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Fort Wayne – Band 2 – Kapitel 2

F. Randolph Jones
Fort Wayne
Eine Erzählung aus Tennessee
Zweiter Band
Verlag von Christian Ernst Kollmann. Leipzig. 1854

Zweites Kapitel

Die Besorgnis des würdigen Kommandanten, es werde die Gelegenheit, eine glänzende Waffentat auszuführen, durch die Furchtsamkeit oder vielmehr Besonnenheit des Feindes vereitelt werden, erwies sich schon einen Tag nach den geschilderten Auftritten als unbegründet. Die ausgestellten Schildwachen genossen von dem Wall herab das malerische Schauspiel eines fast ununter­brochenen Zuzuges neuer Feinde, die in kleineren oder größeren Trupps, aber alle bis an die Zähne bewaffnet sich mit der Hauptmacht der Cherokee vereinigten und endlich längs des Waldsaumes vom Harpeth bis zum Cumberland ein förmliches Blockadelager bildeten. Die leichten, aus Baumzweigen und dünnen Stämmen erbauten Hütten lagen viel zu weit vom Fort, um dasselbe als ernstlich bedroht ansehen zu können, leider auch zu weit, um der kampflustigen Besatzung einen Ausfall zu gestatten; ja selbst der berühmte Neunpfünder war aller menschlichen Berechnung nach nicht imstande, dem Feind seinen eher­nen Gruß mit irgendeiner Wahrscheinlichkeit des Treffens entgegenzusenden – ein Umstand, der das aus drei Mann bestehende Artillerie- und Geniekorps der Festung mit tiefer Betrübnis erfüllte.

Gleichwohl blieb der Kommandant mit seiner Heldenschar weder ein müßiger Zuschauer der Dinge noch lag es in den Absichten der Belagerer, ihm eine derartige Passivität zu vergönnen. Vielen Verdruss machte Murchinson die Entdeckung, dass ein Teil der Feinde mit Feuergewehren versehen war. Es veranlasste dies den Major zu den heftigsten, in der Tat vollständig gerechtfertigten Verwünschungen der gewissenlosen Krämer, die gegen das ausdrückliche Verbot des Kongresses und nur auf die Stimme der Gewinn­sucht hörend, den Eingeborenen diese Waffen gegeben hatten. Glücklicherweise schien die Munition des Fein­des ziemlich spärlich zu sein; allerdings schlichen sich seine Scharfschützen, sobald es finster zu werden begann, bis auf Schussweite an das Fort heran und feuerten ihre Gewehre nach den Wachtposten ab, sobald sich deren Köpfe über den Palisaden blicken ließen, ohne jedoch irgend Schaden anzurichten. Den Tag über herrschte Unbeweglichkeit und Schweigen im Indianer­lager, nur unterbrochen von dem Auszug und der Rückkehr einzelner Jägertrupps, welchen die Herbei­schaffung von Wildbret und anderen Lebensmitteln oblag. Dass man im Fort auf seiner Hut war und alle erdenklichen Vorsichtsmaßregeln gegen eine jener plötzlichen Überrumpelungen ergriff, in denen die Hauptstärke des Feindes lag, wie die Weißen oft genug zu ihrem Schaden erfahren hatten, verstand sich von selbst. Gleichwohl beunruhigte den Kommandanten der Umstand, dass eine so bedeutende Macht sich ruhig, als sei an keinen Entsatz zu denken, um Fort Wayne sammelte, denn er musste daraus schließen, dass die Milizen aus dem Süden entweder geschlagen oder noch gar nicht aufgebrochen seien. Dazu kam, dass ihn die Anwesenheit der Frauen, und wir dürfen es seiner brüderlichen Zärtlichkeit unbeschadet sagen, besonders der schönen Mary mit Besorgnis erfüllte, zumal seit von der Höhe des jenseitigen Flussufers einige Kugeln den Wasserturm und die Hinterwand des Kommandanturgebäudes getroffen hatten. Auch dauerte es nicht lange, so wurden von dem Feind Versuche gemacht, das Schöpfwerk des Wasserturms außer Tätigkeit zu sehen, indem eine kleine Flottille stark­bemannter Kanus, trotz der heftigen Strömung, den Punkt blockiert hielt, wo die Eimer den Spiegel des Flusses berühren mussten, um sie beim Herablassen mit bereit gehaltenen Beilen zu durchlöchern. Dies gelang nun nicht, da die wichtige Operation nunmehr stets von einem wohl gerichteten Feuer der Besatzung begleitet wurde, sodass der Feind, nachdem er einige Tote und Verwundete eingebüßt hatte, seinen Plan aufgab oder doch auf günstigere Zeiten verschob.

Es lässt sich aus dem Gesagten ermessen, dass Major Murchinsons Tätigkeit fortwährend in vollen Anspruch genommen und Geist und Körper in wohltätiger Aufregung gehalten wurden. Trotz der Anforderungen, welche an seinen militärischen Beruf gemacht wurden, entgingen seinem Scharfblick keines­wegs auch gewisse andere Dinge, und je uneingeschränk­ter er nur den Pflichten seines Befehlshaberpostens zu leben schien, desto schärfer beobachtete er gleichwohl die Familie Morris und den Hiwassee, die un­freiwilligen Bewohner des Forts.

