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Bunte Bilder waren sein Leben

Bunte Bilder waren sein Leben

Wer ein Fan von Comics ist und die europäische Szene realistisch betrachtet, kommt nicht umhin einzugestehen, dass Comics in Italien und Spanien und vor allen Dingen in Frankreich und Belgien einen ganz anderen Stellenwert besitzen als hierzulande.

Internationalen Größen wie Hermann mit seinem Lebenswerk Comanche und Jean Giraud mit der Lieutenant Blueberry Saga sowie Hergé, Peyo, Goscinny und Uderzo (ich sage nur Asterix und Lucky Luke) oder Moebius, um nur einige zu nennen, sind Namen, die aus der Szene nicht mehr wegzudenken sind.

Aber aufgepasst, Freunde!

Das soll nicht heißen, dass Deutschland eine Comicwüste ist. Im Gegenteil! Seit hierzulande Graf Franz von Pocci 1845 die Serie Der Staatshämorrhoidarius schuf, gibt es Comics Made in Germany. Berühmte Zeitgenossen wie Erich Ohser aka e. o. plauen oder im weitesten Sinne auch ein gewisser Herr Wilhelm Busch folgten.

Aber dann kam der Krieg, und was dann folgte, war Stillstand.

Deutschland wurde zum Comic-Niemandsland, bis Ende der fünfziger bis Anfang der sechziger Jahre Männer wie Rolf Kauka, Gustav Lübbe und Walter Lehning auf der Bildfläche erschienen und geniale Künstler wie Hans-Rudi Wäscher wieder die Tuschpinsel schwangen.

Hierzu möchte ich anmerken, dass diese Aufzählung keinesfalls vollständig ist und die oben genannten Namen für alle anderen stehen, um den Umfang dieser Kolumne nicht zu sprengen.

Doch kommen wir zum eigentlichen Thema dieses Artikels.

Einen Name dürfen wir bei der ganzen Sache nicht vergessen, denn der Mann, der hinter diesem Namen stand, war jahrzehntelang eine feste Größe, wenn nicht sogar der Pionier der deutschen Comiclandschaft.

 

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Peter Wiechmann wurde am 29. Oktober 1939 in Bunzlau, Schlesien geboren. Mit einem Vater, der Chefredakteur der Kreiszeitung war, und einer Mutter dort als Redakteurin, war ihm sein Faible für alles, was mit Lesen und Schreiben zu tun hatte, bereits mit der Geburt in die Wiege gelegt. 1945 floh seine Familie mit ihm nach Eschwege, dem Geburtsort seiner Mutter.

Hier wuchs er auf, hier begann er eine Ausbildung als Schriftsetzer.

Dann rief ihn die Bundeswehr und bevor er sich versah, wurde er noch während der Grundausbildung in die Redaktion des auflagenstarken Wochenmagazins des Wehrbereichs III versetzt. Damit schien sein weiterer Weg vorgezeichnet und tatsächlich avancierte er nach seiner Bundeswehrzeit gleich zum Verantwortlichen einer Hauszeitung und danach zum PR-Mann für Dänemarks Molkereiindustrie als Werbefachmann für Butter, Eier und Käse des nördlichen Landes. Anschließend führte ihn das Schicksal zum freien Mitarbeiter für Zeitungen und Fachmagazine und schließlich 1964 nach Grünwald vor die Tore Münchens in die Arme von Rolf Kauka.

Nach nicht einmal einem Jahr kündigte er aber schon wieder, weil Kauka ihm gegenüber eine zugesagte und versprochene Gehaltserhöhung von 100 D-Mark nicht einhielt.

Doch schon zwei Jahre später holte man ihn zurück und damit begann sein kometenhafter Aufstieg und der des Kauka Verlages.

