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Fünf bewehrte und wahrhafte Hexen- und Gespenstergeschichten …

Fünf bewehrte und wahrhafte Hexen- und Gespenstergeschichten,
die sich unlängst zugetragen haben.
Zur Bestätigung der letzteren Hexengeschichte von Ingolstadt
Herausgegeben und dem P. Sterzinger dediziert von einer Wahrheit liebenden Feder
München, zu finden bei Johann Repomuck Fritz, Buchhändler nächst dem schönen Turm, ca. 1770

Hochwürdigster Hexentilger!

Sie haben ein besonders Recht auf diese wenigen Blätter und deswegen sollen Sie auch Ihnen dediziert sein. Sie haben den Hexenkrieg in Bayern angefangen; Sie haben ihn bisher mit gutem Glück geführt. Sie haben manche Bataille gewonnen, wie Sie aber bei dem letzten Haupttreffen in Ingolstadt zurechtkommen werden, dies müssen wir noch erwarten. Die Karte liegt noch auf dem Tisch und das Spiel ist noch lange nicht gewonnen. Die Hexenverteidiger stehen noch auf dem Schlachtfeld. Sie haben ihre Kuriere in verschiedene Gegenden von Bayern ausgesandt und Viktoria blasen lassen. Wie ist Ihnen nun zumute, hochwürdiger Hexengegner? Die Geschichte von Ingolstadt ist ein fast überzeugender Beweis, dass es Hexen oder doch Gespenster gibt; denn ob ich das Mägdlein im roten Mieder, welches so glücklich verbannt worden ist, für eine Hexe oder für ein Gespenst halten soll, dies habe ich bei mir selbst noch nicht ausgemacht. Die Sache mag sein, wie sie will, eines wie das andere ist wider ihr System. Was mich noch mehr zweifeln macht, dies sind fünf bewehrte und wahrhafte Geschichten, die ich in meinem Vaterland selbst erlebt habe. Die Geschichten glattweg wegleugnen, dies geht nicht an, es leben die Zeugen noch. Und genug! Ich lebe noch und werde so lang an die Hexen und Gespenster glauben, bis Sie mich des Gegenteils gänzlich überweisen. Wohlan also, ich will Ihnen die Sache erzählen, und damit Sie sich gleich gefangen geben dürfen, will ich Ihnen allemal auch ein Argument beifügen. Wenn Sie mir selbe nicht gründlich auflösen, so sind Sie geschlagen. Ja,  geschlagen sind Sie, ich sehe es vor. Mir ist leid, dass ich das Werkzeug sein muss, wodurch Sie geschlagen werden. Allein ich bin ein Liebhaber der Wahrheit und muss es tun. Verzeihen sie es mir, ich bin dessen ungeachtet dennoch

hochwürdiger Hexentilger
Ihr
gehorsamster Diener F. L.

Erste Geschichte

Die stärksten Beweise muss man immer voraussetzen, und ich will auch mit jener Geschichte zuerst aufziehen, die mich vor allen anderen überzeugt. Ich will sie durch meine Erzählung vollkommen in das Licht setzen und allen Ausflüchten vorbeugen. Ich zweifle gar nicht, dass ich allen Glauben finden werde, denn wer es nicht glauben wollte, der konnte es in einem Garten außerhalb der Tore von München gar leicht erfragen. Die Sache ist erst den 31. Juli im Jahre 1768geschehen. Hört! Hört! Meine Leser! Und wundert euch.

Die Stadt München liegt in Bayern an der Isar. Um diese Stadt sind viele Gärten und in diesen Gärten gibt es viele Leute, die sich täglich gerne einfinden. Diese Gärten scheinen manchen Offizianten angenehmer zu sein als seine Schreibstube, und manchem Bürger sind sie lieber als seine Werkstadt. Bisher ist also die Geschichte richtig, und wer daran den geringsten Zweifel hegen wollte, der müsste entweder München nie gesehen haben oder er müsste in keinem Garten um München jemals gewesen sein. Nun weiter.