In der Tat bot das Benehmen von David Morris Stoff genug zur ernsten Erwägung. Als er sich von der Unmöglich­keit überzeugt hatte, das Fort mit den seinen zu verlassen und dadurch der Pein eines gerichtlichen Verfahrens zu entgehen, hatte sich seiner eine Unruhe und Angst bemächtigt, die er umsonst zu verbergen suchte. Auf seinem düsteren Gesicht wechselte der Ausdruck des Zornes und tiefer Niedergeschlagenheit, und die Sorgfältigkeit, womit er jeder Unterhaltung, ja jeder Berührung mit den Mitbewohnern des Forts aus dem Wege ging und stundenlang in einem Win­kel des der Familie angewiesenen Raumes saß, die Bibel auf den Knien, ohne darin zu lesen, hätte in der Tat Mitleid erregen können. Dann sprang er bisweilen plötzlich auf, eilte zu den Palisaden und starrte hinunter in das Tal und auf das Lager de Feinde, Verwünschungen murmelnd und die geballten Fäuste schüttelnd. Selbst seine Söhne, die doch sein Wesen kannten, fingen an, sich beinahe vor ihm zu fürchten, und da sie sich ihrerseits mit dem Aufenthalt in der Festung ausgesöhnt zu haben schienen, wo es ihnen weder an Essen und Trinken noch an gemütlichem Geschwätz mit den Soldaten gebrach, so fanden sie sich umso weniger versucht, das Hinbrüten des Greises zu stören, da ihnen überdies vonseiten des Kommandanten die Zusicherung gegeben wurde, im Falle eines Angriffes an dem Kampf teilneh­men zu dürfen.

Niemand aber war eifriger beflissen, dem alten Morris auszuweichen, als Matti-cho-wuh, der krähende Hahn. Beim ersten Erblicken Davids nach seiner Ankunft im Fort hatte er alle Zeichen eines mächtigen Erschreckens gegeben und eine Bewegung gemacht, als wolle er sofort wieder aus der sicheren Umwallung herausstürzen und den Feinden in die Arme eilen. Seitdem wäre es für einen aufmerksamen Beobachter ein komisches Schauspiel gewesen, zu sehen, mit welcher Sorgfalt und raffinierter Mühe die Rothaut sich stets außerhalb des Gesichtskreises des Alten hielt – eine Mühe, die bei dem engen Raum, welcher beide um­schloss, in der Tat nicht gering war. Befand sich Morris in seiner Kammer, so schlenderte der Hiwassee gemütlich und vergnügt auf der Plattform umher, genoss die Soldatenkost und besonders die zwei Mal täglich gereichte Whiskeyration mit ersichtlichem Be­hagen und ergötzte die Kriegsleute durch sein schwer verständliches Kauderwelsch, welches er, meist vergebens, durch lebhafte Gestikulation zu verdeutlichen bestrebt war. Ja, er stimmte sogar – bei einem In­dianer kein geringes Anzeichen herablassenden Humors – laut in das großartige Gelächter ein, welches auf seine Kosten erscholl, und ließ sich sogar dann und wann herab, einen nationalen Tanz aufzuführen oder eine jener pantomimischen Darstellungen zum Besten zu geben, welche bei den roten Stämmen die Stelle theatralischer Vorstellungen vertreten und Heldentaten im Krieg oder auf der Jagd nicht ohne Glück und Naturwahrheit veranschaulichen. Sobald aber der graue Kopf des alten Morris außerhalb der Tür sei­ner Baracke erschien, ähnlich einer schwarzen Gewitterwolke am Saum des Horizontes, so war auch die Fröhlichkeit des Hiwassee und zugleich er selbst ver­schwunden. Mit einem gewaltigen Satz aufspringend und verstörte Blicke umherwerfend, rannte er auf den Wall und kauerte sich in der entferntesten Ecke der Palisaden nieder, von wo er mit einem Ausdruck, als gelte es dem Sprunge eines Tigers zu entfliehen, hervorspähte, wohin der Gegenstand seiner Antipathien seine Schritte lenken werde. Wendete sich nun dieser gleichfalls zum Wall, so war der Hiwassee blitz­schnell wieder im Hof und schlüpfte wie ein Wiesel in eines der Blockhäuser, das er, solange Morris sich draußen befand, nicht um alle Schätze der Welt verlassen hätte. Die Soldaten setzten diese unüber­windliche Furcht auf Rechnung der Abneigung, welche Morris ihnen selbst einflößte, und die sie, da alle Ein­drücke sich bei dem wilden Natursohn lebhafter und markanter zu erkennen gaben, mehr belustigte als ver­wunderte. Major Murchinson war der Einzige, der, obwohl er sich den Anschein gab, als würdige er weder die Familie Morris noch den Hiwassee seiner beson­deren Aufmerksamkeit, dennoch schärfer beobachtete, und demgemäß den festen Entschluss bei sich fasste, zu geeigneter Zeit das rätselhafte und unheimliche Dunkel, welches die beiden Individuen umgab, zur Aufklärung zu bringen.

