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Secret Service Band 1 – Kapitel 12

Francis Worcester Doughty
Secret Service No. 1
Old and Young King Brady Detectives
Black Band
Oder: Die zwei King Bradys gegen eine unnachgiebige Bande
Eine interessante Detektivgeschichte aus dem Jahr 1899, niedergeschrieben von einem New Yorker Detektive

Kapitel 12

Der Matrose und der Hafenarbeiter haben ein Gespräch

Beide Matrosen schreckten vor dem Eindringen des Matrosen auf.

Mansurs Hand griff nach seiner Pistolentasche.

Aber Jayne hielt ihn zurück.

»Was wollen Sie?«, fragte er und starrte Old King Brady an.

Der Pseudo-Matrose zog sein Hemd zurecht.

»Ich bitte um Verzeihung, Kumpels. Ich wusste nicht, dass diese Nische schon Insassen hat. Bleibt ruhig und entspannt, Jungs. Das ist ein Irrtum.«

Einen Moment lang starrten die beiden Ganoven Old King Brady forschend an.

Dann sagte Mansur: »Schon gut, Mel. Er ist nur ein Seemann.«

»Das soll ein Irrtum sein?«, zischte Jayne. »Nun, geh schon, du dreckiger Wicht, und belästige uns nicht wieder.«

»Das werde ich gerne tun, Maat«, sagte der Pseudo-Matrose und schlich sich in Richtung ein anderes Separee davon.

Er fummelte eine Weile an den Vorhängen herum und schaffte es dann, in die Nische zu schlüpfen, der neben der von Jayne und Mansur lag.

Eine zerstreut wirkende Frau kam, um ihn zu bedienen.

Er gab ihr den Dollar, den der Barbesitzer verlangt hatte.

Im Gegenzug brachte sie einen übel riechenden Eintopf aus Kohl, Cornedbeef und Zwiebeln. Es war ein Eintopf, der einem Hund den Magen umdrehen würde.

Aber der Detektiv tat so, als würde er zugreifen, obwohl kein Bissen seine Lippen passierte.

Genau in diesem Moment schwang die Tür des Lokals wieder auf und ein Mann trat ein.

Er war nicht so groß und kräftig wie Old King Brady.

Er war eine Art Hafenarbeiter mit geflecktem und gerötetem Gesicht und einem Schlapphut.

Er lümmelte sich an die Bar und verlangte einen Drink.

Old King Brady musterte ihn eingehend und kam dann zu dem Schluss: »Das ist nicht der Kerl, der mich beschattet hat. Das ist keine Verkleidung.«

Der alte Detektiv achtete nicht weiter auf den langen Mann am Straßenrand.

Er lauschte dem halb geflüsterten Gespräch zwischen Jayne und Mansur.

Er machte viel Arbeit mit Messer und Gabel und mit seinem Kiefer, aber sein Ohr war die ganze Zeit über dicht an die Trennwand gepresst.

Jedes Wort, das gesprochen wurde, drang zu ihm durch.

»Du glaubst, du kannst Ham vertrauen?«

»Natürlich kann ich das!«

»Ich sehe keinen Vorteil darin, das Mädchen nach Big Sandy Key zu bringen. Warum lassen Sie sie nicht im Haus in Spuyten Duyvil. Dort ist sie sicher!«

»Wir wissen nicht, wie lange es dauern wird, sie zur Vernunft zu bringen. Ich will sie zwingen, sich unseren Plänen anzuschließen. Im Haus von Spuyten Duyvil kann ich das nicht tun.«

»Ich verstehe!«

»Aber wenn ich sie weit weg von zu Hause auf eine einsame Insel bringe, wird sie die Vergeblichkeit weiterer Hoffnungen erkennen und das wird ihren Mut brechen.«

»Du bist ein Intrigant, Jayne.«

»Nun, vielleicht ist es so!«

»Wir müssen sie betäuben, um sie von Spuyten Duyvil herunterzubringen?«

»Setzt einen eurer Jungs in ein Taxi. Sie wird in einem Halbschlaf daherkommen.«

»Oh, ja, das ist einfach!«

»Also, ich denke, Donnerstag um neun Uhr ist die beste Zeit, um Spuyten Duyvil zu verlassen.«

»In Ordnung.«

»Lass Jerry oder Dick, oder wer auch immer es ist, langsam den Boulevard hinunter zur West Street fahren, in der Nähe des Pennsylvania Docks. Ich werde aufpassen und ein Boot für die anderen bereithalten.«

»Dann wird der Schoner wieder in den North River zurückkommen?«

»Ja, morgen.«

»Meinst du, der verflixte Seemann neben uns hat etwas gehört?«

»Ich werde mal nach ihm sehen.«

Mansur trat aus seinem Versteck und spähte durch die Vorhänge. Old King Brady war in sein Essen vertieft.