Den 31. Juli gingen vier Spielleute um die Mitte der Nacht von ei­nem Garten nach Hause. Sie gingen über die Schießstadt ihren Weg fort und ließen sich nichts Arges träumen. Ungefähr erblickten sie einen neuen schönen Palast, den sie um diese Gegend noch niemals gesehen hatten. Alle Fenster waren beleuchtet. Das Jauchzen und Frohlocken hörten sie schon von Weitem und als sie näher kamen, sahen sie eine Menge Leute in den Zimmern, die aßen, tranken, tanzten, spielten und sich in dieser Freinacht lustig machten.

»Was ist doch dies für ein Garten«, sagte der Bassgeiger, »wie lustig geht es allda nicht zu? Wir wollen hineingehen. Vieleicht lässt sich heute noch ein Kreuzer verdienen, den wir morgen vertrinken können.«

Dies geschah. Sie gingen hinein und wer mir abstreiten wollte, dass sie hineingegangen sind, diesen hieß ich einen P. Sterzinger, und so wäre er widerlegt genug.

Beim Eintritt sahen sie eine ganze Tafel voll Gäste. Der Wirt begegnete ihnen mit aller Freundlichkeit und bot ihnen Lehnsessel an. Die Spielleute weigerten und entschuldigten sich, dass sie aus Mangel des Geldes nicht mithalten konnten.

»Hier ist alles zechfrei«, antwortete der Wirt, meine Herren, essen und trinken sie, solange es ihnen gefällig ist.«

Der Antrag gefiel den Spielleuten. Sie setzten sich nieder, aßen und tranken. Der Wirt sprach ihnen zu und befahl ihnen, mit nach Hause zu nehmen, was sie nicht genießen konnten. Sie schoben also einen guten Teil einer Pastete in den Sack. Sie packten Gänse, Rebhühner, Enten und andere niedliche Speisen ein. Endlich fingen sie auf ihren Geigen zu spielen und alle Leute zu tanzen an.

Was geschah? Auf einmal verschwand das ganze Gartenhaus und meine vier Spielleute saßen jeder auf einer Säule des Galgens. Leute, die vorübergingen, sagten, es hätte vier Uhr geschlagen und man hätte bereits Angelus Domini geläutet. Die Spielleute stiegen von ihrem Thron herab, gingen nach Hause. Als sie die eingepackten Speisen herauslangen wollten, fanden sie nichts als Mist und Dreck in der Tasche.

Die Historie ist richtig und man erzählt sie in allen Bierschenken: Meine Herren Hexenleugner, was sagen Sie hierzu? Sie mögen sagen, was sie wollen, mir werden Sie wohl niemals mehr glauben machen, dass es keine Hexen gibt.

Zweite Geschichte

In einer gewissen Gasse von M… steht ein Haus. Ich will das Haus wichtiger Ursachen halber nicht nennen, deswegen verliert doch die Geschichte an ihrer Richtigkeit nichts. In diesem Haus war ein Poltergeist, der sich zu gewissen Zeiten hören ließ. Man hörte sogar auf der Gasse das Getöse davon, und niemand wollte sich in das Zimmer wagen, wo sich das Getöse am meisten hören lies. Das Haus wurde feil geboten. Es fand sich kein Käufer, weil jedermann fürchtete, er könnte das Gespenst mit dem Haus kaufen. Was geschah? Wir wollen es mit Verwunderung hören.

Das Getöse wurde durch die Wache dem General gemeldet. Der General suchte einen der herzhaftesten Soldaten heraus und fragte ihn, ob er nicht Mut hätte, etliche Nächte in diesem Haus zu bleiben.

»Ja«, antwortete der Soldat, »ich bitte mir nur etliche Mann aus, die außerhalb des Hauses stehen bleiben können, die ich aber auf den ersten Wink zu mir rufen kann.«

Dies geschah. Der Soldat begab sich in das gefährlichste Zimmer des Hauses, räumte alle Kästen, Tische, Sessel und alles Hausgerät hinweg. Nur einen einzigen kleinen Tisch behielt er für sich und las für Kurzweile ein lustiges Hexenmärchen. Die erste Nacht ließ sich kein Geist hören. Die Hexen und Gespenster fürchten sich ordentlich vor den Wachen und Soldaten, denn mit diesen Herren ist nicht gut Spaß zu treiben. Vielleicht wird das Gespenst eine andere Nacht mehr Mut haben? Ja, ja! Der Soldat ging für diesmal nach Hause und kam die Nacht darauf wieder.