Die Umstände schienen seinen Wunsch unterstützen zu wollen. Einige Tage waren seit dem Erscheinen der Feinde verflossen, ohne dass bis auf die erwähnten Neckereien etwas Ernsthaftes vorgekommen wäre, als eines Morgens sich in dem Indianerlager eine lebhafte Bewegung kundgab. Größere und kleinere Trupps verließen in westlicher Richtung das Lager, während die Zurückgebliebenen, im vollen Kriegsschmuck prangend, irgendetwas zu erwarten schienen. Es dauerte auch nicht lange, so erschallte aus der Ferne ein lautes Freudengeschrei, vermischt mit Gewehrsalven, und wurde vom Lager aus im vielstimmigen Chorus gleichmäßig beantwortet. Man sah nun die Vorausgegangenen wieder zurückkehren, in ihrer Mitte eine kleine, aber wohlbewaffnete Kriegsschar, deren hoch­gewachsener Anführer mit der Würde eines legitimen Fürsten und dem schweigenden Stolz, der die erwiesenen Ehrenbezeugungen als gebührenden Tribut hin­nimmt, langsam einherschritt. Bis hinauf zu dem Fort drang nun der tausendstimmige Jubelruf Takannah! Takannah! und belehrte die Besatzung, dass das berühmte, weit gefürchtete Haupt des indianischen Völkerbündnisses, der Mann, der seit dreißig Jahren fast ununterbrochen die weißen Ansiedler mit allen Schrecken des Krieges heimgesucht hatte, die nimmer rastende Seele aller Verschwörungen und Komplotte, in höchsteigener Person vor der Festung erschienen war.

Major Murchinson beobachtete durch das Glas eifrig die Vorgänge zu seinen Füßen, und wer seine nachdenklich gefalteten Züge sah, konnte leicht zu dem Glauben veranlasst werden, das Eintreffen Takannahs errege bei ihm gewisse militärische Besorgnisse und Zweifel an der Möglichkeit, der enormen Übermacht auch bei der glänzendsten Verteidigung auf die Länge die Spitze zu bieten. Aber die Gedanken, welche Takannahs Ankunft in ihm hervorgerufen hatten, waren ganz anderer Art und nichts weniger als strategischer Natur. Er schob nun das Fernglas zusammen und marschierte, die Hände auf dem Rücken, zur großen Verwunderung der Besatzung, sinnend auf und ab. Plötzlich blieb er vor Lieutenant Gloomy stehen, fixierte denselben eine Weile schweigend, als sei er noch immer nicht mit sich und seinem Plan einig, und führte ihn dann in eine abgelegene Ecke der Palisaden. Dort sah man nun die beiden lange Zeit im leisen Gespräch verweilen, welches interessant genug sein musste, da selbst der Lieutenant unerhörter Weise seine gewöhnliche ernste Haltung durch lebhaftes Mienenspiel und noch lebhaftere Gestikulation beeinträchtigte. Endlich schienen die divergierenden Meinungen geeinigt und alle Einwürfe Gloomys durch die Kraftgründe des Kommandanten beseitigt zu sein. Was aber nun erfolgte, brachte das Erstaunen der Besatzung auf den höchsten Gipfel. Mit donnernder Stimme kommandierte der Lieutenant: »Alle Mannschaft unters Gewehr!« (wie es damals hieß). Der Tambour ließ einen kräftigen Wirbel ertönen und Murchinson eilte mit großen Schritten der Kommandantur zu, unter deren Tür eben die Damen erschienen, in der Meinung, dass ein allgemeiner Angriff oder ein kühner Ausfall am Werke sei.

Umso größer war ihre Verwunde­rung, als der Major ihnen schon von Weitem zurief: »Meine Staatsuniform, Schwester! Meinen Federhut und die neue Schärpe! Rasch – ich werde Euch drinnen alles erzählen!«

Letztere Zusicherung genügte, um Bessy mit größ­ter Eile innerhalb des Gebäudes verschwinden zu lassen, gefolgt von Mary, der der Major galant den Arm bot.

Aber das Erstaunen der Soldaten, die in Reihe und Glied längs der Palisaden aufmarschiert waren, sollte noch weiter gefesselt werden. Lieutenant Gloomy, der sich gleichfalls einige Minuten in seine Baracke zurückgezogen hatte, erschien nun, unter dem Arm ein kleines Päckchen, welches, als er es bedächtig ausein­anderrollte, sich als ein blendend weißes Handtuch erwies. Aller Blicke hingen in stummer Erwartung an seinen Bewegungen. Nun zog er den Degen und befestigte das Tuch durch einen sorgfältigen Knoten an dessen Spitze.

»Das Außenpförtchen geöffnet und scharf aufgepasst, ihr Leute!«, sagte er und schritt majestätisch über die Brücke durch die Palisaden. Als er draußen war, entfaltete er sein Banner und ließ es hoch über dem Kopf in der Luft wehen, dass er anzuschauen war wie der Erzengel Michael mit der himm­lischen Siegesfahne.

