Die Gespenster – Dritter Teil – 33. Erzählung
Die Gespenster
Kurze Erzählungen aus dem Reich der Wahrheit von Samuel Christoph Wagener
Allen guten Schwärmern, welchen es mit dem Bekämpfen und Ablegen beunruhigender Vorurteile in Absicht des Geisterwesens ernst ist, liebevoll gewidmet von dem Erzähler Friedrich Maurer aus dem Jahr 1798
Dritter Teil
Dreiunddreißigste Erzählung
Der Geisterkampf in Sandau
Ich war im Februar dieses Jahres mit den meinen verreist und hatte meine Wohnung in Sandau unterdessen der Wachsamkeit und Sorgfalt einiger treuen Dienstmädchen überlassen und anvertrauen müssen. In der Nacht vom 9. zum 10. Februar hörten die Mägde, die mit den Kindern unten im Erdgeschoss schliefen, auf dem Boden über sich ein erschreckliches Gepolter. Man horchte, zitterte und vernahm den Unfug des Polterers immer furchtbarer. Die Angst flüsterte ihnen zu, dass sie in dieser entsetzlichen Mitternachtsstunde entweder mit gewaltsam eingebrochenen Dieben oder mit Gespenstern unter einem Dache wohnen. Die Mehrheit stimmte für das Letztere und bald waren alle der Meinung, dass nur ein böser Geist so toben könne; denn Diebe, so schlossen sie ganz richtig, würden ja vielmehr Beruf finden, das Haus in aller Stille auszuräumen.
Niemand getraute sich aus den verriegelten Schlafgemächern hinaus, denn niemand wollte es mit dem Poltergeist aufnehmen. Indessen hatte man glücklicherweise den gesunden Einfall, ein Kind aus dem Fenster auf die Straße hinauszusetzen, und einem der treuen Nachbarsleute, den tapferen Schneidermeister Albrecht, wecken und hilfreich herbeirufen zu lassen. Ohne Verzug und ohne sich ängstlich zu bedenken, erschien dieser Held, mit einer verrosteten Degenklinge bewaffnet. In einer Hand dies Mordgewehr, in der anderen das Licht, begann er nun den sauren Gang zur Bodentreppe hinauf, indessen die Mägde, weniger beherzt, für das Leben des Schneidermeisters gutmütig zitterten und unten, in einiger Entfernung von der Treppe, harrten, welch einen Ausgang der kühne Kampf mit dem Fürsten der Hölle nehmen werde.
Meister Albrecht wetzte auf der Treppe seinen Degen und rief, um sich selbst noch über seine eigene Erwartung, beherzt zu machen, einmal über das andere: »Nun Teufel oder Geister, wer Ihr auch seid, ich komme schon, ich will euch schon fassen.«
Wirklich kam er auch schon, aber herzlich langsam erstieg er die Treppe. Endlich hatte er die letzte Stufe erreicht, und siehe, der leibhafte Teufel in Gestalt eines Ziegenbocks umfing seinen drohenden Gegner und fuhr, als ein Kind der Finsternis vom Licht geblendet, mit Meister Albrecht, über Kopf und Hals von der Treppe herab.
Der zitternden Hand entfiel der Degen, das Licht erlosch, ein höllischer Gestank erfüllte aller Nasen. Der arme Schneider lag hilflos zu Boden gestreckt. Die kreischenden Mädchen glaubten im kritischen Augenblick deutlich bemerkt zu haben, wie eine raue Bocksgestalt mit dem treuen Nachbarn wie im Flug von der Treppe herabfuhr. Sie suchten daher ihr Heil in der schleunigsten Flucht.
Endlich vernahm man das Siegesgeschrei: »Nun hab ich ihn! Nun hab ich ihn! Geschwind Hilfe und Licht!«
Das Licht gewährte den neugierigen Mädchen den frohen Anblick eines großen schwarzen Ziegenbocks, der einem Sandauer entlaufen und mit dem Schneider im Kampf begriffen war, und von diesem an den Hörnern so brav gehalten wurde, als ob gerechter Eifer ihm das Genick umdrehen wolle.
Der Bock war tags zuvor verstohlen ins Haus gekommen. Meister Albrecht, der, des lächerlichen Zweikampfs wegen, zwar viel bewitzelt wurde, dessen Entschlossenheit ihm aber in allem Ernst zur wahren Ehre gereicht, hatte glücklicherweise auf seiner Höllenfahrt keinen merklichen Schaden genommen.