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Jim Buffalo – 16. Abenteuer – Kapitel 3

Jim Buffalo,
der Mann mit der Teufelsmaschine
Veröffentlichungen aus den Geheimakten des größten Abenteurers aller Zeiten
Moderner Volksbücher-Verlag, Leipzig, 1922
Der Shylock von San Francico
Das 16. Abenteuer Jim Buffalos
3. Kapitel

Nathans Fahrt in die Vergangenheit

Im Ghetto von San Francisco stand ein kräftiger junger Mann vor der Tür seines Trödelladens. Er wartete auf Kundschaft.

Die Treppe herab kam eine alte Frau. Sie rief eifrig: »Mister Nathan, Gott der Herr hat Ihnen seinen Segen gegeben, denn Ihre Gattin hat ein Mädchen zur Welt gebracht.«

Ibrahim Samuel Nathan wandte sich nach der Sprecherin um und dann verschloss er den Laden. Er stieg die Treppe hinauf und nahm aus den Händen der alten Frau ein zierliches Bündel entgegen. Es war das kleine Mädchen, welches soeben das Licht der Welt erblickt hatte.

Aber der Frau im Bett ging es anscheinend sehr schlecht, denn sie hatte hohle Wangen und in ihren Augen leuchtete das Fieber.

Der Mann setzte sich neben dem Bett nieder. Er ergriff die Hände der Frau und sprach, so gut er es vermochte, Trost zu. Aber es waren nicht die rechten Worte, denn die Habgier, das Verlangen nach Geschäften trieb in bald hinab.

Unten kamen die Käufer und Verkäufer. Er geizte und handelte mit ihnen und oben hauchte indessen seine Frau ihr Leben aus.

»Weiter – weiter«, drängte der Jude Nathan und umklammerte den Arm des Mannes, der neben ihm saß und die Zeitmaschine diktierte.

Jim Buffalo ließ die Maschine einige Jahre überspringen.

Dasselbe Haus tauchte auf. Auf der Straße spielte ein kleines, bildhübsches Mädchen. Eine schmierige Zigeunerfrau hegte und pflegte es. Im Trödelladen war eine Hinterstube eingerichtet worden. Hier empfing Nathan viel Besuch. Es waren vornehme Herren, die sich einfanden. Aber auch seinesgleichen erschien. Da war einer, der sich Isac Orloff nannte.

Er trat herein und sagte: »Ich habe gestern Abend den Schuldschein liegen gelassen, Samuel Nathan, als ich dir das Geld zurückzahlte. Du kannst ihn mir jetzt geben. Ich habe die ganze Nacht keine Ruhe gehabt.«

Da begehrte Nathan auf. Er rief mit blitzenden Augen: »Willst du mich betrügen, du Ganneff? Willst du im Ernst behaupten, dass du mir gestern die dreitausend Dollar zurückgezahlt hast? Ich aber sage dir, ich habe kein Geld erhalten. Ich warte darauf, denn ich brauche das Geld.«

Der andere war starr.

»Das kann dein Ernst nicht sein, Samuel Nathan, besinne dich«, bat er verzweifelt.

Da wurde Nathan wild, streckte den Arm gebieterisch aus und wies dem anderen die Tür. Der ging.

»Weiter – weiter«, drängte Jim Buffalos Begleiter.

Und die Zeitmaschine raste über ein paar Jahre hinweg.

Die Zahl 1913 erschien in hellem Licht.

Aus dem Fenster des Hauses im Ghetto, welches der Jude Ibrahim Samuel Nathan bewohnte, blickte ein reizender Mädchenkopf. Dunkel große Augen sahen träumerisch in die Welt. Unten im Laden hatte der Shylock, wie er überall genannt wurde, hohen Besuch. Man handelte um Millionen. Im hinteren Zimmer war ein mächtiger Tresor angebracht worden, der große Schätze barg.

Samuel Nathan verlieh nur noch große Summen gegen Wucherzinsen. Und er ließ sich solche Sicherheiten geben, dass er nie Verluste hatte. Auf diese Weise wurde er in wenigen Jahren zu einem der reichsten Männer Friscos.

Aber für seine Glaubensgenossen hatte er nichts übrig. Da kam zum Beispiel ein alter Trinker, ein Mann, der sich Isac Orloff nannte. Er trug einen Sack über dem Rücken und er selbst war in Lumpen gehüllt. Aus seinen rotumränderten Augen leuchteten das Elend und die Verkommenheit.

Von oben herab winkte das Töchterchen des Shylock und warf dem Trinker eine Münze zu. Der Vater sah dies, worauf sie erschrocken hinter dem Fenster verschwand. Der Mann aber im Lumpensack stieß einen grässlichen Fluch aus. Dann humpelte er weiter.

