Nick Carter – Arizona-Jack als Detektiv – Kapitel 2
Nick Carter
Amerikas größter Detektiv
Arizona-Jack als Detektiv
Ein Detektivroman
Nick Carter trifft Arizona-Jack
Die drei Detektive waren die Columbus Avenue erst einige Blocks weit entlanggegangen und wollten soeben eine der Seitenstraßen kreuzen, als sie aus der Hintertür der gerade gegenüberliegenden Eckwirtschaft einen Mann, der verschiedene blutende Verletzungen an Kopf und Nacken erlitten hatten, heraustaumeln und der Länge nach auf den Bürgersteig stürzen sahen.
Im Saloon selbst schien es drunter und drüber zu gehen.
Ohne zu zögern, eilten sie über die Straße und in die Wirtschaft. Dort war eine wüste Rauferei im Gange. Ihr Blick fiel auf einen wie rasend mit einem langen Dolchmesser herumfuchtelnden Mann, dem hart von zwei ebenfalls messerbewaffneten Kerlen zugesetzt wurde. Die den Saloon füllende Menge, weit davon entfernt, dem wüsten Handgemenge ein Ende zu bereiten, schien großen Gefallen daran zu finden und feuerte die Kämpfenden durch laute Zurufe an.
Die Barkeeper dagegen hatten den Schanktisch erklettert und schrien aus Leibeskräften den Streithähnen zu, Frieden zu halten.
Mit einem Blick hatte Nick Carter die Sachlage überschaut. Er sprang auf den Bedrängten zu und schleuderte ihn beiseite, während Chick und Patsy je einen der Rowdys packten.
»Was soll das heißen? Was ist hier los?«, schrie der Detektiv, den Lärm mit seiner mächtigen Stimme übertönend.
Die Barkeeper kletterten wieder vom Schanktisch. »Wir wissen es nicht!«, brummte einer von ihnen. »Das kam ganz plötzlich!«
Inzwischen war der von Nick zu Boden Geschleuderte wieder auf die Füße gekommen und brüllte: »Donnerwetter, warum mischt ihr euch in meine Privatangelegenheiten, Mann, he?«
Damit machte er auch schon einen wütenden Ausfall gegen Nick, der ihm den Rücken bekehrt hatte, um die Barkeeper weiter zu befragen.
Zweifellos hätte der vor Wut Unzurechnungsfähige sein Messer dem Detektiv in den Rücken gestoßen, wären nicht die inzwischen mit ihren Männern fertig gewordenen beiden Gehilfen ihrem Meister beigesprungen. Mit wuchtigem Griff suchte Chick dem Rasenden, der über ganz außerordentliche Körperkräfte verfügte, die gefährliche Waffe zu entwinden. Wohl musste dieser das Messer zu Boden fallen lassen, doch mit der Wut eines angeschossenen Ebers stürzte er sich nun auf seinen neuen Bedränger.
Blitzschnell hatte Patsy das Messer vom Boden aufgerafft. »Sieh dich vor, Chick«, schrie er dem Angegriffenen warnend zu. »Der Kerl will dir in die Augen greifen!«
Doch Chick hatte bereits die Absicht seines Gegners, den die Wut zu einer rasenden Bestie machte, durchschaut. Schnell schützte er sein Gesicht, umschlang den Mann mit seinen starken Armen, presste ihn trotz seiner Abwehr wie ein hilfloses Kind an sich und bekam ihn bei der Gurgel zu packen. Dann würgte er den Raufbold, bis derselbe dunkelrot im Gesicht geworden war, und warf ihn so heftig zu Boden, dass er selbst mit zu Fall kam.
Das alles geschah mit einem derartigen Kraftaufwand, dass selbst Nick, der die Bärenstärke seines Gehilfen wohl kannte, in hohem Grade erstaunt war.