,»Also ein Parlamentär? Ist es möglich? Hat der Kommandant den Verstand verloren? Will er das Fort übergeben?« In diesen und ähnlichen Ausrufungen explodierte endlich das so lange gefesselte Erstaunen der Besatzung. In den Kriegen mit den Indianern war bisher der Gebrauch friedlicher Unter­handlung nur äußerst selten und in verzweifelten Fällen vorgekommen, und in der Tat war bei den Söhnen der Wildnis so wenig auf ein Respektieren der in Europa gewöhnlichen Formen zu rechnen, dass man den Lieutenant Gloomy bereits für einen verlorenen Mann und den Kommandanten Murchinson für einen Wahnwitzigen zu halten begann, umso mehr, da es niemanden einfallen konnte, Letzteren der Feigheit und des Kleinmutes zu beschuldigen.

Inzwischen schritt Mr. Gloomy langsam und bedächtig den Hügel hinab dem feindlichen Lager entgegen, wo man bereits sein Erscheinen bemerkt hatte. Anfangs schienen die Indianer nicht zu wissen, was sie daraus machen sollten, und starrten unverwandt und bewegungslos auf den Parlamentär, der, je näher er kam, desto kräftiger seine Flagge schwenkte. Als ein prüfender Rückblick auf das Fort ihn überzeugt hatte, dass er sich noch innerhalb des schützenden Bereichs des Feuers der Besatzung befinde, blieb er stehen und erwartete ruhig die weitere Entwickelung der Dinge. Im Lager schien man endlich die Bedeutung der De­monstration zu begreifen. Die Häuptlinge, Takannah in ihrer Mitte, traten zu einer kurzen, aber lebhaften Beratung zusammen, die, begleitet von einem starken Gebärdenspiel nach dem Abgesandten und dem Fort, wo alles schweigend und mit äußerster Spannung dem Vorgang folgte, einen der Absicht des Kommandanten günstigen Verlauf zu nehmen schien. Einen mächtigen grünen Zweig in der hoch erhobenen Rechten, die Linke auf die Brust gedrückt, schritt ein junger, schlank gewachsener Indianer mit feierlicher Langsamkeit zu dem Punkt, wo Gloomy mit der ernsten Würde eines Diplomaten der alten Schule wartete. In einer Entfernung von etwa zwanzig Schritten blieb der India­ner stehen.

Nachdem auch er sich nach seinen Freunden umgeschaut hatte, die langsam, augenscheinlich mehr von Neugierde als Misstrauen getrieben, sich dem Fuß des Hügels näherten, rief er mit sonorer, klangvoller Stimme: »Ein Falke hat sein Nest verlassen und steigt vom Berg in die Ebene; welche Worte hat sein Mund für die Ohren der roten Krieger?«

»Worte des Friedens, junger Herr – wenigstens für jetzt!«, versetzte Gloomy. »Befindet sich nicht Takannah, der Häuptling der Cherokee unter euch?«

Der Indianer schwieg einen Augenblick, als überlege er, ob es ratsam sei, die Anwesenheit des berühmten Häuptlings einzuräumen. Augenscheinlich aber veranlasste ihn der Gedanke, dass die Kunde von Takannahs Gegenwart nur geeignet sein könne, die Besatzung des Forts mit Furcht und Schrecken zu erfüllen, zu einer bejahenden Antwort.

»Ist der Blitz nicht verborgen in der Gewitter­wolke?«, fragte er und deutete stolz zum Lager zurück. »Die Wolke ist heraufgezogen über die weißen Männer und der Blitz wird herausfahren und sie verbrennen.«

»Well! Das wird sich finden; jedenfalls muss der Blitz von unten nach oben fahren, wenn er Fort Wayne wegblasen will. Aber, um zur Sache zu kommen ich habe den Auftrag, Takannah, den Cherokee-Häuptling, zu einer Unterredung einzuladen mit Sir Josuah Samuel Murchinson, Major in der regulären Armee der Vereinigten Staaten und Kom­mandeur der Festung Wayne.«

Der Indianer ließ ein leises Hugh! vernehmen, in dem sich Überraschung, Misstrauen und Neugierde kundgab. »Was kann der weiße Bieber mit Takannah zu reden haben?«, sagte er, einige Schritte nähertretend, »will er die Friedenspfeife mit ihm rauchen und seinen großen Wigwam dort oben den Cherokee übergeben?«

»Dem Teufel will er euch übergeben!«, schrie Gloomy, erbost über diese schimpfliche Missdeutung seines diplomatischen Auftrages. »Wenn ihr den Major Murchinson den weißen Bieber nennt, so mögt Ihr wissen, dass er Zähne hat, um seinen Bau zu verteidigen!«

Der Indianer machte eine leichte verächtliche Be­wegung. »Bist du herausgekommen, um Watungos Ohren mit leerem Geschwätz anzufüllen?«, sagte er mit unnachahmlich vornehmer Nachlässigkeit, »oder sollen wir sehen, dass es in eurem Wigwam weiße Tücher gibt?«

»Das ist eine Parlamentärflagge, mein Bursche!«, replizierte Gloomy, dessen Mangel an diplomatischer Kaltblütigkeit seinem Auftrag ein gänzliches Scheitern verhieß, »und was den Gegenstand der Unter­redung betrifft, so ist dies weder meine noch eure Sache. Habt also die Gewogenheit, zurückzukehren und Takannah zu fragen, ob er binnen einer Stunde sich hier auf diesem Fleck einfinden will, allein und unbewaffnet, wie es gleichfalls geschehen wird von dem Kommandanten des Forts, um diesem Auskunft zu geben … über … Nun, damit Basta! Der Teufel soll mich holen, wenn ihr mich zum Plaudern bringt.«

