, sah er das schwache Licht einer Laterne und dann mehrere Gestalten, die über die Planke an ihr Deck gingen.
»Sie haben sie an Bord genommen«, murmelte er.
Einen Moment später leuchtete ein schwaches Licht aus dem Fenster der kleinen Kajüte.
Es leuchtete stetig weiter. Der Detektiv hörte Stimmen, die durch den Garten nach oben drangen.
Die beiden Gauner kamen in den Garten hinunter und waren in wenigen Augenblicken direkt unter ihm.
»Sie sagen, Ihre Jacht, die Gretchen, ist hier, Grindleman?«, hörte er Partland den Deutschen fragen.
»Natürlich ist sie da«, antwortete der Gartenbesitzer. »Sie liegt direkt an der Anlegestelle. Es ist alles in Ordnung.«
»Nun, wir müssen das Mädchen irgendwo verstecken, bis diese verfluchten Detektive überlistet sind. Wenn wir sie heute Nacht auf die Gretchen bringen, können wir morgen mit der Jacht den Sund hinauf zu einem kleinen Ort auf Long Island fahren, wo sie sicher ist. Dune kennt dort eine schöne Höhle.«
Das Blut des Detektivs begann zu kribbeln.
Die Dinge spielten ihm wieder in die Hände. Die beiden Männer gingen nun außer Hörweite.
Aber Old King Brady hatte alles gehört, was er sich nur wünschen konnte.
Er versuchte nicht, den Pavillon zu betreten. Das war nicht mehr sein Spiel.
Stattdessen kletterte er vorsichtig hinunter und ging zurück zur Straße. Gerade als er sie erreichte, hörte er das Rumpeln von Rädern.
Eine Droschke kam in Sicht, die schnell fuhr.
Die Vorhänge waren zugezogen.
Es fuhr hinunter zum Eingang des Pavillons und tauchte am Tor in einen tiefen Schatten ein.
Der alte Detektiv hörte einen Pfiff und sah, wie sich das Tor öffnete. Dann sah er die düsteren Schemen einiger Menschen, die hindurchgingen.
Der Kutscher wendete und trottete mit seinen Pferden davon.
Der Detektiv machte keine Anstalten, ihn aufzuhalten. Er brauchte ihn nicht mehr.
Er hatte sein Spiel wieder in der Hand.
Zu sagen, dass Old King Brady hocherfreut war, wäre eine gelinde Aussage.
Er unternahm keinen Versuch, diejenigen abzufangen, die den Pavillon betraten.
Das wäre töricht gewesen.
Er war nur ein Mann gegen viele. Es hätte gereicht, ein Polizeiaufgebot zu rufen, aber Old King Brady hatte einen anderen Plan gefasst.
Er war pikiert, dass Jayne und seine Bande ihn so geschickt überlistet hatten und war entschlossen, sich zu revanchieren.
»Ich wünschte, Harry wäre hier«, sagte er zu sich selbst. »Ich brauche seine Hilfe.«
Aber Young King Brady war nicht erreichbar. Es oblag dem alten Detektiv, seinen Plan allein und ohne Hilfe auszuführen.
»Sie haben sie an Bord gebracht und fühlen sich sicher«, murmelte er. »Oh, wenn ich nur schwimmen könnte!«
Aber es dauerte nicht lange, bis er sich einen Ausweg überlegte.
Er war entschlossen, das Deck der kleinen Jacht zu erreichen, wenn es möglich war.
Von der Wasserseite aus schien es keine Möglichkeit zu geben, dies zu tun.
Den Eingang zum Pavillon hielt er für den besten. Er beeilte sich, seinen Plan umzusetzen.
Es war nicht schwer, eine Schwachstelle in dem Gitter zu finden. Mit leichtem Druck wurden die Holzbalken auseinandergedrückt.
Es entstand eine Öffnung, die groß genug war, damit der Detektiv hindurchkriechen konnte.
Er befand sich nun im Garten.
Bis zur Anlegestelle der Jacht war es nicht mehr weit. Leise und schattenhaft schlich er sich dorthin.
Als er den kleinen Steg erreichte, sah er einen Mann auf dem Deck der Jacht umhergehen.
Dass er dort Wache hielt, daran bestand kein Zweifel. Wahrscheinlich war er der Maschinist der Jacht und der einzige Mann an Bord.
Der Detektiv überdachte die Situation.
Ein Versuch, die Planke direkt zu betreten, würde den Alarm auslösen und ihn vielleicht das Leben kosten.
Dafür war Old King Brady zu gerissen.
Er hatte einen besseren Plan.
Eine Sache war ihm klar.