Die beiden anderen Kerle, die durch den Eintritt der Detektivs von ihrem Gegner zurückgedrängt worden waren, wendeten sich nun gegen Nick und hätten ihn sicherlich angefallen, wenn nicht in diesem Moment plötzlich einer der den Saloon füllenden Bummler gerufen hätte: »Seid ihr denn verrückt, ihr Esel … Wollt ihr es mit Nick Carter und seinen Leuten zu tun kriegen?«
Die Wirkung dieser Worte war in der Tat eine zauberhafte. Die beiden Messerhelden stutzten, starrten sich verstört an und wendeten sich darauf, um so schnell wie möglich durch die hintere Ausgangstür der Wirtschaft auf die Straße zu entfliehen.
Kaum waren sie verschwunden, so betrat ein Policeman in Begleitung des an Kopf und Hals blutenden Mannes, dessen plötzliches Auftauchen die Detektive überhaupt zum Betreten des Saloons veranlasst hatte, den Kampfplatz. Als der Beamte Nick, den er persönlich kannte, wahrnahm, bat er diesen, die Bewachung des von ihm Geführten so lange zu übernehmen, bis er selbst vom nächsten Straßenmelder aus eine Ambulanz herbeigerufen hätte.
Inzwischen hatte Chick sich in der Meinung, seinen Gegner endgültig überwältigt zu haben, von den Knien erhoben. Doch der von ihm Bezwungene gehörte zu jener Sorte Raufbolde, die niemals wissen, wann sie genug Prügel bekommen haben. Mit der Zärtlichkeit eines Kampfstieres erhob er sich ebenfalls und wollte ohne Weiteres wieder auf Chick eindringen.
Sicherlich hätte auch Letzterer sich abermals zur Wehr gesetzt, wenn nicht Nick Carter nun den Kampfhahn mit unwiderstehlicher Gewalt vorn bei der Brust gepackt und ihm einen Stoß versetzt hätte, der den Burschen sich überschlagen ließ.
Jeder andere wäre nun zufrieden gewesen; nicht aber der seltsame Kauz, welcher anscheinend gar nicht genug bekommen konnte. Wie ein angeschossener Eber kam er wieder hoch und ging geradewegs auf den Detektiv los. Doch dieser fing ihn mit der Faust ab, packte ihn vorn beim Rock und schüttelte ihn von Neuem, dass dem Mann Hören und Sehen verging.
»Ist es nun genug?«, rief er mit Donnerstimme. »Oder soll ich Handschellen anlegen?«
Sein Gegner schnappte nach Luft. »Wie … was?«, brachte er mit einem unglaublich verblüfften Gesicht hervor, das ringsum stürmische Heiterkeit erregte. »Seid ihr Detektive?«
»Selbstverständlich!«, lautete Nicks nicht gerade verbindlich gegebene Antwort.
»Verfl…!«, stöhnte der Mann. »Ich dachte, ihr gehört zu den Strolchen!«
Keuchend wendete er sich nach der Bar. »Noch einmal eingeschenkt … und dann geht es weiter!«
»Nicht eher, als bis Sie uns über den Vorfall aufgeklärt haben!«, forderte Nick.
Der Mann starrte ihn grimmig an.
»Kehrt vor der eigenen Tür!«, entgegnete der knurrig. »Was gehen euch meine Händel an? Kümmert euch ums eigene Geschäft!«
»Das tue ich gerade, wenn ich Sie ausfrage«, versetzte Nick, der inzwischen den Fremden näher betrachtet hatte und nun eine leichte Überraschung kaum zu verbergen vermochte. »Jedenfalls werden Sie mich nicht verlassen, ehe Sie mir den ganzen Sachverhalt auseinandergesetzt haben!«
Der andere griff rasch in die hintere Beinkleidertasche. »Hört mal, Pard«, knurrte er, »ich gehöre zu den Hunden, die beißen, wenn man sie reizt. Gebt mir mein Messer zurück!«, rief er dann wütend, seine Hand leer aus der Tasche hervorziehend, in der er anscheinend das Gewünschte nicht gefunden hatte. »Das geht über die Hutschnur … in jenem anderen Hundeloch verlor ich meinen Schlagring, und nun ist auch das Messer futsch … Caramba!«
Nick lachte. »Das Messer bleibt, wo es ist, Arizona-Jack!«, versetzte er bedeutsam.