Watungo schien die Gereiztheit des Lieutenants nicht im Geringsten zu bemerken. Er blickte eine Weile schweigend und nachdenklich vor sich hin, als suche er sich die Natur des ihm gewordenen Auftrages klarzumachen. »Takannah ist ein großer Häupt­ling!«, sagte er endlich, »er ist nicht hier, um die Friedenspfeife zu rauchen oder Geschwätz auszu­tauschen mit seinen Feinden. Er wird nicht kommen, wenn er nicht weiß, ob er gute Dinge hören soll.«

Gloomy, der inzwischen Zeit gehabt hatte, einzu­sehen, dass er keinen größeren Fehler begehen könne, als wenn er die würdevolle indianische Ruhe nicht auf gleiche Weise bewahre, tat ein paar Schritte gegen Watungo und sagte mit fester Stimme: »Ich habe mich meines Auftrags entledigt und bin fertig. Wenn Takannah sich fürchtet, mit einem unbewaffneten alten Mann zu reden, so ist er der Tapfere nicht, für den man ihn hält. Wenn er aber glaubt, dass man verräterische Anschläge beabsichtigt, so möge er bedenken, dass dort oben Soldaten, aber keine Meuchelmörder wohnen und dass es uns hinter diesen Wällen gleichgültig ist, ob einer oder zehntausend Takannahs vor denselben brüllen und Speere schwenken. List ist eure Waffe, die unsere eine gute Muskete und ein kräftiges Hurra! Und nun Gott befohlen, Herr Abgesandter!«

Damit drehte sich der Lieutenant auf dem Absatz um und machte Miene, zum Fort zurückzu­kehren, als Watungo rasch auf ihn zuschritt und mit gewisser Wärme sagte: »Der trotzige Falke soll nicht zurückkehren in sein Nest, ohne die Antwort Takannahs gehört zu haben; er möge warten.«

Und rasch trabte der Indianer zu seinen Gefährten hinab, die inzwischen langsam und nicht ohne besorgliche Blicke zu den Palisaden nähergekommen waren. Lieutenant Gloomy sah mit Befriedigung, dass der Kreis der Häuptlinge, welcher sich um den zurückkehrenden Watungo gebildet hatte, aufmerksam dessen Bericht anhörte; gleichwohl schien es, als sei man nicht besonders geneigt, auf den gemachten Vorschlag einzugehen, denn die Beratung dauerte lange, so lange, dass Gloomy bereits die Geduld zu verlieren begann. Umso größer war sein Vergnügen, als er plötzlich mitten aus der bewegten Gruppe einen Krieger von hohem Wuchs heraustreten sah, aufgeputzt mit all dem glänzenden Flitterkram von Federn, Glasperlen, Kupfer- und Silberplättchen, welche die Attribute der Häuptlingschaft bilden. Es unterlag keinem Zweifel, dass Takannah dem Antrag des Kommandanten Gehör gegeben und nun erschien, um zu vernehmen, was sein tapferer Gegner ihm zu sagen habe.

Lieutenant Gloomy säumte nicht, durch ein vorher verabredetes Zeichen mit der Parlamentärflagge die Ankunft Takannahs zum Fort zu signalisieren. Fünf Minuten später öffnete sich das Außenpförtchen und der Kommandant zeigte sich, gleich­falls prangend in seiner Galauniform mit goldenen Tressen auf den Schultern, funkelneue Litzen um die Knöpfe und Taschen seines dunkelblauen Leibrockes, unter welchem eine blendendweiße Weste in langen Schößen über die gleichfalls weißen Pantalons fiel, die in ein paar mächtigen Stulpenstiefeln mit klirren­den Sporen verschwanden. Den dreieckigen Hut trug der Major unter dem Arm, teils der Hitze wegen, teils um die aus der Hand seiner kunstgeübten Schwester hervorgegangene Frisur mit prächtigen Seitenlocken und glänzend schwarzem Haarzopf nicht zu beschädigen; kurz, er erwies dem Fürsten der Cherokee durch seinen, der strengsten Etikette entsprechenden Anzug nicht geringere Auszeichnung, als wäre derselbe der König von Frankreich oder der Prinz von Wales. Gloomy, der dem Major entgegen gegangen war, teilte ihm in kurzen Worten den Inhalt seines Gespräches mit Watungo mit und verschwand dann in der Festung, während Murchinson langsam den Hügel hinabschritt und auf demselben Punkt, wo die vorige Unterredung stattgefunden hatte, das Herannahen Takannahs erwartete.

Majestätisch schritt dieser heran – und als sich nun der berühmte, weit und breit gefürchtete Häuptling und der wackere Kommandant gegenüberstanden, betrachteten sich beide eine Weile schweigend und mit jenem tiefen Interesse, welches zwei tapfere Krieger aus entgegengesetzten Feldlagern stets aneinander zu neh­men pflegen. Takannahs Antlitz wies sich regungs­los und verschlossen, obwohl seine dunklen Augen fast unmerklich zwischen dem Major und der Festung umherwanderten, denn die Möglichkeit eines Verrates war keineswegs aus seinem argwöhnischen Geist ver­bannt. Wer in seinem Inneren hätte lesen können, würde eine gewisse Unruhe und Befangenheit entdeckt haben, die durch die Wahrnehmung, dass er sich im Bereich der Musketen des Forts befinde, um ein Beträchtliches vermehrt wurde. Gleichwohl veränderte sich keine Miene seines strengen Gesichtes und er er­griff die dargebotene Rechte des Kommandanten so unbefangen, als stände er in der Mitte seiner Krieger.