Als er kam, waren die Fix und Foxi-Hefte das einzig erwähnenswerte Comicerzeugnis des Verlages, als er 1974 ging, nachdem das Kauka-Imperium von den Holländern und Engländern übernommen wurde, gab es rund 20 verschiedene Serien, die nach und nach von den neuen Geschäftsinhabern eingestampft wurden.

Bis dahin aber wurde Peter Wiechmann zu dem, was er bis heute bleibt, zum Pionier der deutschen Comicszene. Er war in dieser Zeit als Produzent, Konzeptionist, Szenarist, Texter, Zeichner, Redaktionsdirektor und Geschäftsführer praktisch der Kauka Verlag in Person.

Er war es auch, der die Comicserien Asterix und Die Schlümpfe nach Deutschland brachte. Er zeichnete, textete, betreute und produzierte so viele Serien, dass wir ihnen ein eigenes Kapitel widmen, um sie alle aufzählen zu können.

 

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Er betreute die Comicmagazine Lupo, später in Lupo modern umbenannt, die es auf 116 Ausgaben brachten, dann das Magazin Pepito mit 84 Ausgaben und einer Auflage von immerhin wöchentlich 600.000 Exemplaren, sowie Primo, das Gegenstück zu Zack, und die Albenreihe Action Comic.

Später trat er dann als Autor, Szenerist und manchmal auch Zeichner in Primo bei folgenden Serien in Erscheinung:

Kuma, eine realistische Dschungelserie nach einer Idee und Zeichnungen von Rafael Mendez, mit dem er noch viele Projekte veröffentlichte. Wiechmann wollte bewusst keinen weiteren Ableger a la Tarzan, Tibor oder Akim und erschuf mit Mendez, der es aufgrund seiner Erfahrungen in spanischen Zeichenstudios geradezu zu einer Meisterschaft in der Darstellung von Tieren gebracht hatte, einen jugendhaften, blonden und sehr schlanken, manche würden schlaksig, ja dürr sagen, Jungen, der mit seinem Begleiter Sharim dem Wolf als Vermittler zwischen den Eingeborenen und den wilden Tieren realistische Dschungelabenteuer erlebte.

Furor Teutonicus von Josep Marti und Peter Wiechmann war dann eine 12teilige Funny Serie, praktisch Asterix und Obelix als Teutonen.

Die Piratenserie Captain Terror ist eine alleinige Schöpfung von Peter Wiechmann, bei dessen Debütgeschichte er auch als Szenarist fungierte.

Die Serie handelt von den Abenteuer des Kapitäns Javier Aguirre, dem jüngsten Kommandanten der spanischen Handelsflotte, der den Befehl des Katalonischen Gouverneurs Carlos Fernando verweigerte, ein Kriegsschiff zu kommandieren. Fernando ließ Aguirres Handelsschiff daraufhin von seiner Kriegsmarine unter Beschuss nehmen, worauf das Schiff mit Mann und Maus und Aguirres Frau Juanita im Meer versank. Aguirre selbst und der Schiffsjunge Chico waren die einzigen Überlebenden und scharten daraufhin eine verwegene Mannschaft um sich, um Terror in Katalonien zu verbreiten und sich an Gouverneur Fernando zu rächen.

Mit dem Schwertkämpfer Samurai, Pistolero Guy, Richtkanonier Black Powder, Muskelmann Turco, Karatemeister Yogi, Steinschleuder-Spezialist Ramirez, dem Steuermann Tartar, Ratgeber Fuchs und der Piratenbraut Cuchillo stellte Wiechmann dem Titelhelden eine Crew zur Seite, deren starke und ausgeprägte Charaktere für damalige Zeiten mehr als sehr ungewöhnlich waren.

Viva la Revolution war wieder eine Funny Serie, wo sich in einem imaginären mittelamerikanischen Staat der Diktator Don da Capo und der Revoluzzer Carlos Caramba ständig in den Haaren liegen. Nach dem Wechsel von Primo zu Zack wurde die Serie dann in San Tomato umbenannt.