Da fuhr der Mann blitzschnell herum, starrte den Detektiv verblüfft an und rief: »Zum Henker, wer seid Ihr, Pard … Woher wisst Ihr meinen Spitznamen?«
»Well, ich bin Nick Carter, und ich machte Euch schon früher einmal zahm, Kamerad.«
Arizona-Jack riss die Augen weit auf und starrte den Sprecher verwundert an. Dann brach er plötzlich in ein wildes, lautes Lachen aus. »Alle Wetter!«, rief der dröhnend. »Ich will verdammt sein, wenn Ihr nicht der kleine Schrecken seid!«
Nick Carter nickte hierzu nur belustigt. Nun wendete Jack sich lärmend an die Anwesenden. »Da betrachtet euch den Mann dort«, schrie er. »Für Geld sollte er sich sehen lassen. Er ist der einzige lebendig Gebliebene, der mich in einem Kampf mit Revolvern zum Zweitbesten gemacht hat … und das geschah in Deadwood City!«
»Dort steht noch ein anderer, der vorhin den Boden mit dir aufgewischt hat!«, höhnte einer der herumstehenden Wirtshausbrüder und nickte dabei vielsagend in der Richtung nach Chick hin.
»Was?«, schrie der Mann aus Arizona wütend. »Der Kerl hat nicht mal Haare unter der Nase!«
»Aber mehr Kräfte in einer Hand als Ihr in beiden Armen, Arizona-Jack«, beschwichtigte Nick. »Kommt, seid friedlich, Mann, sonst macht Chick dort aus Euch eine Kindsleiche.« Er nahm den noch immer aufgebracht Knurrenden beim Arm. »Sagt mir lieber, was sich hier zugetragen hat!«
»Well, da gibt es nicht viel zu sagen«, stieß Jack unwirsch hervor. »Mit einer Rolle Dollarscheine in der Tasche wollte ich mal die New Yorker Bier-, Wein- und Schnapsverhältnisse studieren. Allerdings eine verdammt schwierige Sache hier in dieser Ansiedlung … wo die Jammerkerle keinen ordentlichen Stiefel vertragen können … Well, da fand ich zwei Kerle, die sich mir als sachverständiger Führer anboten, und so kamen wir auch hierher. Wir waren gerade dabei, darüber zu beraten, ob es sich lohnte, hier länger zu bleiben, als sich plötzlich so ein Loafer dazwischen mischte und den beiden anderen eine niederträchtig langweilige Geschichte von ein paar anderen Kerlen erzählte, die ein Mädel, hinter dem sie her waren, nicht erwischt hatten. Well, ich sagte den Kerlen in aller Höflichkeit, sie wären ein paar feige Kojoten, weil sie ein Frauenzimmer jagten, und wollte zahlen. Da greift so ein Desperado nach meiner Rolle Banknoten … und dann ging das Vergnügen natürlich los … Erst ließ ich den Kerl dort zur Ader, und dann hätte ich Hackfleisch aus den beiden anderen Trauerklößen gemacht, wäret Ihr nicht sehr zur Unzeit dazwischengekommen. Das ist alles.«
Die Ankunft eines Ambulanzarztes unterbrach die Auseinandersetzungen Arizona-Jacks. Nach der Erklärung des Arztes, der sofort an Ort und Stelle die Wunden verband, waren diese ohne weitere Bedeutung, und es bedurfte keiner Überführung ins Hospital. Dennoch schien der Policeman geneigt, den Mann aus dem Wilden Westen zu verhaften.