Nun würde aber ein fürchterlicher Auftritt für ihn kommen. Das Getöse fing an. Ketten und Fessel rauschten um das Zimmer herum. Der mutig Soldat griff zum Gewehr. Er horchte auf allen Seiten, wo er das Getöse am meisten hörte. Endlich nahm er wahr, dass das Getöse größtenteils von unten heraufkam.

Hier steckt das Gespenst, dachte er, ich will mich mit ihm schlagen. Er rief die vor dem Haus bestellten Leute. Man öffnete den Boden und sah das Gespenst in Gestalt eines langen Mannes liegen, welcher mit Ketten, die er an einer Walze trieb, ein so fürchterliches Gepolter verursachte. Das Gespenst wurde in Arrest geführt und bekannte nach der Hand, dass es für die Nacht einen Dukaten von demjenigen bekam, der dieses Haus gern um einen sehr wohlfeilen Preis gekauft hätte. Nun ist das Gespenst weg und die Einwohner haben Ruhe im Haus.

Die Geschichte ist richtig, dafür bin ich Bürge. Gegen die Hexen- und Gespensterleugner aber mache ich nun folgenden Schluss. Kann man Gespenster in Arrest führen, so muss es Gespenster geben. Trotz jedermann, der mir dieses Argument gründlich auflösen kann.

Dritte Geschichte

Dieses Jahr um die Fastnachtzeit war ein Erzzauberer im Land. Dieser schnitt einer Henne den Kopf weg und setzte ihr denselben wiederum auf. Es waren über vierzig Personen, die dies mit ihren Augen gesehen haben und alle Tage Zeugenschaft davon geben konnten, wenn man es verlangt hatte.

Es ist also dieses Zauberstück so gut bewiesen wie die Hexengeschichte von Ingolstadt. Was braucht es aber viel Gepränges, P. Sterzinger war selbst dabei gegenwärtig, wie ich mir erzählen lassen habe; allein er hielt deswegen den Mann doch für keinen Zauberer. Wie verstockt sind wohl dergleichen Leute nicht? Sie glauben sogar dies nicht, was sie selbst sehen: Wer wird sie also noch überzeugen können? Wahrheit, erleuchte sie!

Vierte Geschichte

Ein junges Kammermädchen war immer von Hexen und Gespenstern geplagt. (Wunder! So gesellen sich doch die Gespenster auch gerne zum schönen Geschlecht?) Sie schlief in dem Nebenzimmer ihrer Herrin, die selbst oft das Gespenst aus- und eingehen hörte. Es warf die Stühle, Tische und Sessel um. Daraus entstand ein so großes Getose, dass sich weder die Frau zu ihrem Kammermädchen noch dieses sich zu jener zu gehen das Herz hatte. Es geschah dies nicht alle Nächte – denn die Gespenster müssen doch auch zuweilen ausschlafen –, sondern nur zu gewissen Zeiten und insgemein dazumal, wenn der Hausherr nicht zu Hause war.

Der Hausherr kam einstens in der Mitte der Nacht wohl bezecht nach Hause, da sich eben das Gespenst hören ließ. Die Frau hörte ihn kommen, und wie die getreuen Frauen immer für ihre Männer sorgfältig sind, so rief sie ihm vom Fenster aus entgegen: »Herr! Bleib er zurück, es ist eben das Gespenst im Nebenzimmer, bleib er zurück.«

Wein macht Mut und wir wagen oft etwas im Rausch, was wir nüchtern nicht wurden unternommen haben.

Der Hausherr ging schnurgerade dem Nebenzimmer zu, warf das Gespenst die Stiege hinunter und erfuhr mit größter Verwunderung, dass das Gespenst eine Livree trug. Nun frage ich euch, ihr Herren Hexen- und Gespensterleugner! Entweder war der Bediente bisweilen in ein Gespenst verwandelt worden oder ein Gespenst hat dem Herrn viele Jahre in Gestalt eines Bedienten gedient? Nicht wahr? Eines von beiden müsst ihr zulassen? Gut! Ihr mögt mir einräumen, was ihr wollt, so seid ihr geschlagen und ich siege. So legt euch doch einmal zum Ziel und glaubt, was alle Leute vor eurem Dasein auf der Welt geglaubt haben.