Mansur gab Jayne ein Zeichen, dass es in Ordnung sei, und beide Schurken standen auf und gingen zur Bar.

Old King Brady beobachtete sie durch die Vorhänge des Lokals.

Bald darauf gingen sie auf die Straße hinaus.

Der alte Detektiv folgte ihnen nicht.

Er schaute auf seine Uhr.

»Zwei Uhr«, murmelte er. »Ich werde etwas schlafen.«

Er quälte sich aus dem Sessel und ging auf die Tür zu.

Der Mann an der Bar in der Tracht eines Hafenarbeiters gab ihm ein kaum wahrnehmbares Zeichen.

Old King Brady zuckte zusammen, und sein Gesicht wurde einen Moment lang weiß. Aber das war alles.

Im nächsten Moment war er so kühl und gelassen wie immer.

Er öffnete die Tür und ging hinaus. Der Barkeeper war mit seinen Gläsern beschäftigt.

Der Hafenarbeiter folgte ihm. An einer dunklen Ecke stieß er auf den alten Detektiv, der an einer Backsteinmauer lehnte.

»Harry!«, keuchte Old King Brady.

»Es ist niemand anders«, antwortete der junge Detektiv.

»I … ich habe dich aufgegeben. Ich dachte, du wärst tot!«

»Na ja, ich habe mich ganz schön in die Nesseln gesetzt«, erwiderte der junge Detektiv, »und ich hätte dir die Wahrheit schon früher sagen sollen. Aber es war zu meinem Vorteil, im Dunkeln zu bleiben, und dann gab es keine gute Gelegenheit, dich zu sehen.«

Old King Brady war kein Mann, der zu Gefühlen neigte.

Aber wenn er jemals in seinem Leben froh war, einen anderen zu sehen, dann war es in diesem Augenblick, um Young King Brady zu sehen. Es schien ihm, als sei das Leben plötzlich wertvoller geworden.

»Bei Gott!«, rief er aus. »Ich bin froh, dass sie dich nicht fertig gemacht haben, Harry. Komm, lass uns irgendwo hingehen, wo wir darüber reden können.«

»Komm mit in unser Zimmer.«

»In Ordnung.«

Eine halbe Stunde später befanden sich die beiden Detektive in einem komfortablen Apartment im Norden der Stadt.

Dann erzählte Young King Brady seine Geschichte.

Am Ende des vorangegangenen Kapitels hatten wir ihn in einer ernsten Lage zurückgelassen.

Im Keller der Hester Street war er der Gnade menschlicher Wölfe ausgeliefert, und seine Hoffnungen auf ein Entkommen waren gering.

Dass die harte Bande ihm das Leben nehmen wollte, stand fest.

In ihren Augen gab es keinen Grund, ihn zu verschonen.

Tatsächlich gab es außer Old King Brady selbst niemanden, nach dessen Leben sie mehr dürsteten.

Der junge Detektiv gab sich selbst als verloren auf.

Vergeblich suchte er nach einer Möglichkeit zu entkommen.

Jayne und seine Mörderbande freuten sich geradezu hämisch über den Erfolg ihres Spiels.

Sie bildeten einen tiefen Kreis um den Raum. Young King Brady wurden Sticheleien und grobe Scherze entgegengeschleudert.

Er ertrug sie mit bemerkenswerter Gelassenheit.

»Nun gut«, dachte er. »Jetzt bist du dran. Meiner kommt vielleicht nie, aber wenn doch – gut und schön.«

»Ha, ha!«, brüllte die Bande. »Ein schlauer Detektiv ist er!«

»Wollte der Black Band beitreten!«

»Du bist ein Dandy!«

»Scharfsinniger Detektiv. »

»Was sollen wir mit ihm machen, Jungs?«, zeterte Jayne.