Indessen brachte ihn Nick durch seinen Hinweis davon ab, dass man Arizona-Jack höchstens beschuldigen könnte, sich gegen einen heimtückischen Überfall verteidigt zu haben. »Lasst Euch an dem einen Gefangenen genügen«, setzte er mit einem Blick auf den Verbundenen hinzu. »Besser wäre es noch, man könnte die beiden Durchbrenner in Nummer sicher bringen, denn diese scheinen mir sehr verdächtig mit einem heute Abend gegen eine junge, angesehene Lady verübten Entführungsversuch in Verbindung zu stehen.«
Von einem plötzlichen Gedanken erfasst, wendete sich der Detektiv an den Verwundeten und suchte diesen auszufragen; doch er erhielt nur eine magere Auskunft. Nach der Versicherung des Mannes kannte er die beiden Verdächtigen wenig und war nur durch puren Zufall mit einem von ihnen in einem Saloon zusammengetroffen. Dort hatte sie der Mann aus Arizona angesprochen und sie, wie dieser vorhin erzählte, zu einer Bierreise aufgefordert, was sie sich nicht zweimal hatten sagen lassen. Immerhin wusste der Mann anzugeben, dass beide Männer einer berüchtigten Bande angehörten und entschieden selbst sehr gefährliche Burschen seien, mit denen er nur ungern verkehrte. Was die vereitelte Entführung anbelangte, so wollte der Verwundete nur vom Hörensagen davon wissen, genauso wie Arizona-Jack, der das nämliche Gespräch mit angehört habe. Immerhin glaubte der Mann behaupten zu können, dass beide Kerle im Auftrag eines reichen Mannes gehandelt und die Weisung erhalten hätten, die Entführte nach einem ihm nicht bekannten Hause in Fordham Heights zu bringen. Mehr war beim besten Willen nicht aus ihm herauszubringen. Er schien auch offenbar nicht mehr zu wissen. Wiederholt beteuerte er schließlich, Arizona-Jack nicht berauben haben zu wollen. Nur im Scherz habe er nach dessen Geldrolle gegriffen, doch das habe der Präriemann gewaltig übel genommen und sofort nach dem Messer gegriffen.
Das half dem Verwundeten jedoch wenig; er wurde in das Stationshaus abgeführt.
Auch Nick Carter verließ mit seinen beiden Gehilfen den Saloon, nachdem er Arizona-Jack zuvor noch auf die Gefahren des äußerst heißen New Yorker Pflasters aufmerksam gemacht und ihm Vorsicht in der Auswahl seiner Bekannten dringend angeraten hatte.
»Die arme Ida wird schön warten!«, rief der Detektiv draußen auf der Straße. »Patsy, eile nach Hause und sage Ida, sie soll einstweilen nur zum Opernhaus vorangehen. Ich lasse mich jetzt schleunigst rasieren und folge dann prompt nach.«
»Was ist denn dieser Arizona-Jack für eine wunderliche Menschensorte?«, wollte Chick wissen, als Patsy sich eilfertig entfernt hatte. »Der Kerl ist ja ganz rabiat.«
»Er ist, was man im Wilden Westen einen Desperado nennt«, erläuterte der Detektiv, während sie Arm in Arm die Straße hinaufwanderten. »Er ist ein Glücksspieler, der bei der geringsten Veranlassung zur Waffe greift – sieht man davon ab, dass er gelegentlich das Kartenglück korrigiert, also mogelt, und ferner verd… schnell mit dem Schießeisen bei der Hand ist, so ist er eigentlich ein ganz patenter Kerl und weder Beutelaufschneider noch Straßenräuber.«