Fünfte Geschichte

Die letzte Geschichte ist die beste zum Überzeugen. Zu Weilheim, wenn ich nicht irre, entstand vor etlichen Jahren ein sehr starkes Ungewitter. Es mag nun Weilheim gewesen sein oder nicht, dies trägt zur Richtigkeit der Geschichte nichts bei: Ein Städtchen war es und ein Ungewitter war es, genug! Die schwarzen Wolken bedeckten die ganze Luft, ein Blitz nach dem anderen fuhr über den Horizont her und setzte die ganze Gegend in Furcht und Schrecken. Alle Leute sahen dem Ungewitter entgegen, welches über den Pfarrturm herkam. Weil sie mit starren Augen dahin sahen, so dünkten sie sich etwas, ich weiß nicht was, auf dem Turm zu erblicken.

»Hier sitzt die Hexe«, sagten einige, »ich sehe sie. Sie lächelt, sie frohlockt, sie klatscht mit den Händen und freut sich über den Schaden, den sie allenthalben erregt.«

»Ja, ja«, rief eine, »meines Nachbarn alte Käthe ist ohnehin nicht zu Hause, sie wird es wohl sein. O, dass sie doch jemand herabsegne!«

Die Leute liefen haufenweise auf dem Platz zusammen. Ungefähr erhob sich ein Sturmwind und führte ein paar Hosen daher.

»Es ist keine Hexe«, hieß es nun, »ein Hexenmeister ist es.«

Die Hosen1 drehten sich im Wirbelwind etliche Male herum und endlich fielen sie mitten auf dem Platz nieder.

»Nun haben wir ihn«, sagte man. »Jetzt wird das Ungewitter bald vorübergehen. Allein es ist doch der Hexenmeister selbst nicht. Es wird nur ein Teil von seinen Kleidern sein.«

»Nein, nein!«, rief hierauf ein alter Burgermeister. »Er ist es, er ist es, selbst ist er es. Wie oft habe ich nicht von meinem Großvater, einem neunzigjährigen Mann, erzählen gehört, dass sich die Hexenmeister verwandeln können, wie sie wollen. Ich habe selbst vor fünfzig Jahren den berühmten Zauberjäckel hinrichten gesehen, der auf diese Art den Händen der rächenden Gerechtigkeit so oft entkommen ist. Wie oft hatten ihn die Amtleute ergriffen. Da sie ihn fesseln wollten, hatten sie statt seiner einen Strohhalm in den Händen.«

»Herr Bürgermeister, das ist unmöglich«, sagte ein junger Bürgersohn, der eben von der hohen Schule voll Witzes und Verstandes nach Hause kam und schon alldort das Hexenleugnen erlernt hatte.

»Was versteht ihr jungen Witzlinge«, versetzte der edelfeste Greis. »Ich habe schon lange vergessen, was ihr erst lernen müsst.«

»Was ist also zu tun?«

»Man muss die Hosen in das Amthaus bringen«, sagte der Burgermeister. »Haben wir sie, so haben wir den Hexenmeister selbst. Es ist continens pro centento. Was versteht ihr davon, was dieses sei. Ich will den Pakt schon auflösen. Sind aus einem Hexenmeister Hosen geworden, so wird wohl wiederum aus den Hosen ein Hexenmeister werden können.«

Der Befehl wurde vollzogen, die Hosen lagen im Amthaus. Man hielt Rat darüber. Man ging mit allerhand Sprüchen und Beschwörungen über sie her. Endlich kam ein Zimmermann und forderte seine Hosen zurück, die ihm ein Sturmwind von einer Stange, wo sie hing, fortgenommen und eine Zeit in der Luft bis an die Höhe des Pfarrturms herumgetrieben hatte.

So sind es also Hosen gewesen? Der Zimmermann hat es gesagt. Ich halte es aber mit dem Burgermeister und glaube, es stecke wirklich etwas Geheimes darunter, welches man nicht jedermann zur Einsicht vorzulegen nötig hat.

Show 1 footnote

  1. Ich hätte Beinkleider setzen sollen, allein ich rede mit gemeinen Leuten.