»Ich bin erfreut, dass der große Häuptling der Cherokee sein Ohr meiner Einladung nicht verschlossen hat!«, begann Murchinson die Unterredung. »Zwei tapfere Krieger können sich nicht sehen, ohne Vergnügen zu empfinden, selbst wenn sie unter ver­schiedenen Fahnen kämpfen.«

»Takannah kennt die Taten des weißen Biebers!«, versetzte der Häuptling im tiefen Guttural­ton, »der weiße Bieber hat viele rohe Schädel­häute in seinem Wigwam.«

»Nun, das könnte ich just nicht sagen, obwohl ich nicht leugnen will, dass manche Rothaut mir für ihre Erlösung aus dieser trübseligen Welt verpflichtet ist. Sitte und Art der Kriegführung sind bei ver­schiedenen Völkern verschieden, aber Tapferkeit und Ehre gelten überall gleich viel. Dass Ihr meinem Wort vertraut und diese Zusammenkunft bewilligt habt, erhöht meine Wertschätzung für Euch mehr, als Ihr wohl glauben mögt.«

Takannah schien dieser Berufung auf sein Ver­trauen allerdings nicht den Wert beizulegen, den der gute Major darin fand. Die Nähe des Forts, seine blinkenden Bajonnette und die schwarze Mündung des Geschützes über dem Eingang lagen wie ein Alp auf seiner Seele; mit einer leichten Kopfbewegung wendete er sich rückwärts und schien einigermaßen beruhigt, als er einen zahlreichen Trupp Indianer, die sich von dem Hauptkorps getrennt hatten, in einer Entfernung er­blickte, die wenigstens die Möglichkeit schleunigen Entrinnens für den Fall darbot, dass von dem Fort aus feindselige Bewegungen gemacht würden.

»Die Sonne geht rasch am Himmel hinunter«, begann Takannah nach einer kurzen Pause mit einer gewissen Ungeduld in Blick und Betonung. »Takannah weiß noch immer nicht, was der weiße Bieber ihm zu sagen hat.«

» Ganz recht!«, versetzte Murchinson rasch, »kommen wir von den Präliminarien auf die Haupt­sache. Meine Absicht bei dieser Zusammenkunft war, Euch einen Handel oder vielmehr die Auslösung einer Gefangenen vorzuschlagen. Es befindet sich ein wei­ßes Mädchen aus Georgia in Eurer Gewalt. Was verlangt Ihr für deren Freilassung?«

Wenn Murchinson die Absicht gehabt hatte, durch sein rasches unmittelbares Vorgehen den Häuptling gleichsam zu überrumpeln und alle Ausflüchte abzuschneiden, so gelang ihm dies vollkommen.

Takannah blickte ver­blüfft und vollständig außer Fassung dem Frager ins Gesicht, dessen Auge mit Falkenblicken auf ihm ruhte, und sagte stockend und fast unbewusst: »Der böse Geist hat das Mädchen aus unserer Mitte genommen. Takannah ist betrübt, dass er sie nicht in den Wigwam ihres Vaters zurückbringen konnte, wie der alte Mann ihm aufgetragen. Wer wird ihm jetzt die Karabiner und das Pulver geben, das ihm versprochen war?”

»Also ist die Sache doch wahr? Förmlich ver­kauft hat der Schurke das arme Kind, seines eigenen Sohnes Weib!«, rief der Kommandant mit einer Mischung von Triumph über seinen Scharfsinn und bitteren Unwillen über die Abscheulichkeit des Verbrechens. Sagt mir, Takannah, wo ist diese Edista? Was verlangt Ihr für ihre Freilassung? Ihr sollt zehnfach verdienen, was der schlechte Bösewicht für ihre Entführung versprochen hat. Ich will …«

Zu spät merkte der Kommandant, dass er sich, hingerissen von seinem Eifer, bereits wieder um alle Vorteile gebracht, welche ihm die erste Bestürzung Takannahs verschafft hatte. Die Züge desselben zeig­ten sich aufs Neue wie versteinert. Während er im Inneren überlegte, ob er das ihm entschlüpfte Bekenntnis der Entführung Edistas durch einfaches Ab­brechen der Unterredung oder durch keckes Leugnen ungeschehen machen solle, war er fest entschlossen, den alten Morris um keinen Preis zu kompromittieren, um nicht jeder Aussicht auf die versprochene Belohnung, die ihm sicherer dünkte als die Verheißungen des Ma­jors, verlustig zu gehen. Überdies wusste er sehr wohl, wie verderblich für Morris ein Eingeständnis des geschlossenen Traktates werden musste. Es entstand daher eine lange Pause, während welcher auch der Major seine Gedanken sammelte und die Mittel zur Erreichung eines günstigen Resultates in Überlegung zog.

