Archive

Turnier- und Ritterbuch – Teil 7.1.

Heinrich Döring
Turnier- und Ritterbuch
Verlag von E. F. Schmidt, Leipzig
Sitten und Gebräuche des Rittertums im Mittelalter

Ludwig der Springer

Erstes Kapitel

Wie Ludwig um des Herzogs Ulrich von Sachsen Tochter freite und deren Hand erhielt

Als der edle Landgraf von Thüringen, Ludwig mit dem Bart auf seinem Heimritt von Speier zu Mainz von einer schweren Krankheit befallen, im Jahr 1056 das Zeitliche segnete, da war sein erstgeborener Sohn Ludwig fünfzehn Jahre alt, denn er war im Jahr 1042 geboren. Als er nun die Regierung des Landes übernahm, da wollte es allen bedünken, dass er ein redlicher, wackerer und kluger Herr sei, der für seiner Untertanen Wohl in jeder Weise Sorge trage und sein Reich zu mehren suche durch anderweitiges Besitztum, wie er dann, als sein Bruder Beringer verstorben war, von dessen Sohn Conrad die Herrschaft Sangerhausen käuflich an sich brachte.

Es redeten ihm aber seine Freunde zu, er solle sich vermählen, damit er durch Verwandtschaft noch an Macht und Ansehen gewinnen und in der Not auf Rat und Hilfe rechnen könnte. Da nun Ludwig ein junger Mann war, von stattlichem Wuchs und schöner Gestalt, so mochte er wohl der Tochter des Herzogs Ulrich von Sachsen gefallen ha­ben, denn sie gab ihm keinen Korb, als er um sie freite. Als er sie jedoch kaum auf die Schauenburg heimgeführt, da zeigte sich bald, dass er eine sehr stolze und hoffärtige Frau bekommen hatte, die sich viel dünkte, weil ihr Vater ein Herzog gewesen sei und mit schnöden und kränkenden Worten täglich um sich warf. Das konnte Ludwig auf die Länge nicht ertragen und sandte sie wieder zu ihren El­tern zurück, mit dem Bemerken, dass er in ihrer Tochter Augen zu gering und verächtlich sei.

»Möchte sie«, sprach Ludwig, »dort bleiben, bis sich ihr Sinn geändert habe.«

Sie verharrte aber in ihrem Stolz und starb noch in demselben Jahr, weil sie ihrer Eltern, Freunde und Verwandten harten Tadel nicht zu ertragen vermochte.