Bald darauf hatten sie den Barbierladen erreicht, und Nick ließ sich nunmehr rasieren. Als sie das Geschäft wieder verließen, meinte er nachdenklich zu seinem Gehilfen: »Weißt du, Chick, ich habe mir die Geschichte nochmals überlegt. Die Aussagen des Verwundeten, so dürftig sie auch sind, erscheinen doch wichtiger, als ich zuerst vermutete. Sie decken sich mit meiner ursprünglichen Annahme, wonach die Entführung als bestellte Arbeit eines sich hinter den Kulissen haltenden Dritten erscheint. Davon müssen wir Mr. Armory sofort in Kenntnis setzen. Vielleicht kann er uns auch einige Andeutungen über den Unbekannten geben.«
Bald darauf standen sie in dem elegant eingerichteten Wohnhaus des Bankiers an der 77th Street Mr. Armory gegenüber. Dieser lauschte gespannt den Eröffnungen des Detektivs, um dann kopfschüttelnd zu äußern: »Ich kann mir gar nicht vorstellen, wer diese ganz unglaubliche Geschichte angestiftet haben soll. Meine Tochter ist noch sehr jung, dabei äußerst häuslich und verkehrt nur wenig in Gesellschaft. Halten Sie es meinem Vaterstolz zugute, wenn ich sage, dass trotzdem ihr Liebreiz ihr Verehrer schon in Scharen zugeführt hat. Aber darunter ist keiner, der tieferen Eindruck auf sie gemacht hätte oder gar ihr nähergetreten wäre.« Nach kurzem Zögern fuhr der alte Herr unschlüssig fort: »Unter ihren Anbetern befindet sich allerdings einer, der außerordentliche Beharrlichkeit zeigt. Doch gerade seine Bewerbung missfiel meiner Tochter so gründlich, dass ich mich veranlasst sah, dem jungen Mann in aller Deutlichkeit zu verstehen zu geben, wie seine Annäherung entschieden unerwünscht sei. Doch verstehen Sie mich richtig«, setzte er nachdrücklich hinzu, »der Betreffende ist über jeden Verdacht erhaben, selbst wenn er sich den indirekt erhaltenen Korb zu Herzen genommen haben sollte. Er ist ein Geschäftsfreund von mir und als Kaufmann durchaus einwandfrei und ehrenwert … Sein Privatleben soll zu wünschen übriglassen, hm, das gehört aber nicht hierher.«
»Das wollen wir nicht so bestimmt behaupten, Mr. Armory«, betonte Nick ernst. »Ich wiederhole, mir schien es vom ersten Augenblick an wahrscheinlich, dass die Attentäter lediglich bezahlte Werkzeuge im Dienst eines Dritten sind. Trifft diese Annahme nicht zu, so bleibt nur die Möglichkeit übrig, dass Ihre Tochter entführt werden sollte, um von Ihnen ein hohes Lösegeld zu erpressen. Da möchte ich Sie unter uns fragen: Sind Sie so reich und ist Ihr Wohlstand derart im Mund der Leute, dass Ihnen Fernstehende ein derartiges Verbrechen, das mit Zuchthausstrafe geahndet wird, in der Hoffnung auf pekuniären Gewinn planen können?«
Der Bankier schüttelte mit dem Kopf. »Nein, Mr. Carter«, versetzte er. »Im selben Häuserviertel leben Männer, die zehnmal reicher sind und ebenso hübsche Töchter haben wie ich.«
»Könne uns Miss Armory nicht vielleicht selbst einen Anhaltspunkt geben?«, warf Chick ein.
»Well, ich will zusehen«, erklärte der Bankier. »Meine Tochter ist allerdings durch die schwere Erkrankung ihrer Lieblingsfreundin in niedergedrückter Gemütsstimmung und der Vorfall von heute Abend hat diese begreiflicherweise nicht gebessert. Doch ich will sie fragen, ob sie sich wohl genug fühlt, um Ihrem Wunsche zu entsprechen.« Damit verließ er das Zimmer.
Schon die Minute darauf kehrte er in Begleitung eines bildhübschen, kaum neunzehnjährigen Mädchens, dessen Wesen auf große, nervöse Erregtheit schließen ließ, zurück.