»Nun, Takannah«, begann er endlich und legte in seine Stimme so viel Mildes und Einschmeichelndes, wie ihm nur möglich war, wollt Ihr nicht das Lösegeld für Eure Gefangene bestimmen? Ich bin kein Knauser, auch fällt es mir nicht ein, Euch den verübten Raub als ein Verbrechen zur Last zu legen, Eure Kriegsgebräuche gestatten Derartiges; andere Länder, andere Sitten!«

»Der weiße Bieber schreitet auf falscher Fährte!«, versetzte Takannah trocken, »er mag mit mir hinuntergehen und alle Wigwams durchsuchen, er wird nur Krieger finden und Lanzen und Pfeile. Wenn die roten Männer auf dem Kriegspfad wandeln, lassen sie ihre Squaws in den Dörfern zurück.«

»Aber du willst doch nicht leugnen, Mann, dass du die Frau des Richard Morris entführt hast? Wo du sie auch immer hingeschleppt haben magst, du kennst doch ihren Aufenthalt und kannst sie hierherbringen lassen? Du wärest nicht der brave Krieger, für den der Ruf dich ausgibt, wenn du den ab­scheulichen Verrat dieses Morris nicht durch die Frei­gebung des armen Opfers beschämtest.«

Der Major geriet wieder in Feuer, aber auch auf Takannahs düsterer Stirn stiegen Wolken auf.

Mit ungeduldigem Trotz rief er aus: »Meine Ohren sind müde von dem Geschwätz des weißen Häuptlings! Was kümmern mich die Leute, die er da nennt? Ich weiß nichts und kann nichts sagen. Es ist gut. Takannahs Platz ist unter seinen Kriegern.« »Halt!«, rief der Kommandant und hielt den Häuptling, der im Begriff war, die Unterredung abzubrechen, am Arm zurück. »Noch einen Augen­blick, wenn es beliebt. Du glaubst vielleicht, ich wisse nichts von dem schändlichen Handel mit Morris? Du willst mir einreden, der würdige Mann sei dir unbek­annt? Gut, schreiten wir denn zur Konfrontation, wie die Juristen sagen. Holla, da oben! Führt den Delinquenten heraus!«

Ehe Takannah Worte gefunden hatte für seinen Zorn, öffnete sich bei des Kommandanten Stentorruf, auf den man ohne Zweifel vorbereitet gewesen war, wiederum das Pförtchen in den Palisaden und heraus trat zwischen Lieutenant Gloomy und Korporal Jiggins der alte Morris, der sich augenscheinlich mit großem Missbehagen gezwungen sah, seinen Führern fast im Trab den Hügel hinabzufolgen, bis er dem höch­lich erstaunten Cherokeehäuptling gegenüberstand. David war trotz des raschen Ganges leichenblass und seine Blicke hafteten mit einem so unverkennbaren Ausdruck der Furcht und des Schreckens auf Takan­nah, dass der Kommandant, hätte er noch irgendeinen Zweifel an der Schuld des Angeklagten gehegt, durch sein Aussehen in diesem Moment überzeugt worden wäre. Takannah seinerseits wusste nicht, was er von dem plötzlichen Erscheinen seines Alliierten denken sollte, und da er ungewiss war, ob und wie weit derselbe seine Verbindung mit ihm eingestanden habe, hielt er es für das Beste, schweigend den Verlauf der Dinge abzuwarten und sich vorläufig zu stellen, als sehe er Morris zum ersten Mal. »Nun, Takannah!«, begann der Kommandant wieder mit zuversichtlicher Stimme, »hier steht der Mann dir gegenüber, den ich des Verrates an seinen eigenen Verwandten beschuldige. Ich könnte ihn auf die vorliegenden Indizien und nach den bestätigen­den Worten, die dir entfallen sind, ohne Weiteres an der ersten besten Palisade aufhängen lassen, wenn ich mich nicht scheute, den Gerichten dieses freien Landes vorzugreifen. Also noch einmal, wo ist Edista Morris?«

Takannah kreuzte mit herausforderndem Trotz die Arme und ein höhnisches Lächeln machte seine wilden Züge nur noch widerwärtiger. »Mein Ohr hat dieselbe Rede mehrmals gehört«, sagte er verächtlich, «es ist eingeschlafen bei dem Geplapper des Whip-poor-will.«

»Hüte dich, Takannah!«, fuhr der Major auf. »Ich weiß, du kennst diesen Mann und wenn du dein Zeugnis verweigerst, so …«

Der Häuptling bemerkte oder glaubte vielmehr, in den erregten Zügen des Majors ein Attentat auf seine persönliche Freiheit zu bemerken. Einem jener plötzlichen Instinkte des indianischen Charakters folgend, sprang er mit ein paar gewaltigen Sätzen, einem auf­geschreckten Hirsch gleich, zurück und riss einen blitzenden Tomahawk aus den Falten seines Wampumgür­tels. Zugleich blickte er sich nach seinen Gefährten um und sah mit großer Genugtuung, dass diese in­zwischen immer näher herangekommen waren und nun beim Blinken der geschwungenen Waffe in ein furcht­bares Geheul ausbrachen.