Der Mann auf der Jacht musste auf irgendeine Weise beseitigt werden. Er war das einzige Hindernis für die Rettung von Janet Pell.
»Er muss kommen«, murmelte der alte Detektiv. »Er ist mein Gegner.«
Der Detektiv kroch vorsichtig bis zum Rand der Planke hinunter.
Er befand sich hier in einem solchen Schatten, dass er nicht gesehen werden konnte.
Er schlüpfte unter das Ende der Planke. Dann griff er mit den Fingern nach dem Rand.
Er schwang sich in die Luft und begann, sich Hand für Hand an der Unterseite der Planke entlangzuarbeiten. Auf diese Weise war er vor Blicken geschützt, und seine Finger waren ein zu kleines Objekt, um wahrgenommen zu werden.
Der Wachmann auf dem Deck ging langsam auf und ab.
Er sah die dunkle Gestalt nicht, die sich an der Kante des Schanzkleides der Yacht festhielt. Als er ihm den Rücken zuwandte, kletterte die Gestalt katzenartig und totenstill über die Reling.
Old King Brady kauerte im Winkel des Kajütenaufbaus. Der Wachmann ging langsam nach achtern.
Dann drehte er sich um und kam ebenso langsam zurück. Das war die Chance für Old King Brady.
Gerade als der Mann ihm gegenüberstand, streckte er seinen langen Arm aus.
Die starken Finger umklammerten die Luftröhre des Wachmanns. In einem Augenblick wurde er daran gehindert, einen Schrei auszustoßen.
Es gab einen raschen, lautlosen Kampf.
Er lag auf dem Deck, das Knie des Old King Brady auf seiner Brust.
»Schweig, bei deinem Leben«, flüsterte der alte Detektiv, »oder du bist ein toter Mann!«
Der Mann hörte auf, sich zu wehren.
Der Detektiv machte einen Knebel und steckte diesen in seinen Mund. Dann fesselte er ihn mit einer Schnur, die er auf dem Deck gefunden hatte, an den Händen und Füßen.
Anschließend trug er ihn in die Kajüte und legte ihn in die nächstgelegene Koje und schloss ihn dort ein.
Dann schaute er sich um.
Er war Herr der Lage.
Auf dem Kabinentisch brannte ein Licht. Ein anderes schimmerte über dem Glas einer Kabinentür.
Old King Brady trat vor und drehte den Schlüssel im Schloss herum. Er schwang die Tür beiseite.
Seinem Blick bot sich ein beeindruckendes Bild.
Dort lag ein hübsches junges Mädchen mit weißem, verzerrtem Gesicht, hängenden Augenlidern und glasigen Augen in einer Koje.
Der Detektiv sah sofort, dass sie noch unter dem Einfluss der Droge stand.
Er trat vor und nahm ihre Hand.
»Miss Pell«, sagte er in leisem Ton. »Erschrecken Sie nicht. Schreien Sie nicht und verraten Sie uns nicht. Ich bin ein Detektiv, der Sie retten will. Alles wird gut.«
Ein halb unterdrückter Schrei brach über die Lippen des jungen Mädchens und sie versuchte sich zu erheben.
»Ja, ja. Ich weiß. Sie stehen unter Drogen«, sagte der Detektiv in ihr Ohr. »Aber das wird mit der Zeit vergehen. Bleiben Sie ruhig, wo Sie sind. Ich werde mich um Sie kümmern.«
Das hilflose Mädchen versuchte zu flüstern, gab aber den Versuch auf. Ihr Gesicht verriet jedoch ihre Freude. Old King Brady ging zurück auf das Deck.
Er lauschte konzentriert und konnte Stimmen oben im Pavillon hören. Aber die Luft schien rein zu sein.
Was sollte er jetzt tun?
Es war sein Wunsch, das junge Mädchen zu retten.
Er könnte sie von diesem Ort wegbringen und dann zurückkehren. Sein Entschluss stand fest.
Er würde dies tun.
Er ging zurück in di Kajüte und hob sie in seine kräftigen Arme und schlenderte zurück an Deck. Kühn schritt er die Planke hinunter.
Im nächsten Moment war er im Sommergarten. Ohne Mühe gelangte er zu der Öffnung, durch die er den Ort betreten hatte.
Es war ein Leichtes, hindurchzugehen, und dann trug er das Mädchen die steile Böschung hinauf zu einem darüber liegenden freien Grundstück.
Nur wenige Meter entfernt befanden sich eine Straße und Häuser.
Aber zu dieser frühen Stunde war es menschenleer, und die Leute lagen in ihren Betten. Der Detektiv war in einer Zwickmühle.