Über die Endzeit-Fantasy Serie Andrax nach einer Idee von Peter Wiechmann muss wohl kein weiteres Wort verloren werden. Nur so viel, die Serie war auch kurz bei Zack zu Gast, erschien in Italien, Portugal, Spanien und Norwegen und wurde sogar in den USA veröffentlicht.

Von 2007 bis 2009 wurden alle 19 Abenteuer in fünf Großbänden bei Cross Cult noch einmal in einer Liebhaberedition veröffentlicht, die inzwischen größtenteils beim Verlag ausverkauft ist.

Andrax ist auch die Serie, die Jahre später die Macher des Basteiverlages inspirierte, Maddrax ins Leben zu rufen.

Doch damit nicht genug, mit den Zeichnern Romero, seinem alten Weggefährten Mendez, Blasco und Longaron hob er noch vier weitere Serien für Primo aus der Taufe, als da wären:

Manila, eine realistisch gezeichnete Serie über den rasenden Starreporter des Tribune, der überall auf der Welt die tollsten Abenteuer erlebt.

Odinson, eine sehr realistisch gezeichnete Abenteuerserie um einen Wikingerprinzen.

Billy Press, die realistisch gezeichnete Serie über die Abenteuer eines New Yorker Zeitungsjungen.

Canada Crew, konzipiert von Wiechmann, in der drei Biologiestudenten des letzten Semesters zusammen mit ihrem Professor und dessen Hund in den Weiten von Kanada Abenteuer erleben, in denen Wiechmann schon damals Dinge wie Umweltprobleme und Rassendiskriminierung aufzeigte. Aber das war noch längst nicht alles.

 

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1974 hob er zusammen mit Erwin Frick und Manfred Linke das wohl heute noch bekannte Sparkassenmagazin KNAX aus der Taufe.

Anschließend erschuf er mit Josep Gual, Rafael Mendez und Josep Marti für das Yps Magazin, das wahrscheinlich nicht nur wegen der sogenannten beiliegenden Gimmicks noch viele kennen, weitere neue Serien mit weiteren neuen Helden.

Mister Melone, Bens Bande, Gries Gram und Grimm dürften wohl eher unbekannt sein, während Thomas der Trommler und die Westernserie Hombre inzwischen Kultstatus erreicht haben. Für die neuen Besitzer des Kauka Verlages produzierte er noch die Serien Die 7 Schnuckel, Tom und Biber und Mischa, bei der es sich bei Ersterer um die kindgerechten Abenteuer von sieben kleinen Kobolden handelten, während sich die anderen mit den Themen Wilder Westen und SciFi an eher Kinder der vierten bis sechsten Schulklasse wandten.

Ab 1981 dann produzierte er in seinem Kreativstudio COMICON in München seine eigenen Serien Dietrich von Bern und Tex und Mex Scalphunters, die es sogar zu einer Veröffentlichung im renommierten belgischen Kultcomicmagazin Spirou brachten.

Ein letztes Projekt, Os Cangaceiros, über Brasiliens Wilden Westen blieb unvollendet, da sein kreativster Zeichner, der auch gleichzeitig jahrelanger Weggefährte und guter Freund war, plötzlich in Depressionen verfiel, mit dem Zeichnen aufhörte und Mitte der 80er Jahre plötzlich verstarb.

Wiechmann ging daraufhin mit seiner Firma COMICON nach Barcelona und produzierte dort noch 23 Jahre lang Comics, kreative Spiele und Werbung, bis er schließlich 2007 ins bayrische Pöcking am Starnberger See zurückkam.

Zweieinhalb Monate nach seinem 80. Geburtstag verstarb Peter Wiechmann am 11. Januar 2020 völlig überraschend.

Jeder, der ihn kannte, ist sich sicher, dass in seinem Kopf garantiert für nochmal 80 Jahre Ideen herumschwirrten.

Quellenhinweis:

(gsch)