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Das Buch vom Rübezahl – Teil 17

Das Buch vom Rübezahl
Neu erzählt von H. Kletke
Breslau, 1852

18. Wie Rübezahl das Vertrauen belohnt

1. Einst reisten zwei Gesellen über das Gebirge, die eines Reisepfennigs sehr benötigt waren, ohne den sie nicht weiterzukommen wussten. Trübselig so dahin ziehend, sahen sie eine prächtige Karosse vorüberfahren, die von etlichen Pagen begleitet war. Sie schlossen daraus, dass ein vor­nehmer Herr darin sitze, der wohl für ihre Armut ein paar Pfennige im Beutel übrig habe, eilten hinzu und baten um einen Reisepfennig, dessen sie jetzo höchst bedürftig seien.

Als sie dies Begehren demütig vorgebracht hatten, sprang ein vornehmer Herr aus dem Wagen, schnitt mit seinem Messer aus dem in der Nähe befind­lichen Gebüsch zwei Stöcke ab und überreichte ihnen dieselben mit den Worten: Damit sollten sie für diesmal vorliebnehmen; sie würden sich daran schon erholen und wieder auf die Beine kommen.

Die Gesellen nahmen die Stöcke und bedankten sich höflich, denn sie getrauten sich nicht, das Geschenk eines so vornehmen Herrn zurückzuweisen.

Hierauf stieg Rübezahl wieder in den Wagen und fuhr eilends davon.

Die beiden Wanderer humpelten langsam ihres Weges und schwatzten von ihren Stöcken und dem vornehmen Herrn, bis endlich einer von ihnen ganz verdrießlich zu dem andern sagte: »Ei was soll mir der Stock! Ein solcher Herr hätte uns was Besseres verehren sollen als ein Stück Holz, was ich mir selbst abschneiden konnte.« Damit warf er geringschätzig den Stock von sich.

Sein Gefährte tadelte ihn deshalb. »Ich wenig­stens«, entgegnete er, »will den meinen behalten. Wer weiß denn, wozu er gut ist. Und wenn ich ihn auch nur zum Andenken aufbewahre, damit ich sagen kann, dass ihn ein vornehmer Herr mir selbst abgeschnitten und in die Hand gegeben hat.«

Unter solchen Reden kamen sie endlich über das Gebirge und gingen in die nächstgelegene Her­berge. Als der Geselle nun, welcher seinen Stab behalten hatte, diesen betrachtete, siehe, da hatte sich der schlechte Stock in lauter gediegenes Gold verwandelt.

Wie das der andere sah, sprach er: »Halbpart, Bruder!«

Aber jener entgegnete: »Nein , Bruder! Warum hast du deinen Stock hochmütig weggeworfen?«

Da lief der Bursche, was er konnte, und gedachte seinen Stock wieder­zufinden, aber nach langem Suchen musste er leer und trübselig zu seinem Gefährten zurückkehren.

2. So reisten auch einmal drei Schmiedegesellen über das Gebirge. Wie sie oben auf dem Rücken waren und ihres Weges fortgingen, bemerken sie auf der Erde bald Groschen, bald Dukaten, bald andere Geldstücke vor sich liegen. So oft sie aber danach griffen, bekamen sie nichts als einen Scherben oder sonst ein rundes flaches Steinchen in die Finger.

Darüber wurden zwei der Gesellen verdrießlich. Ohne sich ferner noch zu bücken, gingen sie mit Fleiß an solchem Blend­werk vorüber. Nur der Dritte, so oft seine Augen ein Geldstück wahrnahmen, griff ohne Unterlass danach und steckte es zu sich, bis er end­lich die Taschen ganz voll hatte und sich wegen des unnützen Gerölls von seinen Gefährten verspotten lassen musste.

Als sie nun abends in die Herberge kamen, hießen sie ihn lachend den Schatz aufweisen, den er unterwegs gesammelt habe. Unver­drossen zog er ein Steinchen nachdem anderen hervor, gerade wie er sie eingesteckt hatte. Zuletzt aber fanden sich statt der Steine auch eine Menge Goldstücke, die seine Mühe reichlich belohnten. Darüber war seinen Mitgesellen alle Lachlust vergangen und hätte sich jeder um solchen Preis gern verspotten lassen wollen.