Was sollte er mit seinem Schützling tun?
Er wollte unbedingt in den Sommergarten zurückkehren. Da kam ihm eine Idee.
Mit dem Mädchen auf dem Arm ging er mutig die Straße hinunter. Er hatte gehofft, einen Boten zu finden.
An der nächsten Ecke aber sah er ein blaues Licht brennen.
»Ein Apotheker!«, murmelte er. »Genau der richtige Ort!« In wenigen Augenblicken hatte er die Tür der Apotheke erreicht. Der Nachtportier saß an seinem Schreibtisch.
Der Detektiv öffnete die Tür und schlich sich hinein.
Der Angestellte kam eilig hinter seinem Schreibtisch hervor.
»Was ist los?«, rief er. »Jemand in Schwierigkeiten?«
»Hören Sie«, sagte Old King Brady eindrucksvoll. »Diese junge Dame braucht Hilfe. Sie ist Millionen wert, und Sie werden gut dafür entschädigt werden. Ich möchte, dass sie die beste Pflege bekommt. Wo ist Ihr Privatzimmer?«
»Hier entlang«, sagte der Angestellte mit großer Eile. »Ich werde Dr. Smith rufen. Ein Fall von Herzversagen?«
»Nein, eine Betäubungsdroge. Sie war in den Händen von Verbrechern. Jetzt werden Sie verstehen, wie wichtig es für Sie ist, diese Dame gut zu bewachen. Verstehen Sie?«
»J … ja!«, stammelte der Beamte.
Old King Brady zeigte seine Marke.
»Ich bin Detective des Secret Service«, sagte er weiter. »Alles wird später erklärt werden. Behalten Sie sie hier, bis ich sie abhole. Mein Name ist James Brady.«
Der Clark starrte ihn an.
»Sie sind Old King Brady?«
»Manchmal werde ich so genannt.«
»Sie können sicher sein, dass ich mich um sie kümmern werde«, erklärte der Angestellte. »Haben Sie keine Angst, Mr. Brady.«
Der Detektiv verließ eilig die Apotheke. Er ging zurück in den Sommergarten.
Der Rest erschien ihm einfach.
Er wollte an diesem Abend sein Geschäft erledigen. Wie es ihm gelang, werden wir sehen.
Als er die Lücke im Gitter erreichte, beeilte er sich, hindurchzusteigen.
Schnell war er wieder im Sommergarten. Auf der Jacht war alles ruhig.
Im Pavillon konnte er noch Stimmen hören. Offensichtlich war die Rettung von Janet Pell noch nicht entdeckt worden.
»Alles in Ordnung«, murmelte er. » Es hätte nicht besser laufen können.«
Wie ein Schatten bewegte er sich auf den Pavillon zu. Als er ihn betrat, sah er seine Gegner gleich dahinter, in einem Nebenraum der Bar.
Dort waren Jayne, Mansur und der deutsche Grindelmann damit beschäftigt, Bier zu trinken und sich zu unterhalten.
Partland war nicht da.
Seltsam!, dachte der Detektiv. Ich frage mich, wo er geblieben ist!
Später wurde er aufgeklärt.
Die Unterhaltung der Ganoven verlief leise, sodass der alte Detektiv gezwungen war, ganz nah heranzutreten.
Er legte sich flach auf den Boden des Pavillons und arbeitete sich in den Schatten schlangenförmig bis zur Tür des angrenzenden Barraumes vor.
In einem unbeobachteten Moment war es dann ein Leichtes für ihn, hinter die offene Tür zu schlüpfen.
Er war nun bis auf einen Meter an die Gangster herangekommen und hätte sogar ein Flüstern hören können.
»Ich glaube, es ist das Beste, wenn wir uns eine Weile verstecken«, sagte Jayne.
»Ja, das denke ich auch«, stimmte Mansur zu.
»Ach Himmel, ich habe noch nie von einem Detektiv wie Old King Brady gehört«, beteuerte der Deutsche.
»Na ja, er wird uns schon helfen«, sagte Jayne. »Siehst du, was für eine knappe Entscheidung wir gerade getroffen haben? Ich wusste, dass es nicht Jerry auf der Kiste war, als wir durch das Laternenlicht auf Washington Heights gingen. Zum Glück habe ich durch den Vorhang geschaut, um sicherzugehen.«
»Verflucht sei dieser Jerry! Er hat uns getäuscht.«
»Oh, ich weiß es nicht. Brady könnte ihn hypnotisiert haben.«
»Pah!«
»Ich sage euch, der alte Wolf ist zu allem fähig.«
Old King Brady lächelte über diese schmeichelhafte Anspielung auf seine Kräfte.