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Secret Service Band 1 – Kapitel 13

Francis Worcester Doughty
Secret Service No. 1
Old and Young King Brady Detectives
Black Band
Oder: Die zwei King Bradys gegen eine unnachgiebige Bande
Eine interessante Detektivgeschichte aus dem Jahr 1899, niedergeschrieben von einem New Yorker Detektive

Kapitel 13

Young King Brady narrt die gefährliche Bande

Young King Brady wartete nach dem Zertrümmern der Lampe nicht einen Augenblick.

Wie ein junger Bulle stürmte er auf die Tür zu.

In der Dunkelheit konnten die Verbrecher keinen von den anderen unterscheiden.

Wer sich ihm in den Weg stellte, den stieß der junge Detektiv zur Seite.

Jaynes Stimme dröhnte aus dem Durcheinander.

»Haltet die Türen geschlossen! Lasst ihn nicht entkommen. Zündet ein Licht an.«

Doch das war viel leichter gesagt als getan.

Alle waren verwirrt und aufgeregt. Keiner konnte die Türen finden.

Außer Young King Brady.

Er hatte eine exakte Richtung für die gegenüberliegende Tür ausgemacht und erreichte sie mit Leichtigkeit. Er ergriff die Klinke und drückte sie nieder.

Er fand sich in einem Durchgang wieder. Hinter ihm ertönte ein Gebrüll wie aus einer Höhle wilder Bestien.

Schon waren ihm Männer auf den Fersen. Alles war dunkel, er konnte nichts sehen, aber er rannte weiter.

Plötzlich prallte er gegen eine blanke Wand. Das hätte ihm beinahe zum Verhängnis werden können.

Denn er wurde halb bewusstlos niedergestreckt. Dennoch kam er wieder auf die Beine und lief weiter. Dann stolperte er eine Treppe hinauf.

Die Bande war nun dicht hinter ihm. Immer weiter ging er hinauf.

Treppe um Treppe erhob sich vor ihm. Er hörte das Rufen vieler Stimmen, und dann sah er Licht über sich. Es war der Himmel.

Im nächsten Moment, fast tot vor Erschöpfung, riss er das Dachfenster auf und stieg hindurch auf das Dach.

So weit er sehen konnte, erstreckten sich weitere Dächer. Er sprang auf das nächste und rannte weiter.

Doch seine Verfolger waren nun dicht hinter ihm. Jaynes Stimme war zu hören.

»Schießt auf ihn, Jungs!«

Der Knall einer Pistole ertönte.

Young King Brady war gerade im Begriff, auf das nächste Dach zu springen. Man sah, wie er die Arme hochwarf und verschwand.

Im nächsten Moment erreichte die Bande die Stelle.

Zwischen den beiden Dächern befand sich eine Öffnung. Tief darin, zwischen den beiden Ziegelwänden, sahen sie eine dunkle Gestalt.

»Jericho!«, rief Jayne. »Er ist erledigt, Jungs! Er wird niemals gefunden werden und er wird niemals lebend da herauskommen. Lasst ihn dort liegen, und wenn er noch lebt, lasst ihn langsam verhungern.«

Der Rest der Bande stimmte in den Chor der Zustimmung ein.

Doch in diesem Moment hob sich in der Ferne ein Dachfenster, und mehrere Blauröcke erschienen.

Der Pistolenschuss war gehört worden.

Die Beamten kamen, um nachzuforschen. Es gab keine Zeit zu verlieren.

»Schnell«, flüsterte Jayne, »zurück in den Bau, Jungs!«

Wie Schatten huschten sie davon.

Die Polizisten sahen sich um, sahen aber keine Anzeichen von Gefahr. So stiegen sie auf die Straße hinunter.

Aber was war mit Young King Brady? War er in den engen Raum zwischen den Gebäuden gestürzt und damit zu einem langwierigen und schrecklichen Tod verdammt?

Das wäre auch so gewesen, denn die beiden Gebäude waren an beiden Enden des Daches mit dem angrenzenden Gebäude verbunden. Daher wäre er niemals zu sehen gewesen, es sei denn, jemand wäre über die Dächer gegangen und hätte sich die Mühe gemacht, in die Dunkelheit hinunterzuschauen.

