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Sagen und alte Geschichten der Mark Brandenburg 5

Eine Hexenfahrt zu Walpurgis

Zu Wölbern-Abend (Walpurgis-Abend) ziehen die Hexen zum Blocksberg, indem sie auf Ziegen, Hähnen, Besen, Ofengabeln und dergleichen dorthin reiten. Diese Sachen nehmen sie, heißt es, wo sie dieselben finden und behexen finden. Das einzige Mittel, ihnen diese Ställe zu verschließen, ist, drei Kreuze mit Kreide an jede Stalltür zu zeichnen. Noch vor ungefähr 15 bis 20 Jahren konnte man fast auf jedem Gehöft am l. Mai morgens die Ställe so verwahrt finden, während die Ofenkrücken und dergleichen Gerätschaften vom Backofen, wo sie sonst frei zu liegen pflegen, entfernt und im Haus für diese Nacht verwahrt waren. Folgende zwei Geschichten erzählt man sich noch im Anschluss an die Walpurgisnacht.

Ein Schäfer besuchte am Abend vor der Walpurgisnacht seine Braut. Als er gegen l2 Uhr auf der Ofenbank wachend, jedoch mit geschlossenen Augen, lag, bemerkte er, dass seine Braut und Schwiegermutter, die ihm schon als Hexen verdächtig waren und wähnten, er schliefe, sich zur Reise zum Blocksberg rüsteten. Indem er sich weiter schlafend stellte, beobachtete er sie und bemerkte, dass beide sich die Gelenke mit einem Öl einrieben und dann mit dem Spruch

Up un davan
Un nenewegent an

zum Schornstein hinaus ins Freie fuhren. Sogleich war sein Entschluss gefasst, er wollte ihnen nach und erfahren, was sie weiter tun und treiben würden. Er tat also, wie er gesehen hatte: Er rieb sich mit dem Öl ein, welches die beiden hatten stehen lassen, und wollte nun mit demselben Spruch folgen, doch ach! Er hatte wohl nicht recht gehört, denn indem er sprach

Up un davan
Un allewegent an,

fuhr er zwar ebenfalls zum Schornstein hinaus, aber überall wurde er gegen geschleudert und kam endlich an Haupt und Gliedern ganz zerschlagen in der Hexenversammlung am Blocksberg an. Wenngleich man anfangs bei dem Erscheinen dieses Eindringlings ein wenig erschreckt war, einen Uneingeweihten unter sich zu wissen, so hatte man sich doch bald darin gefunden. Man gab ihm nämlich eine Klarinette, die er ja zu blasen verstand, und nun musste er Musik machen, recht lustig, und die Hexen tanzten nach Herzenslust bis kurz vor l Uhr. Dann kehrte jede schleunigst heim, wie sie gekommen war, um mit dem Schlag Eins an Ort und Stelle zu sein. Auch unser Schäfer war, wie er gekommen, jedoch die Klarinette fest in der Hand haltend, in seine Heimat zurückgekehrt. Als er aber dort angekommen war und sein Instrument näher betrachtete, war es ein toter Kater, auf dessen Schwanzspitze er geblasen hatte.

Ein anderes Mal wollte ein Knecht eine ähnliche Zusammenkunft der Hexen belauschen und hatte sich deshalb mit anderen Knechten auf dem Feld unter Eggen versteckt, die an dem Platz standen, denn unter solchen ist man vor den Hexen geschützt. Leider aber sah sein Rockzipfel hervor und somit hatten die Hexen Anteil an ihm, fassten ihn daran und entführten ihn hinweg in die Luft. Man hat nie wieder etwas von ihm gehört.