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Joe Hill – Fireman

Joe Hill
Fireman

Thriller, Taschenbuch, Heyne Verlag, München, Mai 2017, 960 Seiten, 17,99 Euro, ISBN: 9783443318342. Nur noch antiquarisch oder als E-Book (13,99 Euro) sowie als ungekürztes Hörbuch als Download (39,95 Euro) erhältlich. Übersetzt aus dem Amerikanischen von Ronald Gutberlet.

Eine mysteriöse Seuche verbreitet sich immer weiter in den USA: Pilzsporen befallen menschliche Wirte und breiten sich in ihren Körpern aus. Äußerlich erkennt man die Infizierten an wie glitzernde Tätowierungen wirkenden Malen auf der Haut. Das Problem ist: Je weiter die Krankheit fortschreitet, desto eher steigt die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Erkranken in einer spontanen Selbstentzündung in Flammen aufgehen. Geschieht dies, setzt sich dies bei weiteren Erkrankten wie in einer Kettenreaktion fort – und ganze Städte und Landstriche gehen nach und nach in Flammen auf.

Mittendrin in diesem Chaos befindet sich die Krankenschwester Harper, die eines Tages nicht nur feststellt, dass sie von ihrem Mann, zu dem sie sich kaum noch hingezogen fühlt, schwanger ist, sondern sich auch bei ihrer Arbeit mit der Seuche namens Dragonscale infiziert hat. Ihr Mann Jakob, ein Möchtegern-Schriftsteller, verlässt sie daraufhin und radikalisiert sich, wie so viele andere, gegen die Erkrankten. Reinigungstrupps ziehen durch die Städte, um Kranke zu töten, die öffentliche Ordnung ist längst in weiten Teilen zusammengebrochen. Auf den Straßen herrschen Gewalt und Anarchie.

Doch die Infizierten finden auch immer wieder in Gruppen und Refugien zusammen. Harper wird von einem Engländer, den alle nur den Fireman nennen, zu einem ehemaligen Feriencamp gebracht, wo Infizierte zusammenleben und das Dragonscale in den Griff bekommen haben. Einige, wie der Fireman, können das Feuer in sich sogar nutzen – als Waffe und zur Verteidigung gegen die Reinigungstrupps, die stets nach ihnen suchen. Aber schnell muss Harper feststellen, dass sich Ressentiments und Machtstreben auch in dieser Gemeinschaft nicht aussperren lassen.

The Stand – reloaded?

Es ist schon ein wenig beklemmend, während der Coronapandemie diesen Endzeit-Thriller über eine weltweite Seuche zu lesen. Joe Hill, bekanntermaßen Sohn von Stephen King, wandelt auf den Spuren seines Vaters, der mit The Stand – Das letzte Gefecht bereits ein ähnliches Szenario in ebenfalls epischer Breite beschrieb. Im direkten Vergleich, so viel schon vorab, triumphiert der Ältere jedoch weit über den Jüngeren. Denn während King einen Gut-gegen-Böse-Roadtrip inszeniert, der seinesgleichen sucht, konzentriert sich Hill fast ausschließlich auf die Community der Infizierten und die internen Dynamiken dieser Gruppe.

Und das zehrt am überaus nötigen Lese-Sitzfleisch, das man braucht, will man sich durch den 960-Seiten-Klotz arbeiten. Hill entwirft die Welt, in der Dragonscale zum Problem wird, recht schnell und etabliert die Gruppe, in der Harper unterkommt, auf den ersten rund 200 Seiten. Bei dieser Gruppe und an ihrem Ort bleiben wir dann mehr als 500 Seiten lang, bevor die Welt, wiederum rund 200 Seiten vor dem Ende, mit einem Ortswechsel noch einmal erweitert wird. Das heißt, Fireman versucht seine gesamte Spannung fast ausschließlich aus den Problemen zwischen den Hauptfiguren zu ziehen, die neben dem Fireman und Harper noch aus etwa einem Dutzend Charakteren bestehen. Das Ensemble bleibt aber stets einigermaßen übersichtlich.

Ausufernd ohne Ziel und Richtung

Dennoch: 500 Seiten postapokalyptische Gruppendynamik, das ist jede Menge Holz, und Hill findet kein Maß im Etablieren von Handlungssträngen, von denen sich keiner so richtig als Hauptstrang herausbilden will. (Ähnliches ist auch der Zombie-Postapokalypse-Serie The Walking Dead zwischendurch immer wieder passiert.) Da geht es um Glaubensstrukturen, Ressourcenknappheit, Missgunst, Verzweiflung und natürlich auch Liebe, die ganze Bandbreite menschlicher Verhaltensweisen und Empfindungen. Das ist in der Beschreibung zwar durchaus gelungen, lässt allerdings nur mäßig Spannung aufkommen, und immer wieder muss Hill Situationen erfinden, die aus dem Camp der Infizierten herausführen, damit etwas Zug in die Geschichte kommt.

Man kann es nicht anders sagen: Fireman mutet zwar episch an, erzählt aber eine an sich recht überschaubare Geschichte, die viel zu aufgebläht ist, und von der sich die Leser in der Außenwirkung des Romans auch etwas ganz anderes versprechen: nämlich einen postapokalyptischen Abenteuerroman. Das erfüllt das Buch nur in Ansätzen. Es ist, wie gesagt, im Kern eine Durchleuchtung von Gruppendynamiken in Krisensituationen, wofür es im selben Genre bereits zahlreiche Variationen und Interpretationen gibt. Fireman fehlt dahingehend auch deutlich ein Alleinstellungsmerkmal.

Fazit: Der Roman gilt als Opus Magnum des Autors. Unterhaltsam ist er durchgehend, das kann man ihm nicht absprechen. Angesichts der zähen und zerfaserten Erzählstruktur und der mittelmäßigen Spannung sollte man diese Wertung allerdings vielleicht noch einmal überdenken.

(sv)