Es lebe James Bond 007: Der Spion, den wir lieben
Eric Zerm
Es lebe James Bond 007: Der Spion, den wir lieben
Sachbuch, Taschenbuch, in Farbe und Bunt Verlag, Osdorf, November 2021, 344 Seiten, 14,80 €, ISBN: 9783959361989
Sach- und Fach-, selbst Lachbücher zum Thema James Bond findet man wie Sand am Meer. Was ironisch anstimmt, in Anbetracht der ungezählten Schwarzmaler und Besserwisser, die – nicht bloß gefühlt – dem wohl berühmtesten britischen Geheimagenten respektive dem wohl berühmtesten Geheimagenten überhaupt dem endgültigen Garaus prophezeiten; ja danach lechzten und sich ihr Hassobjekt stets von Neuem als lebendiger denn je herausstellte. Zuletzt in Form des 25., des Jubiläumsfilms der offiziellen Reihe, Keine Zeit zu sterben, der trotz ungezählter Verschiebungen und einer Pandemie beachtliche 774,1 Millionen Dollar Einnahmen für sich verbuchen konnte und so manch bedeutend jüngere Konkurrenz in die Schranken verwies. Oscarnominierungen und -ehrung (für den besten Titelsong) und das 2022 stattfindende 60. Jubiläum der Filmserie außen vor gelassen.
Mehr als ein triftiger Grund also für ein (weiteres) Buch respektive Nachschlagewerk, das dem Mikrokosmos Bond auf den Zahn fühlt. Und gerade in Anbetracht des aktuellen Films und der diversen Jubiläen ist die aktualisierte Neuauflage eines solchen Werkes durchaus legitim und sinnvoll. Denn, und dies muss man fairerweise vorausschicken, es ist nicht die erste Fassung von Es lebe James Bond. Bereits vor 7 Jahren (wo ist die Zeit geblieben?), zum Start des vorangegangen Bond-Films, Spectre, schickte Eric Zerm quasi die Urfassung des Buches ins Rennen, deren überarbeitete Reinkarnation nun eine sogar noch punktgenauere Landung hinlegt. Oder etwa doch eine Bruchlandung?
Wie erwähnt, ist die schiere Anzahl der Fachprosa zum Thema 007 Legion. Von den Autos über die Cocktails, die Drehorte, die Filme selbst, hin zu Bonds Persönlichkeitsprofil und seinem Vater, dem Autor Ian Fleming. Einzelne Themenbereiche, die Es lebe James Bond nicht nur anzureißen, sondern glaubwürdig und nachvollziehbar für Alt und Jung auszuführen hat. Kein leichtes Unterfangen.
Doch damit nicht genug. Die Herkulesaufgabe besteht bei solch einem Kompendium wohl darin, sich vom literarischen Geleit abzukoppeln; einen unverbrauchten Ansatz zu finden, ohne dabei die Attribute einer staubtrockenen Dissertation zu besitzen.
Gottlob hat Eric Zerm einen solchen Ansatz ausgemacht; sogar mehrere davon. So stellt Zerm, nicht ausschließlich zum Zweck des Durchatmens zwischen den Kapiteln, die Suche, ja gewissermaßen die Odyssee eines Reporters nach dem wahren James Bond dar; sozusagen nach dem Urschleim, dem der Doppelnullagent entstiegen ist. Augenzwinkernd wie gleichermaßen bisweilen leicht melancholisch und so ziemlich jedes Klischee und Reales wie Irrsinniges aufgreifend. Parallel dazu versucht auch die Gegenseite, alles über 007 in Erfahrung zu bekommen. Beide Ansätze tun nicht nur dem Buch gut, sondern sind ferner hervorragende Einführungen in bestimmte Kapitel und Themen.
Wie erwähnt, durfte, ja musste sich Zerm an einer Themenbreite abarbeiten, die so bombastisch ist wie die legendären Sets von Ken Adam, der unter anderem das Fort Knox in Goldfinger (1964) oder das gigantische Tankerfilmset für Der Spion, der mich liebte (1977) konzeptionierte. Das man dabei leicht die Übersicht verlieren kann, dürfte kaum verwundern. Umso bewundernswerter daher die mit reichlich Verve begleitete Sorgsamkeit des Autors, der stets die Zügel in den Händen behält. Von dem allgemeinen Phänomen James Bond ausgehend, dröselt Zerm dessen Historie auf, die selbstredend bei dessen Erfinder Ian Fleming und dessen Parallelen zu der eigenen Schöpfung beginnt, die Romane und Kurzgeschichten ins Visier nimmt (mitsamt eines Sprunges in die Zukunft respektive neuere Gegenwart, zu den komplett neu übersetzten und bei Cross Cult aufgelegten Büchern), bevor sich das Gros des Buches der Filmreihe zuwendet, deren Entstehung bereits filmreif anmutet. Von den 1960ern mit dem ersten (und für viele nach wie vor besten) Darsteller Sean Connery, der während dieser Zeit stattfindenden globalen Bondmania und weiter zu den Nachfolgern George Lazenby, Roger Moore, Timothy Dalton, Pierce Brosnan und abschließend Daniel Craig. Dabei ist es nicht nur faszinierend mitzuverfolgen, wie der Zeitgeist Bond veränderte (und umgekehrt), sondern auch, wie die jeweiligen Darsteller den Charakter interpretierten; wie dicht oder weit entfernt sie von Flemings Vision waren. Alles mitsamt einem Füllhorn von Anekdoten, die selbst dem einen oder anderen hartgesottenen Fan neu sein könnten. Dabei vergisst Zerm auch nicht all jene, ohne die der cineastische Bond möglicherweise gar nicht erst möglich gewesen wäre: die Stuntmänner und -frauen, die Drehbuchautoren, eben so ziemlich alles und jeden, das hinter den Kameras abläuft. Dass Zerm überdies Daniel Craigs unverwechselbare Synchronstimme, Dietmar Wunder (der auch den John Sinclair in den gleichnamigen Hörspielen spricht) mit einem eigenen Kapitel respektive einem ausführlichen Interview bedenkt, gibt zusätzliche Sympathiepunkte. Wie auch ein Blick auf das Bond-Fandom, das zwar bei Weitem nicht so ausgeprägt ist wie etwa bei Marvel oder Star Wars, aber nicht weniger engagiert ist – wenn nicht sogar noch mehr.
Fazit? Wer sich im deutschsprachigen Raum für den Mythos James Bond interessiert, für den führt an Es lebe James Bond kaum ein Weg vorbei. Eric Zerms detailliertes und minutiös recherchiertes Werk ist wohl das Standardwerk in Sachen 007 – auch für den Fan, der das meiste bereits aus anderen Quellen kennen sollte. Denn zwischen den Zeilen macht Zerm deutlich, was der vermeintliche Supermann Bond auch ist: generationenübergreifende Unterhaltung und ein Produkt, dass die Macher seit jeher mit Leidenschaft, Respekt und geradezu familiärem Zusammenhalt stets von neuem erfinden, ohne Anbiederungen an die breite Masse und dafür den entsprechenden Gegenwert der treuen Anhängerschaft erhalten – die ihrerseits selbst, und auch das macht das Buch klar, eine einzige gewaltige Familie ist.
Chapeau!
(tsch)