Als Antwort hob einer von ihnen eine Falle im Lehmboden auf. Ein tiefer Schacht kam zum Vorschein.

Auf seinem Grund sah man einen dunklen, trägen Schimmer von Wasser.

»Der große Abwasserkanal!«, dachte Young King Brady mit einem Frösteln.

Würden sie ihn dorthin werfen?

Der Schrecken des Gedankens trieb ihn fast dazu, um Gnade zu flehen.

Der Gedanke, in diese schreckliche Spüle der Verderbnis hinabzusteigen und tagelang, vielleicht für immer, in den Kanälen der städtischen Kanalisation zu treiben, war furchtbar.

Die Chance, dass er lebend herauskam, stand eins zu tausend.

Tödliche Gase lauerten dort, tödlich für das Leben. Krankheit und Tod waren in diesem furchtbaren Volumen enthalten.

Einen Moment lang sah der Unglückliche Jayne fragend an.

Der abgebrühte Schurke schien einen Moment lang geneigt, dem Plan zuzustimmen. Dann veränderte sich sein Gesicht.

»Nein«, sagte er entschlossen, »es ist zu schnell vorbei. Das Schicksal ist nicht hart genug. Wir müssen zusehen, wie er nach und nach stirbt.«

Young King Brady atmete erleichtert auf.

Er fürchtete nicht den Tod, sondern die Schrecken der Vorbereitung darauf in dieser schrecklichen Kanalisation.

Sein Kopf hob sich, und er blickte seine Feinde herausfordernd an.

Doch nicht einen Moment lang war sein Gehirn untätig, und er verlor auch nicht die geringste Möglichkeit zur Flucht aus den Augen.

Jayne zog ein scharfes Messer.

»Ich glaube, ich werde eine Ader öffnen und ihn langsam verbluten lassen«, sagte er.

»Es gibt ein noch besseres Spiel als das, Pard«, sagte einer aus der Bande namens Peso Pete. »Ich habe gesehen, wie die Mexikaner das unten im Apachenland machen. Nimm dein Messer und schneide Schlitze in seine Haut. Dreht ihn über die Messerklinge und häutet ihn wie einen Aal.«

Ein Aufschrei der Zustimmung ertönte.

Jaynes Augen blitzten teuflisch auf.

»Gut!«, knirschte er. »Nichts könnte besser sein als das. Ich bin ganz deiner Meinung. Zieh den Hund aus!«

Wie Hunde auf der Fährte ihrer Beute sprang die Bande vorwärts. Aber sie vergaßen, dass Young King Brady nicht bereit war, sich kampflos zu ergeben.

Der junge Detektiv täuschte Angst vor.

Aber in dem Moment, als der erste Gesetzlose in Reichweite kam, ließ er eine seiner geschickten Fäuste los.

Young King Brady war ein geschickter Boxer. Der Schlag traf den Kerl an der Spitze des Kiefers.

Er fiel um wie ein Toter.

Der Nächste ging zu Boden.

Ein Dritter flog unter den Stapel von Fässern. Ein Vierter machte einen Rückwärtssalto. Dadurch wurde der Angriff für einen Moment gestoppt.

» Großer Dämon!«, schrie Jayne. »Wozu seid ihr Kerle gut? Könnt ihr nicht mit einem kleinen Kerl wie ihm umgehen?«

»Komm und versuch es selbst«, knirschte Young King Brady. Aber falls der Schurke die Herausforderung hörte, beachtete er sie nicht.

Wieder stürzte sich die Bande auf den jungen Detektiv.

Doch in der Zwischenzeit hatte Young King Brady nachgedacht.

Da zeigte sich ihm ein sicherer Fluchtweg. Er ergriff ihn sofort.

Er maß sorgfältig die Entfernung zu der offenen Tür. Es war nicht die Tür, durch die er gekommen war, sondern die gegenüberliegende.

Dann packte er blitzschnell einen Hocker am Bein und schleuderte ihn gegen die Öllampe.

Mit einem Krachen schlug er gegen die Lampe, und sofort war alles dunkel.