»Es ist so, wie ich sagte«, eröffnete der Bankier nach der üblichen Vorstellung, »meine Tochter fühlt sich recht angegriffen, wünscht aber den wackeren Männern, die sich ihrer in ihrer Bedrängnis so ritterlich angenommen haben, mit jeder ihr nur möglichen Auskunft zu Diensten zu stehen.«
Miss Armory war schon auf die beiden Detektive zugetreten und dankte ihnen so bewegt unter hervorquellenden Tränen, dass Nick begütigend sagte: »Ich bitte Sie, Miss Armory, Sie sind uns keinen Dank schuldig, wir erfüllten nur unsere Berufspflicht und würden ebenso jeder anderen jungen Lady behilflich gewesen sein.«
»Well, Miss Armory«, sagte Nick, einen sachlichen Ton anschlagend, »gewisse Anzeichen lassen darauf schließen, dass Sie durch bezahlte Helfershelfer auf die Veranlassung eines Dritten hin entführt werden sollten. Haben Sie nun Beziehungen zu einem Mann oder kennen Sie wenigstens einen solchen, dem sie ein derartiges Bubenstück zuzutrauen vermöchten?«
Das Mädchen schaute ihn schüchtern an. »Ich … ich möchte … ich wage kaum, meinem … meinem Argwohn Ausdruck zu verleihen«, hauchte sie.
»Warum das?«, fragte Nick Carter erstaunt.
»Weil … weil es sich doch nur im einen … einen unbestimmten Verdacht handelt.« Sie wendete sich in steigender Befangenheit an ihren Vater. »Ich wagte dir noch nichts davon zu sagen, Papa«, meinte sie niedergeschlagen, »weil ich wusste, du würdest dich deswegen aufregen. Doch in Mrs. Emmets Haus traf ich heute Abend mit Mr. Macklyn zusammen.«
Betroffen starrte der Bankier sie an.
»Was?«, ereiferte er sich. »Bat dich Mrs. Emmet nicht ausdrücklich durch eine Depesche, sie ungesäumt zu besuchen?«
»Ja, Papa, es handelte sich um den bevorstehenden Wohltätigkeitsbasar.«
»Willst du nun behaupten, dass Mrs. Emmet dich nur einlud, damit du mit Mr. Macklyn zusammentreffen solltest?«, fragte ihr Vater scharf weiter.
»Darüber bin ich mir selbst nicht klar«, entgegnete das Mädchen zaghaft. »Ich weiß nur, dass er dort war, als ich kam … und er muss auch um mein Kommen gewusst haben.«
»Wer ist diese Mrs. Emmet?«, erkundigte sich der Detektiv interessiert.
»Sie ist eine sehr vertraute Freundin meiner Mutter und eng verbunden mit allen wohltätigen Veranstaltungen der Kirche, die auch wir besuchen«, entgegnete das Mädchen schüchtern.
»Hat sie nähere Beziehungen zu diesem Mr. Macklyn?«
»Er ist der Cousin ihres Gatten.«
Kurz entschlossen wendete sich Nick nun an den Bankier.
»Well, Mr. Armory«, sagte er rasch. »Ist der Genannte mit dem vorhin von Ihnen erwähnten Geschäftsfreund identisch?« Als der Bankier bestätigend nickte, fuhr er fort: »Dieses Zusammentreffen mit Mr. Macklyn ist für sie anscheinend sehr peinlich gewesen, nicht wahr, Miss Armory?«
»Allerdings. Doch Mr. Macklyn empfahl sich zu meiner Erleichterung sofort nach meinem Kommen.«
»Und auf dem Nachhauseweg von Mrs. Emmets Haus wurden Sie überfallen, Miss Armory?«
Das Mädchen nickte.
»Ist Mr. Macklyn der einzige Mann, den Sie einer solchen Schlechtigkeit fähig halten?«, fragte noch der Detektiv, und als das Mädchen kaum vernehmbar diese Frage bejaht hatte, erhob er sich Abschied nehmend und sagte: »Well, ich möchte Miss Armory zur äußersten Vorsicht mahnen, denn was geschehen ist, mag sich leicht wieder ereignen.«
Als die beiden Detektive das Haus verließen, gewahrten sie einen Mann, der sich im Schatten des Hauses verborgen gehalten hatte und nun schleunigst quer über die Straße lief, um hinter dem gegenüberliegenden Museumsgebäude zu verschwinden.
»Schnell, Chick!«, raunte der Detektiv. »Wir müssen herausfinden, wer der Mann ist!«
»Das ist ja eine großartige Vergnügungsnacht!«, brummte sein Gehilfe, indem er bereits in gleichem Schritt mit dem Detektiv vorwärts eilte.