Es wäre eine furchtbare Todesfalle gewesen.

Aber das Schicksal war unserem jungen Detektiv gnädiger gesinnt als das. Bei der Gestalt, die die Verfolger in der Spalte sahen, handelte es sich nur um eine lange Rolle geteerter Dachpappe, die dort heruntergefallen war.

In dem schwachen Licht sah sie aus wie die Gestalt eines Mannes.

Aber es war nicht Young King Brady.

Der junge Detektiv lag in diesem Moment flach auf dem Gesicht, erschöpft und halb besinnungslos, hinter dem nächsten Schornstein, keine zwanzig Meter entfernt.

Die Kugel hatte ihn erwischt.

Sie hatte sein Schulterblatt gestreift und so starke Schmerzen verursacht, dass er ohnmächtig geworden war.

Aus diesem Grund und vor lauter Erschöpfung war er gezwungen gewesen, sich fallen zu lassen.

Dort lag er, wie er glaubte, in der Gnade seiner Feinde. Das wäre er auch gewesen, wenn sie gewusst hätten, dass er dort lag.

Er hörte alles, was sie sagten, und sah, wie sie sich entfernten, und wenn jemals ein inbrünstiges Dankgebet aus seiner Brust quoll, dann in diesem Moment.

Gerettet!

Nur wenige wissen, welch ungeheure Kraft in diesem Zauberwort liegt.

Nur diejenigen, die an der Schwelle des Todes gestanden haben und ihm dann entkommen sind, können das volle Gewicht seiner Bedeutung wirklich erkennen.

Allmählich kehrte die Kraft des Young King Brady zurück. Aber für diese Nacht hatte er genug Erfahrung gesammelt.

Er machte sich durch eines der vielen Oberlichter auf den Weg vom Dach hinunter. Dann suchte er sich ein unauffälliges Quartier auf der Ostseite.

Tagelang ging es ihm mit seiner Wunde sehr schlecht. Als er sich wieder herauswagte, hatte er einen neuen Plan für sein Vorgehen beschlossen.

Er wusste, dass seine Feinde ihn für tot hielten.

Er erkannte, dass es für ihn von großem Vorteil war, sie in diesem Glauben zu belassen. Also verkleidete er sich und gab sich nicht einmal Old King Brady zu erkennen.

Aber er machte einen Abstecher zu Dunes Taverne und fand das Lokal leer vor.

Es gelang ihm, eine Ahnung davon zu bekommen, was Old King Brady getrieben hatte. Er wusste, dass die Rückkehr von James Whittridge den Fall nicht gelöst werden konnte.

Die Black Band existierte noch immer.

Sie musste aufgespürt und vernichtet werden.

Außerdem bestätigte die Entführung der hübschen Janet Pell nur seine Überzeugung, dass Jayne und seine Kumpane noch nicht ihre letzte Karte ausgespielt hatten.

Er wusste, dass Old King Brady den Entführern auf der Spur war.

Also machte er sich sofort daran, in den Schatten des alten Detektivs zu treten, in der Hoffnung, ihm in einem kritischen Moment zu Diensten zu sein.

Wie die beiden Detektive sich wieder trafen und ihre Kräfte vereinigten, haben wir bereits erfahren.

Old King Brady hörte dieser spannenden Schilderung des jungen Detektivs mit Interesse zu.

»Perfekt«, sagte er warmherzig, »du hast dich als ganzer Kerl erwiesen. Du hast dich gut geschlagen.«

»Ich habe versucht, meinem Lehrer nachzueifern«, sagte Harry mit einem Lachen.

»Ich bin mir nicht sicher, aber du bist ihm überlegen. Ich hätte es sicher nicht besser machen können. Und du hattest Glück.«

»Größtenteils das.«

»Aber das ist noch nicht alles.«

»Nun, was sollen wir jetzt tun?«

Die Augen des Old King Brady funkelten.

»Wir haben sie an der Angel«, sagte er.