»Ich will das Jahr 1917 sehen«, stieß der Shylock an der Seite Jim Buffalos hervor.

»Wie du willst«, lautete die harte Antwort.

Die Zahl 1917 erschien an der Tafel als leuchtendes Transparent.

Wieder war die Tochter des Shylock zu sehen. Diesmal war sie eine im Blühen begriffene Jungfrau. Sie lustwandelte am Meeresstrand und hier traf sie einen jungen Mann. Er hatte ein stolzes, schönes Gesicht und war wie ein Künstler gekleidet.

Ein Samtanzug umhüllte seine Figur.

Er näherte sich dem schönen Mädchen. Der Shylock streckte die Hand aus, als ob er das Bild fassen wollte.

»Er ist ein Christ, einer, der nicht den Glauben unserer Väter hat«, stöhnte Nathan neben dem Besitzer der Zeitmaschine.

Jim Buffalo gebot ihm aber Ruhe.

Und die beiden glücklichen Menschen sahen sich oft. Immer in der Abendstunde verließ die schöne Tochter des Wucherers das Ghetto und strebte zum Meeresstrand, wo die linden Lüfte die Lungen weiteten und die stolzen Segelschiffe auf dem Wasser schaukelten.

Und es kam die Stunde, wo die schöne Editta dem jungen Künstler an die Brust sank. Es kam ferner die Stunde, wo der Maler, denn ein solcher war es, vor den Shylock trat und die Hand seiner Tochter erbat.

Da trat Samuel Nathan mit geballten Fäusten auf ihn zu und es waren böse Worte, die er zu ihm sprach.

Samuel Nathan verwies ihn aus dem Haus. Dann folgte eine Szene im Stübchen Edittas. Aber die beiden Liebenden waren nicht zu kurieren, denn die Liebe hatte zu tief in ihren Herzen Wurzel gefasst. Sie trafen sich weiter heimlich und als eines Abends Editta von ihrem Vater erwischt wurde, als sie zum Rendezvous gehen wollte, schloss sie der hartherzige Vater ein.

Sie kletterte aus dem Fenster und der Geliebte führte sie in ein schönes Landhaus, wo sie seine Frau wurde.

Es kamen glückliche Bilder. Der junge Maler erhielt viel Arbeit. Er hatte daneben noch Zeit, für sein Glück zu leben. Doch eines Tages kam das Verhängnis. Er war auf das Meer hinausgerudert und wollte die Wellen malen. Der Sturm überraschte ihn.

Editta musste vom Strand aus zusehen, wie er mit den Wellen kämpfte und ertrank. Das war das Ende ihrer jungen Ehe.

Sie musste nun ihren Lebensunterhalt verdienen. Sie verkaufte zuerst die wenigen Bilder, die ihr verstorbener Mann noch angefertigt hatte. Aber es blieb nicht viel übrig.

Die Not kam ins Haus und es musste alles versetzt werden. Editta verarmte immer mehr und eines Tages machte sie sich auf den Weg, in der Fabrik Arbeit zu suchen. Sie fand auch welche, zog in ein armseliges Stübchen und ernährte sich kümmerlich.

Dann wurde sie krank. Sie kam ins Spital. Während sie hier lag, wurde ihre wenige Habe ein Raub habgieriger Menschen.

Eines Tages öffneten sich die Pforten und sie wurde, noch schwach und siech, entlassen.

»Wir sind im 22. Jahr angelangt, Shylock von San Francisco.«

Samuel Nathan stöhnte.

Die Zeitmaschine klapperte weiter. Sie zeigte eine schwache Fau vor einer Tür. Blitze zuckten vom Himmel und der Donner war deutlich zuhören. Ein Fenster öffnete sich oben im Haus Nathans und eine harte Stimme rief: »Fort – ich habe keine Tochter!«

Da fasste den Arm des hartherzigen Mannes eine starke Hand. Samuel Nathan erwachte wie aus einem Traum. Es donnerte und blitzte.

»Wo bin ich?«, fragte er verstört.

»Sie haben mit mir eine Fahrt in der Zeitmaschine unternommen. Wir sind in der Gegenwart angelangt. Ah, was ist das? Man ruft um Hilfe?«

Jim Buffalo riss den Schlag auf. Er sprang hinaus. Der Regen goss in Strömen herab, es donnerte und blitzte.

Vor ihm stand ein wüst aussehender Mann im struppigen Haupt- und Barthaar. Er hielt in den Armen eine junge Frau, welche sich matt wehrte.

Er sprang hinzu und stieß den Unhold zur Seite. Da blickte er in das Gesicht der jungen, schönen Frau, welches die vergangenen Jahre soeben gezeigt hatten.

Der Shylock aber floh aus seiner Nähe.