In diesem Augenblick, als Murchinson eben den Mund öffnete, um Takannah die Grundlosigkeit seiner Befürchtungen zu erklären, krachte ein Schuss, ein ein­zelner Schuss von den Palisaden herab! Erstaunt und im höchsten Grad erzürnt über diesen unverzeih­lichen Bruch des Waffenstillstandes, der von seinen eignen Leuten begangen schien, blickte der Kommandant zum Fort. Aber ein gellender Aufschrei Takannahs wendete bald seine Aufmerksamkeit auf diesen zurück. Der Häuptling ließ den Tomahawk fallen und presste seine Hand krampfhaft gegen den Hals. Sein Auge erweiterte sich schreckhaft und ein paarmal auf der Ferse herumwirbelnd stürzte er so plötzlich zu Boden, wie ein gefällter Baum, während ein dunkler Blutstrom aus seinem Mund floss.

Der Kommandant, Gloomy und Jiggins waren starr vor Schrecken über dieses abscheuliche Attentat; nur auf Davids Gesichte glänzte ein freudiges Lächeln, denn der Tod Takannahs, des einzigen Zeugen, den er fürchten zu müssen glaubte, war ihm die Bürgschaft seiner Rettung. Aber nicht lange durfte er sich diesem Gefühl hingeben, denn wie aus den geöffneten Tiefen der Hölle brauste nun das fürchterliche Wut- und Rachegeschrei der heranstürmenden Indianer, die, außer sich gebracht durch den Fall ihres großen Führers, in rasender Hast wie auf den Flügeln des Sturmwindes die Höhe herauf wogten. Der Kommandant, völlig gelähmt von Scham und Schreck, schien sich freiwillig zum Sühnopfer des Erschlagenen hinzugeben und weder die flehenden Bitten Gloomys noch die Anstrengungen des Korporals, der ihn mit Gewalt zu den Palisaden hinaufzuschieben suchte, vermochte ihn von der Stelle zu bringen.

»Rettet Euch, Freunde und lasst mich sterben!«, sagte der Major mit tonloser Stimme, »meine Ehre ist hin! Wie könnte ich diese Schmach über­leben?«

»Nichts von Schmach, Major!«, brüllte der Korporal und zeigte zum Fort. »Meint Ihr denn, dass einer der unseren den verfluchten Schuss ab­gefeuert hat? Da tanzt der Übeltäter auf dem Wall herum mit der noch rauchenden Büchse! Es ist der Hiwassee!«

Eine Zentnerlast fiel vom Herzen des Majors und er atmete auf wie ein Schlachtross, dem der Zügel gelöst wird. Aber schon waren die Feinde so nahe, dass ein Rückzug zum Fort unmöglich erschien. Die ganze Szene, deren Schilderung viel zu viel Worte und Zeit in Anspruch nahm, war das Werk eines Augenblickes gewesen und die nächste Minute hätte die kleine Schar dem Verderben überliefert, wenn nicht jetzt Fort Wayne sich kräftig und entschieden ins Mittel gelegt hatte. Aus der langen Reihe blitzender Gewehrmündungen, die sich über den Palisaden zeigte, entlud sich eine Kette züngelnder Blitze und wie der Donner des Himmels rollte eine krachende Salve durch die stille Luft. Das Kriegs­geschrei der Indianer verwandelte sich in jammernden Wehruf; zwanzig schlanke Gestalten stürzten getroffen zu Boden, die Übrigen stürzten im raschen Vordringen, aber von den Nachfolgenden gedrängt, ermannten sie sich zu einem neuen Anlauf, der ihnen dennoch die Skalpe der Weißen in die Hände gegeben hätte, da sie inzwischen schon zu nahe waren, als dass die Be­satzung, ohne die Bedrohten selbst zu gefährden, noch einmal hätte feuern können. Aber nun stürzten durch das Ausfallpförtchen, zum Teil über die Palisaden selbst herüberspringend, die wackeren Soldaten, zwar ohne Ordnung, aber mit gefälltem Bajonett und don­nerndem Hurrageschrei auf den Kampfplatz. Eine Wolke von Pfeilen und Wurfgeschossen empfing sie; aber dies war auch die letzte Anstrengung des Feindes, der sich in wilder Flucht dem Lager zuwendete. Nur ein kleines Häuflein von drei oder vier Kriegern bemühte sich standzuhalten, um wenigstens den Leich­nam des Häuptlings zu retten. Um den Komman­danten und seine Gefährten wütete einen Augenblick ein verzweifelter Kampf; Bajonette und Tomahawks krachten aneinander. Es war wie ein rasender Wir­belwind, aber auch ebenso kurz. Noch zwei blutende Körper stürzten über den entseelten Häuptling hin – dann war alles vorüber. Als der Major, der in dem wüsten Knäuel fast ohne Besinnung umhergeworfen worden war, endlich das Schlachtfeld über­schauen konnte, waren die Feinde bereits innerhalb des Lagers. Neben ihm stand Gloomy, die verhängnisvolle Parlamentärflagge um eine heftig blutende Arm­wunde bindend. Zu seinen Füßen aber wand sich im grässlichen Todeskampf David Morris, von einer Lanze durchbohrt und buchstäblich an den Boden genagelt – ein schuldvolles Opfer der rächenden Nemesis!