»Glaubst du das?«

»Ich weiß es!«

»Nun, ich hoffe, du hast recht.«

»Du wirst sehen, dass ich recht habe. Diese Bande ist am Ende ihrer Kräfte. Du weißt natürlich, was sie mit dem Mädchen vorhaben?«

»Sie nach Florida zu bringen.«

»Ja.«

»Dieser Jayne ist ein Schurke.«

»Nun, ja. Entweder du oder ich müssen am Donnerstag das Haus in Spuyten Duyvil besuchen.«

»Ja.«

»Sie werden sie am Donnerstagabend um zehn Uhr dort abholen. Sie wird mit einer Droge halb betäubt sein.«

»Ich verstehe.«

»Einer von uns muss das Taxi fahren.«

»Das Taxi fahren?«

»Ja!«

»Aber …«

»Da gibt es kein Aber. Ich habe es. Du nimmst die Spur der Schonerbande auf, und ich werde Jayne und Mansur verfolgen. Ich werde entweder in dem Taxi mitfahren oder es selbst fahren.«

»Alles klar!«

Mit diesen Worten gingen die beiden King Bradys zu Bett.

Man kann mit Sicherheit sagen, dass sie noch nie in ihrem Leben so gut geschlafen haben.

Ein oder zwei Tage lang war es ruhig um die beiden King Bradys. Sie taten wenig, außer die Black Band im Auge zu behalten.

Dann brach der Donnerstag an. Am frühen Morgen kam Old King Brady Jayne und Mansur auf die Spur.

Die beiden Schurken bestiegen einen Zug der Harlem Railroad nach Spuyten Duyvil.

Auf dem Platz hinter ihnen saß ein gut gelaunter Deutscher. Er machte den Eindruck, als sei er gerade erst in diesem Land angekommen.

Jayne und Mansur waren gut gelaunt.

»Ihr fandet das Mädchen also etwas gefügiger?«, fragte Mansur.

»Ja«, antwortete Jayne, »sie hat sogar versucht zu verhandeln, aber als ich die Summe von einer halben Million nannte, ist sie eingeknickt.«

»Sie würde dich wahrscheinlich eher heiraten, als auf die halbe Million zu verzichten«, sprach Mansur grob.

»Das ist egal, denn in beiden Fällen würde ich sie bekommen«, erklärte Jayne.

»Du bist ein Genie, Jayne!«

»Ich weiß es!«

»Du wirst den Prinzen von Wales noch als Geisel festhalten.«

»Ich muss Geld haben. Ich bin mit meinem geschätzten Onkel noch nicht fertig.«

»Ich habe gehört, er will dich sofort erschießen.«

Jayne lachte höhnisch.

»Er ist ein armer, schwacher alter Mann«, sagte er. »Ich hätte ihm schon längst das Gift verabreichen sollen.«

»Verdammt, hast du das nicht getan?«

»Nun, das Schlimme war, dass er sein ganzes Geld der Wohlfahrt vermacht hat und keinen Pfennig an mich.«

»Könntet ihr das Testament nicht vernichten?«

»Es ist im Besitz einer Anwaltskanzlei. Ich habe versucht, mich mit ihnen anzulegen, aber es ging nicht. Das Glück war gegen mich, aber ich schätze, das wird sich noch ändern.«

»Natürlich. Wenn du dich nur an das Gesetz halten würdest, würde es dir gut gehen.«

»Was meinst du?«

»Frauen! Mit Frauen hat man kein Glück. Sie sind der Grund für den Ruin eines Mannes, von Anfang bis Ende. Man kann sie nicht besiegen. Sie werden dich früher oder später in Schwierigkeiten bringen, trotz allem, was du tun kannst.«

Jayne lacht verächtlich.

»Ich werde dir zeigen, dass das eine Ausnahme ist«, sagte er.

Zu diesem Zeitpunkt hatte der Zug Spuyten Duyvil erreicht.

Der dicke Deutsche stürmte auf die Tür zu. Die beiden Schurke lachten, ebenso wie alle anderen im Waggon.

»Er kommt direkt vom Rhein«, sagte Muggie.

»Wenn ich wüsste, dass er einen Dollar hat, würden wir ihn dafür schnappen.«

»Ach was! Lasst ihn in Ruhe. Wir haben anderes zu tun.«

Sie stiegen aus dem Zug aus und näherten sich einem Taxi, das am Bahnsteig hielt.